Samstag, Juli 27, 2024

BMI-Chats 14: Chats belasten Holzer: Der Gegenschlag der Kripo

Staatsanwalt und Kripo-Chef suchen fieberhaft nach den BMI-Chats. Der erste Chat taucht im Kurz-Buch von ZackZack-Herausgeber Peter Pilz auf. Die Ermittler wissen jetzt, woher für die ÖVP Gefahr droht.

Wien, 23. Februar 2022 | Bundeskriminalamts-Direktor Andreas Holzer und seine Sondereinheit „AG Fama“ wissen im Frühjahr 2021 nicht, ob mit dem abgefangenen USB-Stick die Kloibmüller-Daten in Sicherheit sind. In einer „grafischen Darstellung“ versucht die „AG Fama“, die Vorgänge rund um die drei ins Wasser gefallenen BMI-Handys zu analysieren. Die entscheidende Linie zum Verbleib der Handys endet mit „3 Stück“ und „? Verbleib“.

Am 22. Februar 2021 hält Holzer-Stellvertreter Dieter C. seine größte Befürchtung in einem Amtsvermerk fest: „Ein großes Bedrohungspotential birgt die noch nicht erfolgte Ausforschung und Identifizierung des/der unbekannten Mittäter der Beschuldigten.“ Die Fama-Beamten wissen also nicht, ob die Daten des Kloibmüller-Handys aus dem Kreis von Ott hinausgelangt, von Dritten ausgewertet und damit außer Kontrolle geraten sind. Ein Stick ist abgefangen, aber niemand in der „AG Fama“ weiß, ob es noch weitere gibt. Die „AG Fama“ hat das „große Bedrohungspotential“ erkannt. Jetzt beginnt sie vorbeugend, mögliche Stick-Interessenten zu verfolgen.

Erst am 4. März kommt die „AG Fama“ dem Auftrag der Staatsanwaltschaft nach und lässt von einem Holzer-Ermittler den Stick übergeben. Der Wiener Staatsanwalt Bernd Schneider scheint Spezialist für Fälle wie Ott zu sein. Er verfolgt den Ibiza-Video-Detektiv Julian Hessenthaler mit größtmöglicher Härte. Jetzt kümmert er sich um Ott. Schneider bekommt als erster Vertreter der Strafjustiz Einblick in die BMI-Chats. Statt mit der Durchsuchung des Datenfunds nach Hinweisen auf strafbare Handlungen zu beginnen, beauftragt er mit Alexander W. einen IT-Experten des Justizministeriums mit der Auswertung der Kloibmüller-Daten. Eine Kopie des Sticks lässt Schneider in einem verschlossenen Kuvert zum Tagebuch der Staatsanwaltschaft nehmen. Aber von Anfang an achtet er auf eines: Der Stick und seine Daten kommen nicht in den Akt.

Der Staatsanwalt kennt seine Verpflichtung, auch bei Zufallsfunden von Amts wegen zu ermitteln. Wobei der Kloibmüller-Stick kein klassischer Zufallsfund ist: Die AG Fama hat gezielt nach ihm gesucht und ihn gefunden.

Am 10. März 2021 sitzen Ermittler der „AG Fama“ wieder beim Staatsanwalt und besprechen „die bisherigen Ermittlungsergebnisse sowie die nächsten Ermittlungsschritte“. Dabei geht es aber nicht um Ermittlungsaufträge gegen Sobotka, Kloibmüller und Mikl-Leitner. Die Spitze der „AG Fama“ wird bald eine ganz andere Idee haben.

Der „Zufallsfund“

Am 2. Juni 2021 legt der Fama-Beamte „AF08“ einen Amtsvermerk an. Diesmal handelt es sich um einen echten Zufallsfund.

Peter Pilz hat als ZackZack-Herausgeber nach dem islamistischen Allerseelen-Anschlag eine Recherche begonnen. Er will wissen, warum die Beamten von Innenminister Karl Nehammer trotz aller Vorwarnungen den Anschlag nicht verhinderten; ob Menschen sterben mussten, weil die Spitze des BMI versagte; und warum sofort nach dem Anschlag mit der Vertuschung der Affäre rund um Nehammers Spitzenbeamte begonnen wurde. Pilz zitiert aus Akten und internen Untersuchungsberichten. Nehammers Beamte haben die heikelsten Passagen des Untersuchungsberichts schwärzen lassen. ZackZack veröffentlicht den ungeschwärzten Bericht.

Im Nationalrat werden bereits Anfragen wegen möglicher V-Leute des BVT und ihrer Rolle bei der Vorbereitung des Anschlags eingebracht. Auf dem Handy von Ott findet die „AG Fama“ eine Nachricht vom 29. November 2020: „Lieber Peter, Habe mit mehreren Personen gesprochen. Vom LVT Wien sicher nicht als V geführt, BVT auch unwahrscheinlich. Lg Eg“. Mehr finden die Ermittler nicht. Es gibt nicht einmal einen Hinweis auf eine – rechtlich zulässige – gezielte Frage von Pilz. Für die AG Fama reicht das trotzdem. Sie lässt auf Grund der Nachricht von Ott eine Stammdatenabfrage durchführen und stellt fest, dass die Nummer Pilz gehört.

Hausdurchsuchung bei Pilz?

Die Holzer-Ermittler finden keinen Hinweis auf eine Pilz-Frage oder gar einen Pilz-Auftrag, geheime Daten des Innenministeriums zu beschaffen und damit das Amtsgeheimnis zu verraten. Trotzdem überschreibt der „AG Fama“-Ermittler die Informationen über eine rechtlich unbedenkliche Auskunft an Pilz mit „Verdacht der Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Verdacht der Verletzung des Amtsgeheimnisses“. Wie kommt er darauf? Das Bundeskriminalamt wollte auf Nachfrage keine Stellungnahme abgeben.

Die Ermittler werten weitere Chats aus und fassen das Ergebnis in einem Satz zusammen: „Die gespeicherten Chatinhalte weisen keine strafrechtliche Relevanz auf.“ Trotz aufwendiger Suche haben die Holzer-Ermittler nichts gefunden, was Pilz belastet. Die Absicht, die Holzers Ermittlertruppe augenscheinlich verfolgt, wird erst am Ende des Berichts sichtbar. Unter „weitere Maßnahmen“ empfiehlt die „AG Fama“, wohlgemerkt ohne konkreten Verdacht, eine Hausdurchsuchung bei Pilz zu erwägen:

„Hinsichtlich des Verdachts einer gerichtlich strafbaren Handlung gegen Dr. Peter Pilz wird gegenständlicher Amtsvermerk gem. § 5 BAK-G dem Bundesamt für Korruptionsprävention und -bekämpfung zur Kenntnisnahme und allfälligen Weiterbearbeitung übersandt. In diesem Zusammenhang wird jedoch auf die bereits gesondert an die StA Wien erfolgte Anlassberichterstattung zu Hans Jörg Jenewein ua. wegen §§ 307, 12 zu 310 StGB und § 63 DSG verwiesen, die gleichartige Vorgänge beinhaltet.“

Hinter dem Amtsdeutsch verbirgt sich ein einfacher Fama-Vorschlag: Am 11. September 2021 genehmigt eine Wiener Richterin die Hausdurchsuchung im niederösterreichischen Wohnhaus des Ex-FPÖ-Abgeordneten Hans Jörg Jenewein. Am selben Tag stehen die Beamten der „AG Fama“ mit einem Staatsanwalt und der Anordnung zur Hausdurchsuchung vor ihm. Mit der Behauptung „gleichartiger Vorgänge“ verfolgt Holzers AG offensichtlich ein ähnliches Ziel. Aber nirgends findet sich ein Antrag auf Hausdurchsuchung bei Pilz. Später verschwindet der BAK-Abschlussbericht zu den Vorwürfen gegen den ZackZack-Herausgeber in einem nicht einsehbaren Akt.

Am Ende des Aktenvermerks hält Fama-Mitarbeiter AF08 fest: Es wäre „eine Abstimmung von Ermittlungsschritten mit den Sachbearbeitern der AG Fama erforderlich.“ Wenn es soweit ist, dann will die „AG Fama“ jedenfalls dabei sein.

Holzers BMI-Chats

Holzer und seinen Beamten ist durch die Chat-Nachricht bezüglich Wiener Allerseelen-Anschlag klar, dass Pilz eine Information von Ott bekommen hat. Aber sie wissen nicht, ob der ZackZack-Herausgeber etwas über den Kloibmüller-Stick weiß – und von wem. Und sie wissen vor allem eines nicht: ob sich unter etwaigen Daten BMI-Chats befinden, die Holzer persönlich belasten. Das ändert sich im Juli 2021.

Als Pilz am 21. Juli 2021 sein Buch „Kurz – ein Regime” vorstellt, kann Holzer auf Seite 75 über sich selbst lesen:

Am 10. April 2016 erhält BMI-Kabinettschef Michael Kloibmüller ein seltsames SMS: „I watched you. OK ist überall.“ Der Absender ist Andreas Holzer. Am 27. April fragt Holzer Sobotkas Kabinettschef: „Hat dich BAK über TÜ Inhalte informiert?“

„BAK“ ist das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung im Innenministerium. „TÜ“ steht für „Telefonüberwachung“.

Damit scheint klar, dass Holzer 1.) als Beamter des Bundeskriminalamts Informationen aus einer Telefonüberwachung des BAK, dem Holzer nicht angehört, erhalten hat; 2.) diese geheime Information an Sobotkas Kabinettschef Kloibmüller in einer Signal-Nachricht augenscheinlich weitergegeben hat; und 3.) dadurch möglicherweise im Verdacht der Verletzung des Amtsgeheimnisses und damit eines Delikts nach § 310 StGB steht.

Aus den Chats geht nicht hervor, dass das Telefon von Klobmüller abgehört wurde. Holzer scheint den Kabinettschef über „TÜ-Inhalte“, also die Inhalte überwachter Gespräche, informiert zu haben.

Auf Seite 76 des Buchs steht der zweite Teil der Holzer-BMI-Chats:

Kurz nachdem der BKA-Beamte Holzer Sobotkas Kabinettschef am 27. April 2016 die Telefonüberwachung verraten hat, fragt Kloibmüller zurück: „Nein wieso?“ Holzer gibt die Antwort: „Z. und du kommt vor.“ Wolfgang Z. ist als stellvertretender Chef des BVT der höchste ÖVP-Mann im Nachrichtendienst.

Den Beamten dämmert es: Die Chats aus dem Buch können nur vom Kloibmüller-Stick stammen. Pilz muss zumindest einige BMI-Chats erhalten haben. Und: Die Nachrichten belasten Andreas Holzer und damit den Chef der „AG Fama“ selbst. Ab jetzt ist Feuer am Dach. Unter normalen Umständen kann Holzer nicht gegen sich selbst ermitteln. Dennoch sieht der Staatsanwalt offensichtlich vorerst keinen Grund, Holzer von den Ermittlungen auszuschließen und einen Anfangsverdacht gegen den Chef der „AG Fama“ zu prüfen. BK-Chef Holzer bleibt unbehelligt.

Aber was machen Staatsanwalt und „AG Fama“ jetzt mit den BMI-Chats? Werden sie neue Ermittlungen einleiten – oder sollen die Chats aus den Ermittlungen verschwinden? Und was geschieht mit Fama-Chef Holzer, der durch die BMI-Chats belastet ist?

Dazu mehr in Teil 3 von “Die Spur der BMI-Chats”. Morgen auf ZackZack.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

72 Kommentare

72 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Die Ergebnisse der Pilnacek-Kommission

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!