Freitag, April 26, 2024

Nehammers Oligarchen-Problem – Analyse

Analyse

Österreich und Russland pflegen gute Beziehungen. So gut, dass Österreich 2014 für ein Schlupfloch im EU-Sanktionsregime sorgte und sich Putin-nahe Oligarchen in Wien tummeln. Wie glaubwürdig ist die neue Linie des Kanzlers?

 

Wien, 24. Februar 2022 | Karl Nehammer gibt sich beim Thema Russland derzeit betont konsequent. Auf den ersten Blick ein Kontrast zu seinem Vorgänger Sebastian Kurz, der sich etwa mit seinem Flug im Oligarchenjet oder der gescheiterten Sputnik-Impfdiplomatie blamierte. Seit die EU-Sanktionen aufrecht sind, war Kurz fünf Mal bei Diktator Wladimir Putin zu Gast. Der mit Abstand höchste Wert aller österreichischen Spitzenpolitiker, obwohl Kurz erst drei Jahre nach Beginn der Krim-Krise zum Kanzler gewählt wurde. Wie glaubwürdig ist Nehammers Linie?

Im Zib 2-Interview am Mittwoch sagte Nehammer, die EU zeige neuerdings Einigkeit. Dabei muss sie schon seit 2014 die Sanktionen gegen Russland jedes Halbjahr verlängern – geschlossen. Was Nehammer vermutlich meinte, ist die Fragilität des bisherigen Sanktionspakets. Verantwortlich dafür ist auch Österreich.

Schlupfloch für russische Banken in Wien

Für restriktive Maßnahmen wie Wirtschafts- und Finanzsanktionen, das Einfrieren zahlreicher Konten oder das Verhängen von Einreiseverboten sieht die EU Einstimmigkeit im Rat der Mitgliedstaaten vor. Das konnte 2014 im Zuge des russischen Vorgehens in der Ukraine nicht ohne Zugeständnisse erreicht werden. Hintergrund ist, dass Nationen wie Ungarn oder Österreich bislang als sanktionsskeptisch und russlandfreundlich galten. So polterten Kaliber wie Wolfgang Schüssel (Ex-Kanzler) oder Christoph Leitl (ehem. WKO-Chef) öffentlich gegen die Maßnahmen. In Brüsseler Hinterzimmern wurde massiver „Kuhhandel“ betrieben, um Einigkeit herzustellen. Damit sind Gegendeals für Abstimmungsverhalten gemeint. Österreich tat sich dabei mit einem bemerkenswerten Schlupfloch im Bereich der Finanzsanktionen hervor.

In einem Bericht des US-Think Tanks CSIS heißt es wörtlich, dass „ein Schlupfloch im EU-Finanzsanktionen-Gesetz (Artikel 5) es in Wien registrierten Tochtergesellschaften russischer Banken erlaubt, über Europa hinweg ohne Restriktionen zu operieren, was vonseiten der österreichischen Regierung während der Sanktionsverhandlungen nachdrücklich befördert wurde.“ Der damalige Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) beendete nur Monate später seine Politkarriere und landete danach in der umstrittenen „Agentur zur Modernisierung der Ukraine“. Dort war auch der frühere ÖVP-Mitarbeiter Johannes K. engagiert, der Spindelegger und Jan Marsalek zu einem Talk über eine merkwürdige Flüchtlingskarte einlud.

Die „Agentur zur Modernisierung der Ukraine“ stand im Zwielicht, weil sich dort auch der Putin-nahe Oligarch Dmytro Firtasch wiederfand. Firtasch wird von der USA der Korruption und Mafiazugehörigkeit bezichtigt, was dieser vehement zurückweist. Er sieht sich als Opfer der US-Politik, die wiederum befürchtet, er könnte die österreichische Justiz bestechen. Seit Jahren bekämpft Firtasch erfolgreich seine Auslieferung in die USA.

Oligarchen mit ÖVP-Verbindungen

Firtasch ist in der ÖVP bestens vernetzt. ÖVP-Finanzier Alexander Schütz vermietet eine luxuriöse Wiener Villa an den ukrainischen Oligarchen, der nicht aus Österreich ausreisen darf. Allein ist er hierzulande nicht, denn Firtasch bekommt der Enthüllungsplattform „Radio Svoboda“ zufolge immer wieder Besuch von Vertrauten und Politikern der russlandnahen, ukrainischen Oppositionspartei „Für das Leben“.

Firtaschs „rechte Hand“, der Moldauer Dmitry T., soll sich zudem regelmäßig in Wien aufhalten. Bei einem von der „Washington Post“ aufgedeckten Treffen von Trump-Anwalt Rudy Giuliani und dem ukrainischen Geschäftsmann Lev Parnas in Paris nahm Dmitry T. teil. Welche Rolle er spielte, wollte er der Zeitung nicht sagen. Es soll aber um die Schmutzkampagne gegen Joe Biden gegangen sein, wie es im Bericht heißt.

Dmitry T.‘s Geschichte ist durchaus bemerkenswert. Der Moldauer mit den vielen Identitäten war in der Ukraine aufgeflogen, weil er laut Medienberichten unter falschem Namen für die Partei „Für das Leben“ kandidieren wollte. T.s Frau, eine ehemalige Misses Universe, ist dem eigenem Social-Media-Auftritt zufolge regelmäßig in ÖVP-nahen Kreisen unterwegs.

Unterdessen sorgt Firtaschs PR-Berater Daniel Kapp (früherer Sprecher von Finanzminister Josef Pröll) dafür, dass der Oligarch in den Medien gut wegkommt. Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter war darüber hinaus die Vertrauensperson von Firtaschs Banker Wolfgang P. im Banken-U-Ausschuss der Nullerjahre. Dass P. für die ÖVP-nahe Raiffeisen unterwegs war, überrascht nicht. Die Cashcow der Raiffeisen Bank International (RBI) ist das Russland- bzw. Osteuropageschäft. Firtasch bzw. sein Firmengeflecht war lange als zweitgrößter Kunde der Bank geführt worden, bis er zur mittlerweile abgewickelten Wirecard-Bank wechselte. Die Raiffeisen Bank International hat aktuell große Probleme: der Aktienkurs ist im Laufe des Donnerstagvormittags um -17% zurückgegangen.

Drehscheibe Wolf

Größter Raiffeisen-Kunde war Insidern zufolge zumindest in jüngerer Vergangenheit Oleg Deripaska bzw. dessen Firmen. Deripaska, der wie Firtasch im Visier des FBI ist, soll beste Kontakte zu Putin-Kreisen unterhalten. Aber indirekt auch zur ÖVP: Deripaska ist mit ÖVP-Unterstützer Siegfried Wolf geschäftlich verbunden. Bei Ex-Kanzler Kurz machte sich Wolf dafür stark, die US-Sanktionen gegen Deripaska zu bekämpfen.

Man kann sagen: der österreichische Investor ist so etwas wie eine Drehscheibe mit delikaten Russlandverbindungen. Er lebt geographisch gesehen günstig, denn ein Büro von Wolf ist dem Vernehmen nach im gleichen Haus wie das City-Büro von Firtasch angesiedelt. Das Haus gehört einer Firma von Wolf selbst, wie auch das Nebenhaus, in dem einige vermögende Russen wohnen sollen.

Wolf ist auch Aufsichtsratschef der Europafiliale der russischen Sberbank – mit Sitz in Wien. Über die Sberbank Europe laufen für Russland wesentliche Transaktionen. Unweit der Bank entsteht am Wiener Schwarzenbergplatz gerade die Europazentrale des Ölkonzerns Lukoil. Dort agiert Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel als Aufsichtsrat. Er wolle sein Mandat trotz Putins Angriffskrieges nicht abgeben, hieß es am Donnerstag. Begründung: Lukoil sei kein staatlicher Konzern. Allerdings ist das Öl-und Gasgeschäft in Putins Russland eine absolute Schlüsselindustrie mit staatlichem Zugriff.

Und dann sind da noch die BMI-Chats. 2017 kümmerte sich das BMI-Netzwerk um ein Staatsbürgerschaftsansuchen. Grigory Luchansky, ein Mann, den Geheimdienste und Ermittler überall auf der Welt im Visier hatten, wollte Österreicher werden. Er versuchte es offensichtlich via Innenministerium.

Wie Nehammer all diese Verbindungen wegwischen will, wenn demnächst die Sanktionsliste erweitern wird, bleibt abzuwarten. Harte Sanktionen der EU hat er am Donnerstag im Vorfeld eines EU-Gipfels bereits angekündigt. In Großbritannien geht es dem ersten Oligarchen bereits dick ein: Roman Abramowitsch soll unter Berufung auf nicht genannte Quellen das Leben auf der Insel künftig untersagt werden, so zumindest die „Daily Mail“.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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28 Kommentare

  1. Danke der zack-kack Redaktion für diese Einblicke. Weiß ja niemand vom blöden Wahlvolk. Das Ende dieser “schwarzen Macht” muss her, egal wie! Bitte bleiben Sie weiterhin hartnäckig im Aufdecken!

  2. Jaja, der Herr Nehammer und sein gestreckter nervöser Zeigefinger seiner linken Hand, den er dem „Publikum“ entgegenstreckt. Verräterisch, seine Körpersprache. Da hilft es auch nicht, wenn ihm seine Milei eintrichtert, er möge doch endlich genug Kreide zu sich nehmen und lächeln. „Dafür“ aber belehrt er uns, wie Neutralität zu verstehen sei. Und lächeln, bitte endlich lächeln…

    • Ja, das wäre wirklich von Interesse. Dem ist aber, glaub ich, diesbezüglich alles andere als wohl zu Mute. Menschlich dürfte er ja bekehrt sein, aber ist er das auch monetarisch?

    • Was auch interessant wäre ist was Karli Schranz nun so meint, bezüglich seinem Alpinspezi Vladimir? Vielleicht kommt ja Servus TV auf die Idee ihn zu befragen im Hangarstalk. 😎

  3. Mir wird schlecht… In Österreich ist man so, Herr Bundespräsident, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, denn die ÖVP deckt, schützt und fördert ein System, bei dem man für Geld über Leichen geht.
    Danke wb für das Aufzeigen der Zusammenhänge!

  4. Zitat: “Oligarchen mit ÖVP Verbindungen”
    Diese werden nun wohl am Meisten zittern müssen (vor allem um ihr Geld natürlich)?

  5. Die ÖVP überall mit den Oligarchen im Bett bis zum Alt BK Schüssel Job in Russland. Wie verlogen… ist das alles. Und dem Tschischtinnen ist unsere Neutralität egal.

  6. Spindellecker, als politiker völlig unbrauchbar, als querbrater gegen eu zugange.
    Firtasch ausliefern, konten von deripasha und konsorten einfrieren und einreiseverbot.
    Dr lüssel, der vp werteposaunist, besehtauf seiner unverzichtbsren rolle bei lukoil.
    A krätzn, wie der bastel.

  7. Freuts euch, die miese Raiffeisenbank ist jetzt fällig Leute. Die machen jetzt Verluste, kam grad im NTV!!! Hanni Mickl-Leitner, jetzt bist fällig..die mächtige Bank steht bald nicht mehr hinter dir!!!

  8. Lieber Herr Weiser, die Allianzen der österreichischen Regierenden (mit den ihnen nahestehenden Banken) mit finanzstarken dubiosen Politikern oder “offiziellen” Verbrechern, erfreuen sich in Österreich lang geübter Tradition. Erinnert sei an afrikanische Potentaten, (als ein anderes politisches Kräfteverhältnis herrschte) welche ihre Unterhändler mit Koffern voller Schwarzgeld, in diverse österreichische Bankinstitute entsandten. Da Sie sich, lieber Herr Weiser, investigativ bemühen, Korruption und politischen Amtsmissbrauch zu eruieren, hätte ich ein anderes interessantes, aufklärungswürdiges Thema für Sie. Hier kommen auch noch nachrichtendienstliche Komponenten ins Spiel, welche sicherlich keine Erleichterung bei der Wahrheitsfindung darstellen. Gibt es Zusammenhänge des Treffens von VdB mit Lukaschenko und die kurz darauf erfolgte “Evakuierung” von Marsalek (mit Zutun des BVT) ins Exil nach Belarus? Wenn Sie hier Licht ins Dunkel bringen, werden Sie der österreichische Wallraff…

    • …. Und WAS hatte das spanische ” Königshaus ” , pfui, beim BP zu suchen, am Tag vor dieser verbrecherischen Unterschrift. ? Es wird gemunkelt, der BP sei Freimaurer !

      • Dass du ein Vollidiot bist braucht man nicht zu munkeln, das beweist du mit jedem Post.

  9. ich liebe mein ZackZack…
    und DU?
    Geld überweisen = Topjournalismus ohne VPMafia.. …. JETZT

  10. Vielen herzlichen Dank für die ausführliche Hintergrundiformation. Ja, Österreich ist dick im Geschäft mit den Oligarchen. Und, ich kann es nur vermuten, der Zerfall von wirecard hat nicht nur Trump wertvolle Informationen abgeschnitten sondern RU auch eine Menge Geld, das offenbar nun nicht mehr im ausreichenden Ausmaß ankommt, sodass ein Krieg der einzige Ausweg war.

    Der ÖVP vertraue ich keinen Millimeter mehr. Es wird Zeit, dass wir die alle loswerden.

    3G

    Gekauft.
    Gelutscht.
    Geschrottet.

    • gibt es diese “Leute” noch ? Es wird gemunkelt, in Wien waren oder sind sämtliche Parteizentralen geschlossen….kanns nicht nachprüfen, bin nicht in Wien…
      DER ORF hat schon länger eine seltsame Berichterstattung.Zudem , im Netz steht seit 3 Wochen “vorübergehend nicht erreichbar…

      • Ich klapper nicht täglich Parteizentralen ab. Ich denke, die sind offen. Wenn viele Spamanrufe kommen, kriegt man eine andere Nummer zugewiesen. Die alte Nummer wird aktiv gehalten, um de Spammern die Zeit zu stehlen.

  11. Hr Urlaubskanzler, so wie sie unschuldige kleine Kinder herzlos ausgewiesen haben, erwarte ich mir das diese Dreckskerle umgehend Österreich verlassen müssen! Walten sie ihres Amtes und erteilen sie ihrem Faschistenminister einen klaren Auftrag.

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