Samstag, Juli 27, 2024

»Nein zum Krieg!« – Anti-Putin-Proteste in Russland

»Nein zum Krieg!«

Freie Meinungsäußerung war in Russland schon lange vor der gestrigen Eskalation keine Selbstverständlichkeit. Durch das Narrativ der regierungstreuen Medien wird das Volk zudem desinformiert. Dennoch bekunden unzählige Menschen auf Straßen und durch Social-Media ihre Solidarität mit der Ukraine.

Wien, 25. Februar 2022 | Dass kritische Stimmen in Russland niedergeschlagen werden, ist kein Geheimnis. Anlässlich der gestrigen Invasion in die Ukraine sind dennoch zahlreiche Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen den Krieg zu protestieren. Sie skandierten „Nein zum Krieg!“ und verbreiteten auch auf Social-Media-Kanälen einen Hashtag mit diesen Worten. Die Proteste wurden erwartungsgemäß gewaltsam von Spezialeinheiten aufgelöst. Laut der Menschenrechtsorganisation “OVD-Info”, die die politische Verfolgung in Russland dokumentiert, gab es über 1.800 Festnahmen von Demonstranten.

Desinformation durch Propagandamedien

Wenn man russische Propagandamedien zu den gestrigen Ereignissen liest, erweckt es beinahe den Eindruck die Ukraine hätte eine Invasion in Russland gestartet und nicht umgekehrt. Die auflagenstärkste Boulevardzeitung „Komsomolskaya Prawda“ berichtet von einer „Spezialmission“ und vermeidet bewusst Begriffe wie „Krieg“ oder „Invasion“. Dafür wird über einen potenziellen Anschluss der zwei selbstproklamierten und von Putin anerkannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk an Russland sowie über die Schaffung einer großen Staatlichkeit namens „Neu-Russland“ spekuliert. Auch der für seine Falschmeldungen zur Ukraine-Krise 2014 bereits in Kritik geratene Regierungssender „Perwy Kanal“ hat gestern in einer Sendung das Geschehen laufend kommentiert und dabei die russische Aggression verharmlost.

Es gibt aber auch Medien, die nicht auf Regierungslinie sind und mit ihrer kritischen Berichterstattung dem Kreml ein Dorn im Auge sind. Um ihnen die Arbeit zu erschweren, wurden sie im Laufe der letzten Jahre als „ausländische Agenten“ gebrandmarkt. Im Zuge des Angriffs auf die Ukraine wurde die Bevölkerung auch aufgefordert Informationen zur „Spezialmission“ nur mehr über offizielle Regierungsseiten zu beziehen.

Kritik von Künstlern

In Russland halten sich Personen, die im öffentlichen Leben stehen, insbesondere die mit dem Ehrentitel „Volkskünstler der Russischen Föderation“ für besondere Verdienste im Bereich der Darstellenden Kunst versehenen Musiker für gewöhnlich in ihrer Kritik zu Putin zurück. Doch nun ist das Gegenteil der Fall: Denn gestern äußerten sich zahlreiche Musiker, Schauspieler, Journalisten, Wissenschaftler und sogar Promis aus dem Propagandasender „Perwy Kanal“ solidarisch mit der Ukraine.

Sie positionieren sich kategorisch gegen die Aggression und fordern ein Ende des Krieges. Der Friedensnobelpreisträger und Herausgeber der regierungskritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ Dmitri Muratow spricht in einem Video von „Scham und Trauer“. Als Zeichen gegen den Krieg und gegen die Anerkennung der Ukraine als Feind ist die gestrige Ausgabe der Zeitung auf russischer und ukrainischer Sprache erschienen.

(nb)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Nura Wagner

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