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Neue Ermittlungen gegen Pilnacek

Das ist ein Unterüberschrift

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck wirft dem suspendierten Justiz-Sektionschef Pilnacek Verrat von Amtsgeheimnissen vor. Es geht um eine heikle Weisung zum Eurofighter-Verfahren.

Wien/Innsbruck, 22. März 2022 | Der Fall Eurofighter stand kurz vor der Anklage – da entzog die Wiener Oberstaatsanwaltschaft (OStA) dem zuständigen Ermittler den Fall, weil der eine Weisung verraten haben soll. Staatsanwalt R. wurde sogar illegal überwacht. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck glaubt: Nicht Ermittler R., sondern Christian Pilnacek hat die Weisung verraten.

Es war ein aufsehenerregender Fall. Fast zehn Jahre lang hatte Staatsanwalt R. gegen Airbus ermittelt. Es ging um Korruption beim Eurofighter-Kauf. Kurz bevor die Sache angeklagt werden konnte, im Februar 2019, entzogen ihm seine Vorgesetzten die Ermittlungen. Der Grund: R. soll eine geheime Weisung Christian Pilnaceks an den damaligen Abgeordneten und heutigen ZackZack-Herausgeber Peter Pilz verraten haben.

Geheime Dokumente

Pilnacek hatte angewiesen, brisante Dokumente aus dem Akt zu nehmen, weil er die nationale Sicherheit gefährdet sah. Das Verteidigungsministerium hatte zuvor Unterlagen an die Wiener Staatsanwaltschaft übermittelt. Es sei zu befürchten gewesen, dass Airbus als Beklagte über die Akteneinsicht Zugang zu den Dokumenten erhalten könne, hieß es. Das Oberlandesgericht Wien (OLG) bestätigte am 28. August 2018 diese Ansicht. Kritiker warfen dem Justizministerium vor, die Ermittlungen seien durch die Weisung behindert worden, weil der Staatsanwaltschaft nun wichtige Akten fehlten.

Pilz hatte durch Recherchen von der Weisung erfahren. Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt begann Ermittlungen wegen Verrats von Amtsgeheimnissen gegen ihren Kollegen R. Statt Lobbyisten und Waffenhändlern sollte nun plötzlich der Staatsanwalt auf die Anklagebank. Diese Ermittlungen dienten der OStA als Grund, R. vom Eurofighter-Verfahren abzuziehen.

Illegale Überwachung

Um eine Verbindung zwischen Staatsanwalt R. und Peter Pilz zu beweisen, ließen die Eisenstädter Ermittler sogar die Handys ihres Kollegen und des Abgeordneten überwachen – illegal, wie das OLG später feststellte. Eine Sache erschien dem OLG besonders seltsam: Die Handyüberwachung begann zwölf Tage, bevor die angeblich verratene Weisung überhaupt erteilt worden war. „Da über eine nicht existente Weisung schwerlich gesprochen werden kann, bleibt im Dunkeln und ist es unbegründbar“, warum eine Telefonüberwachung durchgeführt wurde, urteilte das Gericht.

Aus den Ermittlungen gegen Staatsanwalt R. wurde nichts. Doch dafür stellte sich heraus: Am 21. Dezember 2018, war es Pilnacek selbst, der den Wortlaut seiner Weisung und weitere Dokumente an einen ORF-Journalisten weitergab.

Eine Anzeige gegen Pilnacek wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses landete bei der Staatsanwaltschaft Linz. Die beschloss, keine Ermittlungen einzuleiten. Genau das tat dafür nun die Staatsanwaltschaft Innsbruck.

„Ganz einfach ein einziges E-Mail“

Am 02. November 2021 kamen die Innsbrucker Ermittler ins Wiener „Landl“. Dort fand im zweiten Stock ab 14:00 Uhr die Beschuldigteneinvernahme Pilnaceks statt. Fast zwei Stunden lang befragten die Staatsanwälte den suspendierten Sektionschef. Für die Staatsanwälte ist die Sache klar: Es gehe „ganz einfach um ein einziges E-Mail, das Sie im Dezember 2018 geschickt haben“, hält Staatsanwalt S. Pilnacek vor. „Und aus diesem E-Mail geht hervor, dass Sie eben am 21. Dezember 2018 dem (…) in den Anhängen den Beschluss aus dem Eurofighter-Verfahren – den Beschluss des OLG Wien vom 28.08.2018 – in ungeschwärzter Form übermittelt haben.“

Ein ORF-Journalist hatte einen ZIB-Beitrag über die Weisung geplant und bei der OStA um eine Stellungnahme gefragt. Doch die OStA verwies den Redakteur an Pilnacek. Der Mann an der Spitze der Weisungskette schickte dem Journalisten nicht nur den Wortlaut der Weisung, sondern auch Anhänge, darunter den Beschluss des OLG zur Weisung.

Der verdutzte Journalist fragte bei Pilnacek nach, ob er den Wortlaut der Weisung in der Berichterstattung verwenden könne. Laut seiner Zeugenaussage sagte Pilnacek ja. Der wiederum will sich nicht genau erinnern können.

Zweiter Versuch

Für die Ermittler ist aber etwas anderes wichtiger: In dem OLG-Beschluss fanden sich die Namen von Beschuldigten im Eurofighter-Verfahren. Pilnacek hatte sie nicht geschwärzt und damit an den ORF-Journalisten verraten. Für die Staatsanwaltschaft ist das entscheidend, denn damit der Tatbestand „Verletzung des Amtsgeheimnisses“ erfüllt sein kann, muss durch den Geheimnisverrat jemand in seinen Rechten verletzt werden.

Genau daran scheiterte eine Anklage der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen Pilnacek am Wiener Landesgericht am 03. November 2021. Pilnacek hatte Informationen über eine Anzeige gegen „Presse“-Journalistin Anna Thalhammer an eine Redakteurin des „Kurier“ verraten. Das steht auch für Richterin Julia Matiasch fest, doch: Durch den Geheimnisverrat sei niemand benachteiligt worden – nicht Thalhammer, die das auch öffentlich erklärte und nicht die Republik, die kein Recht darauf habe, Ermittlungen oder Vorerhebungen geheim zu führen. Matiasch sprach Pilnacek frei.

Pilnacek befürchtete kritische Berichterstattung

Das könnte diesmal anders sein. Doch warum schickte Pilnacek dem ORF-Journalisten überhaupt den OLG-Entscheid? Bei seiner Einvernahme sagte Pilncek, er habe befürchtet, dass der geplante Bericht ungünstig für ihn ausfallen könne. Ausdrücklich sorgte er sich darum, dass kritische ZackZack-Berichterstattung die Sichtweise des ORF-Kollegen geprägt haben könnte.

Nach seinem Gespräch mit dem Journalisten sei für Pilnacek „sonnenklar“ gewesen, „dass die Berichterstattung sehr kritisch ausfallen wird.“ Er habe den OLG-Entscheid mitgeschickt, um zu zeigen, „dass das nicht jetzt wieder eine Entscheidung war, die der allmächtige Sektionschef alleine getroffen hat.“

Pilnacek teilt über seinen Anwalt mit, dass er zu einem laufenden Verfahren nicht Stellung nehmen möchte. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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