Donnerstag, Mai 2, 2024

Ex-Ministerin Karmasin enthaftet

Nach dem Wirbel um die Beinschab-Stellungnahme wurde Ex-Familienministerin Karmasin gestern enthaftet. Die musste allerdings ein umfassendes Gelöbnis zusichern.

Wien, 29. März 2022 | Seit 4. März sitzt Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin in U-Haft. Am Montag wurde sie enthaftet. Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) leistete einer Haftbeschwerde Folge, die Karmasins Anwälte Norbert Wess und Philipp Wolm gegen den U-Haftbeschluss des Landesgerichts für Strafsachen eingebracht hatten.

Dringender Tatverdacht weiterhin gegeben

Der dringende Tatverdacht und die Haftgründe seien zwar nach wie vor gegeben. Nach dreieinhalbwöchiger U-Haft sei aber nach Ansicht des OLG eine Enthaftung gegen gelindere Mittel möglich, sagte Hinger. Karmasin musste unter anderem per Gelöbnis zusichern, bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens keinen Fluchtversuch zu unternehmen oder sich verborgen zu halten und jeglichen Kontakt zu den anderen Beschuldigten in der Inseratenaffäre – Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), mehrere Kurz-Vertraute, Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, Karmasins ehemalige Mitarbeiterin Sabine Beinschab und die Medienmacher Wolfgang und Helmuth Fellner – und Zeugen zu unterlassen. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Ihr wurden außerdem Versuche untersagt, “die Ermittlungen zu erschweren”, wie Hinger wenig später in einer Pressemitteilung ergänzend erläuterte. Weiters wurde ihr mittels Weisung aufgetragen, an ihrer Adresse wohnen zu bleiben und jeden Wechsel des Aufenthalts anzuzeigen. Sie muss auch ihre Ausbildung zur Psychotherapeutin fortsetzen.

„Negative Konsequenzen auf beruflicher und sozialer Ebene“

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Karmasin in der ÖVP-Inseratenaffäre wegen Untreue, Bestechlichkeit, Geldwäsche, Vergehen gegen wettbewerbsbeschränkende Absprachen und schweren Betrugs. Zu sämtlichen Delikten sei der dringende Tatverdacht weiterhin gegeben und der vom Landesgericht angenommene Haftgrund der Tatbegehungsgefahr “im Prinzip” zu bejahen, bekräftigte das OLG.

Da Karmasin aber durch das Strafverfahren und die Inhaftierung “erhebliche negative Konsequenzen auf beruflicher und sozialer Ebene” zu tragen habe, bestehe kein Risiko, dass ihr in nächster Zeit Geschäfte möglich seien, mit denen strafbare Handlungen verwirklicht würden, begründete das OLG die Enthaftung: “Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass der Eindruck der bisherigen Haft bei der unbescholtenen Beschuldigten zu einem Wohlverhalten führen wird.”

“Die Entscheidung des Drei-Richter-Senats des OLG folgt unserer von Beginn an vorgebrachten Argumentation, wonach der von der WKStA und vom Erstgericht herangezogene Haftgrund der Tatbegehungsgefahr im konkreten Fall jedenfalls durch gelindere Mittel substituiert werden kann und letztendlich auch substituiert werden muss”, kommentierten Karmasins Rechtsvertreter Norbert Wess und Philipp Wolm am Montagabend die jüngsten Entwicklungen. In einer Stellungnahme verwiesen sie darauf, Karmasin habe die dafür erforderlichen Zusicherungen “bereits von Anfang an gegenüber der WKStA und auch gegenüber dem Erstgericht” abgegeben. Die Enthaftung stelle “für die Mandantin daher eine große Erleichterung” dar. Gegenüber ZackZack sprach Wess von einer “medialen Kampagne” gegen Karmasin.

Die WKStA verdächtigt Karmasin, “Urheberin und maßgebliche Ideengeberin” eines PR-Tools gewesen zu sein, von dem der damalige Außenminister und spätere Bundeskanzler Sebastian Kurz und die ÖVP mittels vom Steuerzahler finanzierten Umfragen profitiert haben sollen. Karmasin stellt das in Abrede. Sie habe “an keinem gemeinsamen ‘Tatplan’ mitgewirkt”, sei zu keinem solchen – von wem auch immer – überredet worden. Sie habe lediglich den Kontakt zwischen dem späteren ÖBAG-Chef und damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, und der Meinungsforscherin Sabine Beinschab vermittelt.

Stellungnahme von Beinschab sorgte für Wirbel

Bevor die Enthaftungsentscheidung bekannt wurde, hatte ZackZack über eine brisante Stellungnahme berichtet. Sie stammt von Beinschab und belastet Karmasin, die ihrer Ex-Geschäftspartnerin zufolge auch nach der Razzia noch im Bereich Markt- und Meinungsforschung tätig gewesen sein soll. So habe Beinschab ihrer eigenen Stellungnahme zufolge ein Mail erhalten, das eigentlich an Karmasin Research & Identity GmbH adressiert gewesen sei. „Es handelt sich um die Verrechnung von Online-Interviews“ zum Thema „Katholisch“, wie es in der Stellungnahme heißt. Beinschab will die Karmasin-Rechnung erhalten haben, weil sie beim Kunden als Ansprechpartnerin bekannt gewesen sei.

Karmasins Anwalt Wess zeigte sich erbost und verwies unter anderem darauf, dass es sich um noch offene Aufträge vor den Ermittlungen gehandelt habe. Überdies enthalte die Stellungnahme Beinschabs keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe, so Wess.

(wb/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Ben Weiser
Ben Weiser
Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4
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26 Kommentare

  1. Sie kann also unbehelligt Boten empfangen, die ihre Nachrichten weiterleiten oder sie telefoniert ungeniert mit einer anonymen Telefonnummer und zeigt uns symbolisch den Mittelfinger?

    Aber ja, sie verspricht hoch und heilig, sich an die Vorgaben zu halten. Was ist ein Bruch dieses Gelöbnisses im Verhältnis zu einer verdunkelten Straftat? Bricht sie das Gelöbnis und kann durch Abreden eine Verurteilung verhindern, hat sich der Gelöbnisbruch bezahlt gemacht. Wird sie aber beim Austausch von Informationen erwischt, wird sie vermutlich zu einer nicht viel höheren Haftstrafe verurteilt. Also kann sie nichts verlieren sondern nur gewinnen.

  2. “Karmasin musste unter anderem per Gelöbnis zusichern…”
    Putzig. Versprich gaaanz brav zu sein, dann darfst du gehen. Hat sie nicht schon mal was gelobt, gegen das sie mutmaßlich verstoßen hat? Einen Amtseid?

  3. Wirklich erhebliche negative Konsequenzen auf sozialer und beruflicher Ebene hätte sie zu tragen, wenn sie wegen der Vergehen wessen sie beschuldigt wird, verurteilt wird. Darum wird sie natürlich versuchen die Ermittlungen zu erschweren indem sie in Kontakt mit weiteren Beschuldigten, noch nicht eruierte bzw. noch vorhandene Beweise verschwinden lässt und weitere mögliche Zeugen, außer Beinschab, unter Druck setzen. Die weiteren Personen gegen die ermittelt wird sehen Karmasin lieber enthaftet, damit sie Kontrolle über sie ausüben können und Richter und Staatsanwaltschaft machen ihnen aus beschrieben fadenscheinigen Gründen diesen Gefallen. Also irgendwie stinkt die ganze Sache wieder ganz verdächtig nach Freunderljustiz. . “Ein Schelm der dabei böses denkt” ist hierbei ein Sprichwort der diese Farce geradezu verniedlicht.

    • Stimme tlw zu, denke jetzt allerdings in Richtung Hessenthaler. Karmasin in U-Haft mit Beweisen erster Klasse, dann frei – Hessenthaler in U-Haft ausschließlich wg sich widersprechender, gekaufter “Zeugen”. Das sollte für ihn nun konsequenterweise die Freilassung bedeuten, alles andere müsste vor den Gerichtshof für Menschenrechte. Vlt will man mit der Enthaftung von K die Enthaftung von H ohne Gesichtsverlust vorantreiben.

      • Teile da natürlich ihre Hoffnung aus vollsten Herzen, doch weiß ich auch das dies nie geschehen wird. Hessenthaler gilt quasi schon als verurteilt und auf eine Menschenrechtsverletzung mehr oder weniger kommts in Österreich auch nicht mehr an. Am allermeisten zählt hier nur ob wichtige Institutionen oder Personen ihren Einfluss geltend machen in Form von justizlenkender Intervention. Solches trifft zwar für beide zu, doch was sich für Karmasin günstig auswirkt hat für Hessenthaler fatale Auswirkungen.

      • Logisch kausales Denken erzwingt hier (m)eine Zustimmung: Mit der “Qualität” jeweilig juristischer Verteidigung wird es nach menschlichem Ermessen wohl am allerwenigsten liegen … 😉

      • Hier wird zweierlei offensichtlich, erstens dass Hessenthalers Haft unverhältnismäßig ist und zweitens dass Beweise sehr systemelastisch gewürdigt werden.

    • Karmasin hat keine ruhige Minute mehr. Denken wir nur an das abgehörte Telefonat Grasser/Meischberger….

  4. Psychotherapeutin? Zoom-Meeting im Häf’n? Wurscht. Kann sie sich dann bitte mal der Sachsehner annehmen. Wäre dringend.

  5. Ist ja schnuckelig, ein Gelöbnis hat sie abgelegt, dem man natürlich da aus der türkisen familie vollinhaltlich vertraut………….. unfassbar. und das wird natürlich auch peinlich genau geprüft ob sie es einhält. Verarsche hoch 10

    • Die Blöden dabei sind wieder einmal Ermittlungsbehörden die Straftäter festsetzen, damit ein Verfahren erfolgreich abgeschlossen werden kann und dann erkennen müssen dass dies alles zweitrangig ist, wenn von einer höchsten Stelle bei der nächsten interveniert wird. Vielleicht kann uns ja P.P. darüber aufklären wer hier alle Hebeln in Bewegung setzte, damit sich das heiße Eisen Karmasin nicht mehr länger in der Obhut der Staatsanwaltschaft befindet.

  6. Ausbildung zur Psychotherapeutin, ist doch lächerlich, die braucht doch selbst einen!!!
    Ist doch ein Witz, wenn die auf andere losgelassen wird!!!

    • Ja, da tun sich viele Fragen auf. Gut, eine Ausbildung könnte sie mit Fußfessel ja auch im Falle einer Verurteilung ausüben. Eine Psychotherapieausbildung dauert mindestens 5 Jahre. Und da hängt es natürlich davon ab, inwieweit man bereit ist, sich selbst zu hinterfragen, ob man überhaupt aprobiert wird. Abgesehen davon, dass eine Ausbildung noch keinen Abschluss darstellt, stellt sich natürlich die Frage, wer zur Frau Karmasin dereinst als Klient:in kommen soll. Eine Psychotherapie ist etwas Intimes und setzt höchste Vertraulichkeit voraus. Da wird der Name Karmasin wohl eher abschrecken.

      Sophie Karmasin ist 55 Jahre alt und wird frühestens zu ihrem Pensionsantritt diesen Beruf ausüben können. Sie ist verheiratet, ihre Eltern vermögend. Man kann also sagen, sie ist versorgt.

      https://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_Karmasin#/media/Datei:%C3%96vp-korruptionsaff%C3%A4re_flowchart.svg

      Darum geht es.

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