Am Wiener Landesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen Abteilungsleiter im Sportministerium fortgesetzt worden. Zu Mittag wird Kronzeugin Sabine Beinschab vernommen.
Wien | Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic fuhr gleich zu Beginn schwere Geschütze gegen die Ex-Ministerin auf und legte Unterlagen vor, die nach Ansicht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Karmasins Behauptung widerlegen, sie habe guten Gewissens um Fortzahlung ihrer Bezüge angesucht.
“Es tut mir leid”
Karmasin soll sich laut Anklage nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Ministerin nahtlos fortsetzte. Inkriminiert sind 78.589,95 Euro, die Karmasin vom 19. Dezember 2017 bis zum 22. Mai 2018 zu Unrecht bezogen haben soll. Die 56-Jährige hatte dazu beim Prozessauftakt am vergangenen Dienstag erklärt, sie habe nach ihrem Ausscheiden aus dem Ministeramt nicht in das Familienunternehmen zurückkehren können, das man aufgrund ihrer politischen Karriere abgeben habe müssen, und aus einem in Aussicht gestellten Job sei nichts geworden. Deshalb habe sie “sicherheitshalber Entgeltfortzahlung beantragt”, ihr “naives Verständnis” sei gewesen, dass ein solcher Antrag mit einem möglichen zukünftigen Beschäftigungsverhältnis zu vereinbaren gewesen sei. “Rückblickend war das ein Fehler. Es tut mir leid.”
Oberstaatsanwalt Adamovic dürfte sie mit dieser Verantwortung nicht überzeugt haben. Er präsentierte nun im Großen Schwurgerichtssaal “sachverhaltsrelevante Dokumente”, wie er sich ausdrückte, die nach Ansicht der WKStA Täuschungshandlungen der Ex-Ministerin untermauern und widerlegen, dass sie Anfang 2018 keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Bei den zusätzlichen Beweismitteln handelt es sich um Chat-Auswertungen, vor allem auch Nachrichten, die Karmasin mit ihrer ehemaligen Mitarbeiterin, der Meinungsforscherin Sabine Beinschab, ausgetauscht hatte. Beinschab, der die WKStA Kronzeuginnen-Status eingeräumt hat, wird am Donnerstagnachmittag als Zeugin vernommen.
Dokumente: Business-Modell schriftlich fixiert
“Die Dokumente zeigen, dass Karmasin auch im Jänner 2018 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, indem sie einen Jahrbuchbeitrag für die Politische Akademie der ÖVP erstellt hat”, sagte Adamovic. Im März 2018 habe Karmasin dann auch Provisionsansprüche im Zusammenhang mit einer Studie zur Budgetrede des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) erworben, wovon sie selbst ausgegangen sei, wie sich aus einer Chat-Nachricht ergebe. Karmasin habe für diese konkrete Studie auch Beratungsdienste geleistet.
Laut Adamovic soll die Ex-Ministerin schon 2017 – also noch während ihrer Amtstätigkeit – Vorträge geplant und fixiert sowie Honorarverhandlungen geführt haben. Im November und im Dezember 2017 habe sie “ganz grundsätzlich eine Zusammenarbeit mit Beinschab konkret vorbereitet” und ein Business-Modell schriftlich fixiert, legte der Oberstaatsanwalt dar. Abschließend verwies der WKStA-Vertreter auf die “gute Vermögenslage” der Ex-Ministerin, die nach seinem Dafürhalten dem gesetzlich vorgesehenen sechsmonatigen Bezugsfortzahlungsanspruch entgegenstehen, der nur einkommenslosen aus dem Amt geschiedenen Ministerinnen bzw. Ministern zusteht. Karmasin habe damals nicht nur eine Villa in Korneuburg gebaut bzw. ausgebaut, sondern im März 2018 eine Immobilie in Mondsee angemietet.
Karmasin und ihre Verteidiger Norbert Wess und Philipp Wolm äußersten sich zu den vorgelegten Unterlagen vorerst nicht. Sie wurden jedenfalls zum Akt genommen, wie Richter Patrick Aulebauer protokollieren ließ.
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