Samstag, Juli 27, 2024

Teil 3: Cobra-Dienstrausch

Mit allen Mitteln versuchen Innenministerium und Cobra-Leitung, die Nehammers in der “Cobra Libre”-Affäre zu entlasten. Jetzt gerät eine Säule ins Wanken: Der Dienstschluss konnte nicht vorverlegt werden. Der Rausch der Nehammer-Personenschützer war wohl ein Dienstrausch. Nur eines ist immer noch nicht geklärt: Wo – und mit wem – haben sich die Beamten betrunken?

Wien, 6. April 2022 | Die Schilderungen von Zeugen aus Cobra und Polizei ergeben derzeit folgenden möglichen Ablauf der „Cobra Libre“-Affäre:

Am Sonntag, 13. März 2022, verlassen drei Personenschützer um 7.15 Uhr mit ihrem Dienst-Audi die Cobra-Zentrale in Wiener Neustadt. Einer wird in einer Dienstwohnung in Wien als Reserve abgesetzt. Die beiden anderen treffen bald darauf beim Wohnhaus in Wien-Hietzing ein. Beim Eingang bewacht ein Objektschützer der Wiener Polizei den Zugang zur Nehammer-Wohnung.

Wie dem Bundeskanzler sind auch seiner Frau Personenschützer zugeteilt. Die Cobra-Beamten Peter S. und Stefan F. (Namen der Redaktion bekannt) versehen regelmäßig diesen Dienst. Bundeskanzler Nehammer bestellt gerade mit Michael Takacs einen der Hauptdarsteller in den BMI-Chats zum Ukraine-Koordinator der Bundesregierung. Katharina Nehammer ist allein zu Hause.

In der Wohnung

Für Personenschützer gibt es eine Regel. Sie schützen die Zielperson überall, nur nicht an einem Ort: in der eigenen Wohnung. Für deren Sicherheit sind die Objektschützer zuständig. Diese Aufteilung des Schutzes war bis zum Fall „Nehammer“ klar. Als wir dem BMI 26 Fragen an die Cobra und ihren Chef Bernhard Treibenreif schickten, bekamen wir nur 13 Antworten auf Fragen, die wir gar nicht gestellt hatten. Das Ministerium teilte uns etwa mit, dass eine Stunde Personenschutz mit einem Stundensatz von 31,10 Euro abgerechnet wird. Eine Frage und die Antwort darauf waren interessant:

„Dürfen Personenschützer die Privatwohnung der Schutzperson betreten, wenn diese das wünscht?“ Die ebenso einfache wie neue Antwort des Ressortsprechers lautete: „Ja“. Die „Schutzperson“ Katharina Nehammer durfte also wünschen, die Beamten durften laut Innenminister Karner in die Wohnung.

An jenem Sonntag sind die Beamten einige Stunden später stockbetrunken. Beim Versuch, vor dem Nehammer-Haus auszuparken, verliert der Lenker die Kontrolle über den Audi und kracht in zwei geparkte Fahrzeuge. Beim Aussteigen stürzt der Beifahrer und verletzt sich.

Der Objektschützer fordert Verstärkung an. Zwei Streifenwagen kommen. Peter S. nimmt Stefan F. die Dienstwaffe ab und hilft dem schwerer Betrunkenen in einen Wagen. Dort schläft der Nehammer-Personenschützer ein. Auf der Polizeiinspektion verweigert er den Alkotest. Sein Kollege bringt es auf 1,2 Promille.

Desinformation

Mehr als zwei Wochen später, am 31. März, treffen in der ZackZack-Redaktion die ersten Hinweise auf den Vorfall ein. Am 1. April folgt die umfangreiche anonyme Darstellung durch einen Cobra-Insider, die der SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner wörtlich in die Begründung seiner parlamentarischen Anfrage übernimmt. Am selben Tag lässt der Innenminister in drei Zeitungen eine Geschichte lancieren. Der Zweck der Geschichte ist gut sichtbar: Sie entlastet die Nehammers.

Markus Haindl, der Pressesprecher von Minister Karner, und Bernhard Treibenreif, Cobra-Chef und ÖVP-Gemeinderat, erzählen den Journalisten gemeinsam die Entlastungsgeschichte:

1.) Die Cobra-Beamten sollen um 16.00 Uhr ihren Dienst beendet und sich danach in einem Lokal in der Nähe betrunken haben. Dann seien sie zu Fuß zur Nehammer-Wohnung zurückgekehrt und hätten dort um etwa 18.30 Uhr den Unfall verursacht.

2.) Karner-Pressesprecher Haindl behauptet daher: „Der Vorfall hat sich außerhalb der Dienstzeit zugetragen.“

3.) Haindl beschreibt ein wesentliches Detail: „Die Waffe ist immer am Mann zu tragen“.

4.) Auf eine Feststellung legt der Pressesprecher Wert: „Weder der Bundeskanzler noch ein Familienmitglied von ihm waren dabei.“

5.) Auf eine andere Frage gibt es keine Antwort: Cobra-Chef Treibenreif will den Namen des Lokals, in dem sich die beiden Beamten betrunken haben sollen, nicht nennen.

Das verschobene Dienstende

Die Geschichte entlastet Karl und Katharina Nehammer. Sie hat nur einen Fehler: Sie stimmt nicht.

Der Dienst von Beamten, die mit dem Dienstwagen unterwegs sind, endet immer mit dem Abstellen des Fahrzeugs an der Dienststelle. Solange die Beamten mit dem Dienstwagen unterwegs sind, befinden sie sich im Dienst. Die Gründe dafür finden sich nicht nur in der „Verordnung des BM für Finanzen über die Anschaffung, die Verwendung und den Einsatz von Kraftfahrzeugen des Bundes“, sondern auch in einer Sicherheitsregel der Cobra: Nachtsichtgeräte und andere sensible Geräte dürfen nicht unbeaufsichtigt mit dem Dienstwagen abgestellt werden.

Vielleicht war den Beamten nicht klar, dass eine Vorverlegung des Dienstschlusses sie zusätzlich belasten könnte, weil sie dann den Dienstwagen als Privatpersonen betrunken in Betrieb genommen hätten.

Aber warum wird ein Dienstschluss um 16.00 Uhr behauptet? Das kann mehrere Gründe haben.

Zum ersten sollen offensichtlich die Beamten geschont werden. Jeder Polizist weiß, was ihn in vergleichbaren Fällen erwartet: Aufhebung der Dienstzuteilung, Versetzung in ein Wachzimmer, Verlust der Dienstzulage und Regresszahlungen für die Schäden an den drei Fahrzeugen. Für die beiden Cobra-Beamten wäre das das teure Ende ihrer Karriere.

Aber sie haben ein Protokoll unterschrieben, das die Nehammers entlasten könnte. Ihre aufrechte Dienstzuteilung zur Cobra ist natürlich kein Gegengeschäft, sondern nur Rücksicht auf zwei talentierte Personenschützer, denen man die Zukunft nicht verbauen will.

Dienstrausch bei Nehammers?

Zum zweiten schützt ein früher Dienstschluss möglicherweise Katharina Nehammer persönlich. Am 5. April behauptet das Innenministerium dem Mittagsjournal gegenüber plötzlich nicht mehr, dass sich die Personenschützer in einem bestimmten Lokal betrunken hätten: „Es werde geprüft, wo getrunken wurde“. Falls die Prüfung zurück in die Nehammer-Wohnung führt, kann immer noch abgeschwächt werden: Dann wäre das kein dienstliches, sondern nur ein privates Saufen in der Kanzlerwohnung gewesen.

War der „Dienstschluss“ um 16.00 Uhr geplant? Ein Zeuge weist darauf hin, dass die Personenschützer noch für ein Nehammer-Abendessen in der Stadt vorgesehen gewesen seien. Auch das deutet darauf hin, dass es am späten Nachmittag keinen „Dienstschluss“, sondern eine Dienstunfähigkeit gegeben hat. Als Nehammer bei seiner missglückten Pressekonferenz erklärte, dass „der Schutzauftrag zu Ende war“, sollte er gewusst haben, dass eher die Beamten als ihr Auftrag am Ende waren.

„Dienstrausch in der Nehammer-Wohnung mit anschließender Dienstwagen-Demolierung“ – das wäre der Super-Gau für Nehammer und seine Frau. Als sie im Sommer 2017 zwei Kabinetts-Kanus in der Donau versenkte, konnte Katharina Nehammer nicht wissen, dass sie mit den BMI-Chats eine OGH-Richterin und einen Nationalratspräsidenten versenken würde. Diesmal scheint noch nicht klar, ob Katharina Nehammer wieder jemanden versenkt.

(pp)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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