Samstag, Juli 27, 2024

Omikron-Welle: Horror-Lockdown in Shanghai

Omikron-Welle:

Die Bevölkerung Shanghais sitzt seit über zwei Wochen in einem harten Lockdown, der sie in die Verzweiflung und zu Protesten treibt.

Shanghai, 13. April 2022 | Shanghai befindet sich seit Anfang April in einem harten Corona-Lockdown, der die Menschenzur Verzweiflung bringt. Die Menschen dürfen ihre Wohnungen nur in einzelnen Ausnahmen, etwa für die regelmäßige Corona-Testung, verlassen. Zwar versucht die chinesische Führung die Kontrolle über die Informationen, Bilder und Videos in den sozialen Medien zu behalten, aber selbst das mit Message-Control und Überwachung so erfahrene Regime kommt der Flut an Erfahrungsberichten und Text- und Bildform nicht ganz nach.

Ebenso hat der gnadenlose, harte Lockdown nicht verhindert, dass die positiven Corona-Fälle in die Höhe schnellen – die Omikron-Variante ist zu ansteckend. China verfolgt eine Zero-Covid-Strategie. Wurden Fälle bekannt, folgten sofort Lockdowns und andere harte Maßnahmen, um das Virus einzudämmen. Innerhalb eines Monats stiegen nun aber dennoch die täglich registrierten neuen Fälle laut Our World in Data – Quelle für die Google-Corona-Statistiken – in Shanghai von 27 auf 1.190 Fällen, in ganz China von rund 1.230 auf rund 23.160.

Dystopische Zustände

In den sozialen Netzwerken kursieren Videos von Kindern, die Corona haben, daher von ihren Eltern getrennt und in einem Spital in Shanghai untergebracht wurden. Laut „New York Times“ hat eine Gesundheitseinrichtung, aus der Videos aufgetaucht waren, deren Echtheit bestätigt.

Haustiere, die unbeaufsichtigt bleiben, etwa weil ihre Halter in Corona-Quarantäne verfrachtet wurden, werden getötet – Katzen im Vorfeld zu mehrt in Säcke gesteckt, Hunde mit Greifzangen festgehalten. Wer einen positiven Test, aber keine oder kaum Symptome hat, darf die Quarantäne nicht zu Hause aussitzen, sondern muss in ein Quarantäne-Großquartiere gehen.

Ein Video, das in den sozialen Medien kursiert, zeigt einen Mann, der von Menschen in weißen Schutzanzügen auf dem Balkon bedrängt wird. Laut Begleittext ist die Polizei in Schutzmontur in seine Wohnung eingebrochen, um ihn zwangsweise in ein Quartier zu bringen, nachdem der Mann sich geweigert hatte, freiwillig zu gehen. Es kursieren in den sozialen Medien auch Videos von Corona-Beamten, die Menschen zu Boden stoßen oder schlagen, wenn sie nicht spuren wollen.

Und, es klingt wie aus einer Folge “Black Mirror”, wie bereits im ersten Lockdown sind Roboterhunde in den Straßen unterwegs, etwa um Maßnahmen zu verkünden und einzumahnen.

Desolate Quarantäne-Quartiere

Die britische Journalistin Emma Leaning dokumentiert ihre Quarantäne seit 23. März auf Twitter. Als Person mit milden Symptomen wurde sie in die Weltausstellungs-Halle gebracht, in der Platz für 7.000 Quarantänierte ist.

Ruhe gibt es dort kaum, berichtet sie einem Kollegen vom „Shanghai Daily“. Über Nacht brennt das Licht, die Menschen sind zu zweit in Zellen untergebracht, die durch dünne und niedrige Trennwände voneinander abgetrennt sind, iPads und Handys sind zu jeder Tages- und Nachtzeit in Betrieb. Duschen gibt es keine, man muss sich mit einem Handtuch und Wasser aus einem Kübel behelfen. Die mobilen Klos sind weder mit Wasser, noch mit Seife oder Klopapier ausgestattet. In den sozialen Medien kursieren Bilder von verschmutzten Unterkünften.

Versorgung scheitert, Verzweiflung steigt

Schwer Kranke werden Berichten zufolge nicht oder nur unzureichend versorgt. Zu Beginn des Lockdowns hatte die Führung angekündigt, die Nahrungsmittelversorgung aufrechtzuerhalten und darauf zu achten, dass es aufgrund von Engpässen nicht zu Wucherpreisen kommt. Das scheint nicht so gut gelungen sein, wie es angekündigt war – wohl auch wegen des plötzlich verlängerten Lockdowns. Die Supermärkte waren nach Ankündigung des Lockdowns ausverkauft. Essenslieferanten konnten Berichten zufolge keine ausreichende Versorgung sicherstellen, staatliche Essenslieferungen lassen teils auf sich warten. Anfang der Woche hatten in manchen Nachbarschaften Menschen gegen den Lockdown und die fehlende Versorgung protestiert.

In einer nächtlichen Entertainment-Aktion versuchen die in Weiß gekleideten Corona-Beamten mit einer Lichtshow die Menschen in den umliegenden Wohnblocks zu unterhalten.

Das wird wohl nicht reichen, um die Menschen aufzuheitern. In Videos auf Twitter ist zu hören, wie Menschen aus Protest und Verzweiflung aus Fenstern und von Balkonen schreien ihrer Wohnungen schreien. Drohnen fordern die Menschen auf, den „Seelenwunsch nach Freiheit“ zu kontrollieren.

Härtester Lockdown seit Anfang der Pandemie

Anfang März wurde eine erste lokale Corona-Infektion seit Monaten offiziell bekannt. Zuerst versuchte die Stadt, dem Ausbruch mit Nachbarschafts-Lockdowns beizukommen: Je nach Inzidenz sollten Stadtteile eigenständig entscheiden, welche Maßnahmen sie ergreifen. Am 28. März wurde die Osthälfte Shanghais – Pudong – in einen harten Lockdown geschickt, der bis 1. April dauern sollte. Die Westhälfte Puxi sollte von 1. bis 5. April drankommen. Damit sollte der wirtschaftliche Schaden eingedämmt werden. Shanghai ist das größte Wirtschaftszentrum Chinas. Es ist zu erwarten, dass die harten Lockdowns wirtschaftliche Langzeitfolgen für Chinas Wirtschaft haben werden.

Entgegen der ursprünglichen offiziellen Pläne hält der harte Lockdown bislang an. Die chinesische Führung hat nun einen leichten Kurswechsel angekündigt: Am Montag sollen Medienberichten zufolge Maßnahmen in jenen Gebieten gelockert werden, in denen seit zwei Wochen keine positiven Fälle aufgetreten sind. Sie behält sich aber vor, wieder strengere Isolationsmaßnahmen zu ergreifen.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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