Freitag, April 19, 2024

Rabensteiner: Gute Zeiten

„Gegen all euer Leiden verschreibe ich euch Lachen“, sagte der französische Arzt und Humanist François Rabelais. Die wöchentliche Dosis Medizin verabreicht Fritz Rabensteiner.

Wien, 16. April 2022 | Kein Mann trug früher enge, tangaähnliche Unterhosen, bei denen sich der Zwickel nach wenigen Stunden zwischen die Arschbacken sägt. Damals konnte man mit einer Unterhose ein ganzes Fahrrad putzen. Heute reicht es gerade mal für die Klingel. Der Mann von Welt trug Schiesser-Doppelripp, Model Eros aus ägyptischen, fein gekämmten Makogarnen. Mit zwei Jahren Garantie. Zwei Jahre! So was gibt es heute nicht mehr. Mittlerweile ist der Tropfenfänger zum Wegwerfartikel verkommen. Bloß weil die Hose nicht mehr richtig weiß wird, landet sie am Sperrmüll oder wird bei heiklen Fällen als Sondermüll entsorgt. Damals wusste man, was zu tun war, wenn die Unterhose Rost angesetzt hatte. Da stand ruck zuck Klementine mit einer mannshohen Trommel Ariel in der Tür und erklärte uns den Unterschied zwischen sauber und rein. Hausarbeit war schon damals ein Privileg der Frauen. Und wenn die Damen nach der Plackerei müde und ausgelaugt waren, gingen sie ins Nagelstudio, um sich ein wenig verwöhnen zu lassen. Und dort erwartete sie schon Tilly, die aussah wie Werner Kogler in Blond und eine Frisur aus Bauschaum trug. Ohne viele Worte wurden die Finger der Kundinnen in eine Schale mit grüner Flüssigkeit getaucht und gleichzeitig darüber aufgeklärt, dass es sich bei dieser Brühe um Geschirrspülmittel der Marke Palmolive handelt. Mit einem entsetzten „Huch“ versuchten sie die Flucht zu ergreifen, doch Tilly war kräftig und drückte die Finger energisch nach unten, um die Behandlung fortzusetzen. So war das damals, da wurde nicht lange an Ratten und Mäusen getestet, sondern gleich an der Konsumentin.

Auf Körperpflege wurde größter Wert gelegt. Der Banner Deo Roller sorgte für Sicherheit im Alltag. Allerdings standen die Achselhaare weg, als ob sie mit 3-Wetter-Taft behandelt worden wären. Die Achsel des Bösen. Frauen, die ihre Brüste straffen wollten, griffen zu Creme 21 und ließen an ihre Haut nur Wasser und CD. Im Urlaub fuhr man nach Italien und legte sich gemeinsam mit 100.000 anderen an den Strand von Jesolo, wo aber Sonnenbrand kein Thema war. Denn gegen Tschamba Fii, gewonnen aus den Ausscheidungen indonesischer Reisbauern, hatte der Hautkrebs keine Chance. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin in den 60er- und 70-Jahren aufgewachsen und viele aus meiner Generation leben noch, weil es damals keine kranken Kinder gab. Uns wurde täglich ein Liter Sanostol verabreicht. Laktoseintoleranz kannten wir nicht. Wir hatten Schussverletzungen. Aber das war nicht weiter schlimm, denn als Invalide bekam man vom Staat eine Trafik mit Kundenstamm. Schließlich musste sich jeder Autofahrer seine monatliche Stempelmarke holen. Unsere sexuelle Aufklärung fand durch den Schulmädchenreport statt, nur um später feststellen zu müssen, dass die wenigsten Schulmädchen hielten, was der Report einst versprochen hatte. Zum Zahnarzt ging man höchstens alle zehn Jahre, denn alte Plomben wurden mit Bazooka Bubble Gum entfernt. Und mit Cambozola Weichkäse spachtelte man die Löcher wieder zu. Durchfall war so gut wie unbekannt. Falls er dennoch eintraf, wurde das Leck nicht mit Kijimea sondern mit Kohletabletten abgedichtet oder man hat einfach nicht gehustet. Und ertrunken ist auch keiner, weil man uns am Badeteich in einen Schwimmgürtel aus Styropor gezwungen hat. Eine Boje auf zwei Beinen. Vorbeugend hat man dennoch bei Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer eine Versicherung abgeschlossen. Für Männer war diese Zeit ein Paradies. Kaufen sie die neue Röntgen-Brille, den sensationellen Erfolgsschlager aus den USA. Bewundern sie alle Reize der Damen durch die Kleidung. Bei Nichtfunktion garantiert Geld zurück. Firmen verteilten als Werbegeschenke Kugelschreiber mit Nacktbildern. Und nach der Rasur trugen richtige Männer Pitralon auf, das auch zum Abbeizen von alten Möbeln verwendet werden konnte. Und wer vor dem ersten Date nervös war, der kippte sich Tai-Ginseng hinter die Binde. Produktwahrheit stand an erster Stelle, da wurden Werbeversprechungen auf Punkt und Komma eingehalten. Haarausfall war gottgegeben. Da gab es kein Doping für die Haare. Sie gingen, die Hämorrhoiden kamen. Das war der Kreislauf der Natur. Mein Gott, wie sehr vermisse ich diese Zeit.

Aus dem Buch Der schwarze Kakadu

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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25 Kommentare

  1. “Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch”. -Erich Kästner
    Ihnen gelingt das hervorragend, vielen Dank für die wöchentliche Dosis, bringt mich immer zum Schmunzeln!

  2. “Wehmütig grüßt der, der ich bin, denjenigen, der ich hätte sein können.”
    Melancolicamente sauda aquele quem eu sou o outro que eu podia ter sido.
    Gregor v Rezzori

  3. Danke Herr Rabensteiner, ich bin auch in den 60er und 70er aufgewachsen und es ist genauso, wie Sie es beschreiben. Schönes Osterwochenende und behalten Sie Ihren Humor und Witz.

  4. Danke Herr Rabensteiner … wir dürften so in etwa zur selben Zeit aus dem Ei geschlüpft sein.
    Herrlich, ich erinnere mich an alles. Mit Bazooka sind die besten und größten Blasen gegangen :-))) das Gesicht war beim Rekordversuch bis zu den Haaren verklebt!

    An meinen 3 Kindern und meinem Enkel erkenne ich, dass sich seit damals nix geändert hat ;-).
    Das Gute überlebt.

    In diesem Sinne – an alle – viel Erfolg beim Ostereier suchen.

  5. Oh weh – bin ich wirklich schon so alt?
    Dennoch herzlichen Dank für die Erinnerungen – und das Lachen – Herr Rabensteiner!
    Dem gesamten Forum ein schönes Osterwochenende und gute Gedanken – Frieden beginnt im Herzen..

    • Danke, wünsche auch schöne Osterfeiertage. Ich habe einen Kuckuck einmal beobachtet bei einem Vogelnest im Dachstuhl. Es war irgendwie schon schockierend zu sehen, wie die Eier des eigentlichen Nestbesitzers plötzlich am Boden lagen. Dass der Kuckuck dabei so hoch spezialisiert vorgeht ist mir aber neu.

      • Unsere Natur kann in die kleinste Nische einen Spezialisten hinein packen.
        Kuckucke gibt es auch unter den Fischen, maulbrütente Barsche im Malvisee werden auch häufig Opfer von Eierfälschern…

        möge der Osterfriede einziehen, überall auf der Welt!

  6. Danke,ich hab selten so gelacht in den letzten Tagen,als jetzt bei dem Beitrag,ja,das waren noch herrliche Zeiten,ich hab so lachen müssen und hab mich gleich noch an andere Werbungen erinnern müssen,wer kennt sie nicht die Suche nach dem Ramazottti,der man überall gesucht hat unterm Tisch usw.und für die Jüngeren unter uns,damit ist nicht der Eros gemeint :).

    Danke,für diesen herrlichen Beitrag und bitte weiter so,denn lachen ist wirklich die beste Medizin,Sanostol ein xxx-Dreck dagegen,gibt es jetzt übrigens für uns Senioren auch,nix da wird genommen,gelacht wird jeden Samstag,aber selten war es so lustig wie heute.

    Ihnen und Ihrer Familie und allen im Forum,ein frohes Osterfest,auch wenn die Welt grade nicht so toll ist,lachen,und feiern wir, vergessen mal für ein paar Stunden den Alltag,das wünschen ich allen!

  7. “So war das damals, da wurde nicht lange an Ratten und Mäusen getestet, sondern gleich an der Konsumentin.” Ja, die gute alte Zeit. Aber nicht verzagen, besonders in der Pharmaindustrie hat man seit kurzer Zeit sich wieder dieser rudimentären Prüfungsmethode erinnert….

  8. ja, da könnte ich auch noch mitreden, sogar ein dezennium früher. kernseife zb, nach dem samstägigen bad (der jüngste kam als 1. hinein) 1l wassee mit ordentlich essig, dass die haare schön glänzen und weich werden, besonders vorteilhaft, wenn man sowieso nur einige weiche federn auf dem kopf hatte.
    frühstüch: haferflocken in milch aufgekocht, milchnudeln oder, am ärgsten: milch, brot hineingebröckelt.

  9. Ich habe gerade gemerkt, dass ich alt werde. 🙄 Und ja, ich kann dieser Zeit auch einiges abgewinnen im Gegensatz zur heutigen der ich immer weniger abgewinnen kann.

      • Das was Rabensteiner da schildert kenne ich aus meiner Kindheit und die war eigentlich sehr schön, deshalb vermutlich die positiven Assoziationen meinerseits.

  10. Gratuliere, Lachen wirkt offensichtlich auch gegen Demenz. Vortreffliche Bilder steigen in ihren Beschreibungen hoch. Auch Tilly‘s Frisur sah tatsächlich wie aus Bauschaum gemacht aus, obwohl es diesen meines Wissens erst später gab.😅

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