Samstag, Juli 27, 2024

Rabensteiner: Gute Zeiten

„Gegen all euer Leiden verschreibe ich euch Lachen“, sagte der französische Arzt und Humanist François Rabelais. Die wöchentliche Dosis Medizin verabreicht Fritz Rabensteiner.

Wien, 16. April 2022 | Kein Mann trug früher enge, tangaähnliche Unterhosen, bei denen sich der Zwickel nach wenigen Stunden zwischen die Arschbacken sägt. Damals konnte man mit einer Unterhose ein ganzes Fahrrad putzen. Heute reicht es gerade mal für die Klingel. Der Mann von Welt trug Schiesser-Doppelripp, Model Eros aus ägyptischen, fein gekämmten Makogarnen. Mit zwei Jahren Garantie. Zwei Jahre! So was gibt es heute nicht mehr. Mittlerweile ist der Tropfenfänger zum Wegwerfartikel verkommen. Bloß weil die Hose nicht mehr richtig weiß wird, landet sie am Sperrmüll oder wird bei heiklen Fällen als Sondermüll entsorgt. Damals wusste man, was zu tun war, wenn die Unterhose Rost angesetzt hatte. Da stand ruck zuck Klementine mit einer mannshohen Trommel Ariel in der Tür und erklärte uns den Unterschied zwischen sauber und rein. Hausarbeit war schon damals ein Privileg der Frauen. Und wenn die Damen nach der Plackerei müde und ausgelaugt waren, gingen sie ins Nagelstudio, um sich ein wenig verwöhnen zu lassen. Und dort erwartete sie schon Tilly, die aussah wie Werner Kogler in Blond und eine Frisur aus Bauschaum trug. Ohne viele Worte wurden die Finger der Kundinnen in eine Schale mit grüner Flüssigkeit getaucht und gleichzeitig darüber aufgeklärt, dass es sich bei dieser Brühe um Geschirrspülmittel der Marke Palmolive handelt. Mit einem entsetzten „Huch“ versuchten sie die Flucht zu ergreifen, doch Tilly war kräftig und drückte die Finger energisch nach unten, um die Behandlung fortzusetzen. So war das damals, da wurde nicht lange an Ratten und Mäusen getestet, sondern gleich an der Konsumentin.

Auf Körperpflege wurde größter Wert gelegt. Der Banner Deo Roller sorgte für Sicherheit im Alltag. Allerdings standen die Achselhaare weg, als ob sie mit 3-Wetter-Taft behandelt worden wären. Die Achsel des Bösen. Frauen, die ihre Brüste straffen wollten, griffen zu Creme 21 und ließen an ihre Haut nur Wasser und CD. Im Urlaub fuhr man nach Italien und legte sich gemeinsam mit 100.000 anderen an den Strand von Jesolo, wo aber Sonnenbrand kein Thema war. Denn gegen Tschamba Fii, gewonnen aus den Ausscheidungen indonesischer Reisbauern, hatte der Hautkrebs keine Chance. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin in den 60er- und 70-Jahren aufgewachsen und viele aus meiner Generation leben noch, weil es damals keine kranken Kinder gab. Uns wurde täglich ein Liter Sanostol verabreicht. Laktoseintoleranz kannten wir nicht. Wir hatten Schussverletzungen. Aber das war nicht weiter schlimm, denn als Invalide bekam man vom Staat eine Trafik mit Kundenstamm. Schließlich musste sich jeder Autofahrer seine monatliche Stempelmarke holen. Unsere sexuelle Aufklärung fand durch den Schulmädchenreport statt, nur um später feststellen zu müssen, dass die wenigsten Schulmädchen hielten, was der Report einst versprochen hatte. Zum Zahnarzt ging man höchstens alle zehn Jahre, denn alte Plomben wurden mit Bazooka Bubble Gum entfernt. Und mit Cambozola Weichkäse spachtelte man die Löcher wieder zu. Durchfall war so gut wie unbekannt. Falls er dennoch eintraf, wurde das Leck nicht mit Kijimea sondern mit Kohletabletten abgedichtet oder man hat einfach nicht gehustet. Und ertrunken ist auch keiner, weil man uns am Badeteich in einen Schwimmgürtel aus Styropor gezwungen hat. Eine Boje auf zwei Beinen. Vorbeugend hat man dennoch bei Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer eine Versicherung abgeschlossen. Für Männer war diese Zeit ein Paradies. Kaufen sie die neue Röntgen-Brille, den sensationellen Erfolgsschlager aus den USA. Bewundern sie alle Reize der Damen durch die Kleidung. Bei Nichtfunktion garantiert Geld zurück. Firmen verteilten als Werbegeschenke Kugelschreiber mit Nacktbildern. Und nach der Rasur trugen richtige Männer Pitralon auf, das auch zum Abbeizen von alten Möbeln verwendet werden konnte. Und wer vor dem ersten Date nervös war, der kippte sich Tai-Ginseng hinter die Binde. Produktwahrheit stand an erster Stelle, da wurden Werbeversprechungen auf Punkt und Komma eingehalten. Haarausfall war gottgegeben. Da gab es kein Doping für die Haare. Sie gingen, die Hämorrhoiden kamen. Das war der Kreislauf der Natur. Mein Gott, wie sehr vermisse ich diese Zeit.

Aus dem Buch Der schwarze Kakadu

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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