Samstag, Juli 27, 2024

Julya Rabinowich – Skylla & Charybdis – Der brandneue Bericht der Magd

Skylla & Charybdis

Die Frau und die Frucht ihres Leibes, ein Schnäppchen am globalen Markt. Aber nur, solange die Ware frisch ist! Zu schnell kann es passieren, dass man zur Ladenhüterin wird.

Julya Rabinowich

Wien, 14. Mai 2022 | Der Körper einer Frau ist ein Kontinent, um den seit Jahrhunderten Kriege geführt werden. Deutungskriege, aber auch ganz handfeste, in ganz reale Leben und Körper greifende Kriege. Dieser dem männlichen Blick so bedrohlich erscheinende Körper soll kartografiert, erforscht, unterworfen, zu Nutze gemacht werden. Fruchtbar gemacht werden, auch mit Zwang.

Die sexuelle Befreiung dieses weiblichen Köpers macht Sorge, die Unabhängigkeit, die daraus erwachsen könnte, würde die Partnerwahl beeinflussen und die nicht Erstgereihten zu Verlierern machen, während die gefangene, abhängige, die den gesellschaftlichen Normen auf Gedeih und Verderb Ausgelieferte natürlich ein weniger schwierig zu handhabbares Objekt darstellt.

Eines der am heißesten umkämpften Gebiete am Kontinent Frau ist die Kontrolle über Sexualität und Fruchtbarkeit. Unzählige Verhütungsmethoden haben ja bedauerlicherweise ebenso unzählige Schlupflöcher für renitente Frauen erschaffen. Diese gilt es wieder ins Dunkel zurückzutreiben und ewig zu binden. So kommt es, dass im Jahre 2022 in Polen vergewaltigte Frauen, die aus der Ukraine geflohen sind, keine Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruches erhalten und damit vor der Wahl stehen, weiterfliehen zu müssen oder vor Ort ein Kind auszutragen, das mit Gewalt in ihren Körper gepflanzt wurde als taktische Kriegshandlung. Bedauerlich, gewiss, aber gottgewollt!

Während in Polen Polinnen sterben, weil die Ärzte eine lebensrettende Massnahme nicht auszuführen wagen, weil sie den verbotenen Eingriff bedeuten würde, arbeitet Amerika daran, den Bericht der Magd möglichst detailgetreu auferstehen zu lassen – und leider nicht, um einen Margaret-Atwood-Themenpark zu gründen, sondern eine neue Ära der Unterwerfung alles Weiblichen.

Das Berufen auf christliche Werte ist hier ein Trump-haftes, clownesk augenauswischendes Umhergegaukle. Noch nie haben diese von der konservativen Politik gerne strapazierten Werte dazu herhalten müssen, das Leben der Frauen unabhängiger zu machen. Barrett, eine konservative Richterin am Obersten Gerichtshof, wies verräterischerweise darauf hin, dass die USA eine „inländische Versorgung mit Säuglingen“ benötigten, um den Bedarf von Eltern zu decken, die Säuglinge zur Adoption suchten. Sie argumentierte, dass Mütter ihr Baby gebären und zur Adoption freigeben müssten, um den Marktanforderungen gerecht zu werden. Der Markt regelt alles! Auch Leben und Tod. Die Kinderheime sind zwar jetzt schon gefüllt mit Kindern, die auf eine Adoption hoffen, das ist allerdings kein Thema der Abtreibungsdiskussionen. Frischfleisch sollte es sein, ein unbeschriebenes Blatt, dem zur Geburt gezwungenen Körper abgerungen.

Die Frau und die Frucht ihres Leibes, ein Schnäppchen am globalen Markt. Aber nur, solange die Ware frisch ist! Zu schnell kann es passieren, dass man zur Ladenhüterin wird. Was alle diese Gaukler und Gauklerinnen, die das Recht der Frauen auf ihre Körper und ihre Leben in Absprache stellen eint, ist die Grausamkeit, mit der sie Frauen in Lebensgefahr bringen: Niemals unterbindet ein Abtreibungsverbot Abtreibungen. Es macht nur sichere Abtreibungen unmöglich. Der Kontinent Frau bezahlt das oft genug mit seiner Existenz.

Titelbild: ZackZack

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