Die Cobra Libre-Affäre rund um das Gelage in der Nehammer-Wohnung liegt jetzt beim Staatsanwalt. Es gibt neue Hinweise:
Peter Pilz
Wien, 31. Mai 2022 | Bei seiner berühmten Wut-Pressekonferenz zur Cobra Libre-Affäre entkam Bundeskanzler Nehammer ein verräterischer Satz: „Es war ganz normal in dem Sinne, weil der Personenschutzkommandant, der ja an meiner Seite war (…), mich dann davon in Kenntnis gesetzt hat, (…), als dann dieser Unfall passiert ist, das heißt noch im Laufe des Abends.“
Der Personenschutzkommandant der Cobra, P., spielt in der Affäre ZackZack-Informationen zufolge eine zentrale Rolle. Hinweise aus öffentlichen Erklärungen, Akten und Protokollen sowie Aussagen von Cobra-Insidern ermöglichen eine erste Schilderung eines möglichen Amtsmissbrauchs. Die zentralen Fragen: Ist versucht worden, die Affäre in der Nehammer-Wohnung zu vertuschen? Hat nach dem Personenschutz-Desaster in der Nehammer-Wohnung noch ein zweiter „Personenschutz“ für Karl Nehammer begonnen?
Kathi, Karl und der Kommandant
Die Vorgänge dürften sich laut ZackZack-Hinweisen so zugetragen haben: Kommandant P. soll sich direkt beim Kanzler befunden haben, als er die Meldung über den Unfall vor der Nehammer-Wohnung in Wien-Hietzing erhalten hat. Zu diesem Zeitpunkt wird Nehammer auch von seiner Frau Katharina Nehammer begleitet. Hier stellt sich die erste zentrale Frage: Hat der Bundeskanzler von Kommandant P. alles über den Unfall der betrunkenen Personenschützer und von seiner Frau alles über das Gelage in seiner Wohnung erfahren?
Noch in Begleitung des Kanzlers soll der Personenschutzkommandant veranlasst haben, dass die beiden betrunkenen Beamten in die Einsatzzentrale der Cobra gebracht werden. Dann soll P. selbst hingefahren sein und gemeinsam mit einem weiteren Polizeioffizier das entscheidende Protokoll mit den beiden Beamten aufgenommen haben. Darin soll festgehalten worden sein, dass die Personenschützer ihren Dienst beendet und im Anschluss einen „Rundgang“ gemacht haben. Dort hätten sie sich „in einem Lokal“ betrunken.
Falschmeldungen
Cobra-Chef und ÖVP-Mandatar Bernhard Treibenreif, P.s Chef, hat gemeinsam mit Markus Haindl, dem Sprecher von Innenminister Gerhard Karner, ab dem 1. April 2022 die offensichtliche Falschmeldung verbreitet: „Laut Darstellung des Innenministeriums begaben sich die beiden Personenschützer nach der Arbeit in ein Lokal und konsumierten in sehr kurzer Zeit große Mengen Alkohol. Welche alkoholischen Getränke die Männer in welchem Gasthaus getrunken haben, wollte Treibenreif auf SN-Anfrage nicht bekannt geben.“
Heute ist klar, dass Treibenreif kein Lokal nennen konnte, weil der Name eines Lokals im Protokoll aus der Alko-Nacht fehlt. Haben Kommandant P. und sein Kollege nicht nachgefragt? Oder haben sie bereits am Abend des 13. März gewusst, dass das Protokoll, das unter ihrer Leitung verfasst wird, falsch ist?
Wenige Tage später, am 8. April, wird greifbar: Die Falschmeldungen über den Ort des Besäufnisses und das vorzeitige Ende des Dienstes lassen sich nicht halten. Aus dem „Rundgang“ wird die Nehammer-Wohnung. Zuerst werden zwei Bier bei Nehammers zugegeben. Dann kommt ein weiteres Bier gemeinsam mit einem weißen Spritzer und einem Schnaps dazu. Damit werden laut Promillerechner erstmals die 1,2 Promille, die der – weniger betrunkene – Fahrer in der Nehammer-Wohnung schaffte, erreicht. Die Vorgeschichte des Unfalls scheint erstmals klar: Die Personenschützer stoßen zweimal hintereinander an – zuerst mit Kathi Nehammer, dann in ein geparktes Fahrzeug.
Die Cobra-Beamten haben inzwischen ihre Aussagen geändert. Damit könnten sie versucht haben, an Stelle der Nehammers sich selbst zu schützen. Aber die abgeänderten Aussagen dokumentieren vor allem eines: dass die ersten Aussagen unrichtig waren.
Bestimmungskette
Wenn die betrunkenen Personenschützer am Abend des Unfalls nicht selbst grundlos die Unwahrheit protokolliert haben, muss der Staatsanwalt mögliche Beitrags- und Bestimmungstäter suchen – vom Kommandanten der Personenschützer über dessen Vorgesetzte bis zu den “Nutznießern” der Falschmeldungen selbst.
Auf ZackZack-Nachfrage verweist das Innenministerium auf die Anfragebeantwortung von Innenminister Gerhard Karner. Der sagt, der Vorfall sei ihm seit 14. März 2022 bekannt, das heißt erst einen Tag später. Cobra-Chef Bernhard Treibenreif habe „anlässlich eines bereits vorher geplanten Gesprächstermins meinen Kabinettschef von diesem Vorfall in Kenntnis gesetzt und dieser mir in der Folge darüber Mitteilung gemacht hat“, so Karner. Kanzler Nehammer ließ eine Anfrage unbeantwortet.
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