Katharina Nehammers Politkarriere begann mit einer brisanten Episode. Im Fokus: ein Führerscheinentzug und „wissentlich falsche Angaben“. Vertrauliche Dokumente, die ZackZack vorliegen, werfen einen dunklen Schatten auf die Einstellung der Kanzlergattin im Außenministerium.
Wien, 11. Juni 2022 | Im Juli 2015 bewarb sich Katharina Nehammer um einen Job in der Protokollabteilung des Außenministeriums (BMEIA). Vertraulichen Dokumenten zufolge wurde sie trotz Bedenken der internen Sicherheitsabteilung eingestellt.
Es geht um einen Führerscheinentzug, „wissentlich falsche Angaben“ und um die Frage, warum das BMEIA Katharina Nehammer – trotz gegenteiliger Tradition – offensichtlich als vertrauenswürdig ansah. Chronologie einer Affäre:
Als Katharina Nehammer mit 01. Juli 2015 plante, ihre Karriere beim Privatsender Puls 4 gegen diplomatische Empfänge und Veranstaltungen einzutauschen, hatte sie ein Problem. Hintergrund war ein Vorfall aus dem November 2012. Demnach soll die Kommunikationsexpertin stark alkoholisiert in der Wiener Stadionallee unterwegs gewesen sein. Das kostete Katharina Nehammer den Führerschein und 1.200 Euro Strafe. Drei Jahre später holt sie der Fall auf einmal ein.
Am 29. Juni 2015, kurz vor dem geplanten Dienstantritt, bekommt das BMEIA unter Führung der ÖVP-Hoffnung Sebastian Kurz ein Schreiben des Verfassungsschutzes (BVT). Darin heißt es wörtlich: „Es haben sich im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung, abweichend von den Angaben in der Sicherheitserklärung zu den Punkten 3D und 3E/1 folgende Anhaltspunkte ergeben, die für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der (des) Betroffenen von Bedeutung sein könnten.“
„Wissentlich falsche Angaben“
In einer Sicherheitserklärung verpflichtet man sich etwa, wahrheitsgetreue Angaben zu straf- und verwaltungsrechtlichen Verfahren zu machen. Darunter auch jene, bei denen es um Führerscheinentzug (Punkt 3D) und das Lenken eines Fahrzeuges im alkoholisierten Zustand (3E/1) geht. Bei beiden Punkten gibt es dem BVT zufolge augenscheinlich Probleme. Einen Tag später, am 30. Juni 2015, wird das BMEIA davon in Kenntnis gesetzt. Es ist der Sonntag vor Nehammers erstem Arbeitstag am Minoritenplatz.
Das Schreiben ist direkt an Personalabteilungsleiterin Melitta Schubert adressiert. Geht es nach der Sicherheitsabteilung, soll Katharina Nehammer schriftlich Stellung zur Causa nehmen. Die Diplomaten wollen Hintergründe zu den „angeordneten behördlichen Maßnahmen“. Aber sie wollen auch eine Begründung, warum bei der Sicherheitserklärung von Nehammer „wissentlich falsche Angaben“ gemacht worden seien. Weiter heißt es, eine abschließende Beurteilung erfolge im Anschluss.
Katharina Nehammer, sichtlich unter Druck, bedauert den Vorfall und nimmt wie gefordert Stellung. In einem emotionalen Brief bestreitet sie, wissentlich falsche Angaben gemacht zu haben. Den Vorfall selbst gesteht sie, sagt aber, sie sei davon ausgegangen, dass dieser bereits verjährt sei. Beim Ausfüllen sei sie unaufmerksam gewesen.
Wohl nur beim “Red Wednesday” (Aktion der katholischen Kirche gegen Christenverfolgung) in sattem Rot: das Außenministerium am Minoritenplatz. Foto: APA Picturdesk.
Trotzdem eingestellt
Am 2. Juli ist die spätere Kanzler-Gattin bereits im Kurz-Ministerium tätig, als die Causa noch einmal brisant wird. Wieder ist es ein Schreiben an die Personalabteilungsleiterin: „In vergleichbaren Fällen wurde empfohlen, von einer Verwendung im Wirkungsbereich des BMEIA abzusehen.“ Diplomatin Schubert hat ein Problem, ist doch der Dienstantritt Nehammers laut Unterlagen bereits einen Tag vorher erfolgt.
Aber ist Katharina Nehammer für die Protokollabteilung überhaupt geeignet? Immerhin werden hier staatliche Zeremonien oder Konferenzen im diplomatischen Umfeld organisiert. Etikette spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Das BMEIA entscheidet sich schließlich pro Nehammer, ihre Bitte um Nachsicht wird erhört.
Allerdings bleibt sie nicht lange, denn schon rund ein Jahr später wird der niederösterreichische Hobby-Dirigent Wolfgang Sobotka Innenminister und holt Katharina Nehammer als Pressesprecherin in sein Kabinett, wo auch Michael Kloibmüller dient. Vom mittlerweile berüchtigten Kabinett aus werden entscheidende Weichen für das „Projekt Ballhausplatz“ gestellt. Ziel: Nehammers alter Chef Kurz soll ins Kanzleramt befördert werden.
An anderer Stelle darf auch ihr Mann Karl mithelfen: In der mächtigen ÖVP-Teilorganisation ÖAAB steigt er im April 2016 zum Generalsekretär auf.
Außenministerium beschwichtigt
Was sagt die jetzige Kanzler-Gattin zu der Posse rund um ihren Dienstantritt im BMEIA? Nichts. Allerdings drohte ihr Anwalt mit rechtlichen Schritten.
Beim früheren Arbeitgeber, dem BMEIA, gibt man sich eher technisch: „Sollten sich im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung Anhaltspunkte ergeben, so wird überprüft, ob angesichts dieser Anhaltspunkte eine Vereinbarkeit mit der in Aussicht genommenen Tätigkeit gegeben ist. Sollte es sich beim Aufgabengebiet um keine sicherheitsbezogenen oder sensiblen Themen handeln, kann die Person dennoch zum Einsatz kommen.“
Aufgrund der laut BMEIA „nicht sicherheitsbezogenen oder sensiblen“ Tätigkeit sei das „auf ein Jahr befristete Vertragsverhältnis (das von der freien Dienstnehmerin im Übrigen vorzeitig beendet wurde)“ abgeschlossen worden.
Das Préalable, ein anspruchsvolles Auswahlverfahren zur Eignungsfeststellung, ist die Zutrittskarte für diplomatische Aufgaben. In der Protokollabteilung ist das nicht nötig. Ein ranghoher Diplomat äußert sich gegenüber ZackZack aber deutlich: „Die Möglichkeiten, im Außenministerium ohne Ablegung des Examen Préalable in führender Funktion zum Einsatz zu kommen, sind beschränkt. Traditionell war es aber immer so, dass man auch in diesen Ausnahmefällen die fachliche (und charakterliche) Eignung einer Person für die jeweilige Funktion einer kritischen Überprüfung unterzog. Gerade bei einer Tätigkeit in der Protokollabteilung erscheint dabei ein besonders strenger Maßstab angezeigt.“
Warum das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung so knapp vor Nehammers Dienstantritt an die zuständigen Stellen im BMEIA übermittelt wurde, ist nicht überliefert. Ob es mögliche Interventionen auf Beamten- oder Politikebene gab, wollte das Außenministerium nicht sagen.
Die damalige Personalchefin Melitta Schubert ist mittlerweile Botschafterin in Luxemburg. In der Zeit von Außenminister Kurz erntete sie Unmut bei altgedienten Diplomaten, weil einige Kurz-Jünglinge rasend schnell Karriere machten.
Jüngste Affären
Katharina Nehammer sorgte vor allem nach ihrem kurzen Gastspiel am Minoritenplatz für Schlagzeilen. 2017, ein Jahr nach ihrem Wechsel ins BMI, versenkte sie bei einer Kabinetts-Schifferlfahrt im niederösterreichischen Tulln Kloibmüller und dessen Handy. Der Inhalt gelangte über Umwege zu ZackZack, das mit den BMI-Chats reihenweise Anzeichen von Postenschacher sowie mutmaßlichen Amts- und Machtmissbrauch aufdeckte.
Im März 2022 folgte schließlich die „Cobra-Libre“-Affäre. Personenschützer der Kanzler-Gattin tankten sich in ihrer Wohnung voll und bauten einen Unfall. Durch einen anonymen Brief und erste Berichte auf ZackZack, Oe1, „Standard“ und Co. geriet der Kanzler enorm unter Druck. Es wurden offensichtlich falsche Versionen verbreitet. Der Fall liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft.