Samstag, Juli 27, 2024

Alles zum Platter-Beben – Rücktritt, Neuwahlen, ÖVP-Chaos

Rücktritt, Neuwahlen, ÖVP-Chaos

Der Rücktritt von Tirol-LH Platter sorgt für Chaos in der eigenen Partei. Offenbar wurden seine Mitstreiter überrumpelt. Vom grünen Koalitionspartner kommen Signale, die der angeschlagenen Volkspartei zusätzlich Kopfschmerzen bereiten dürften.

Innsbruck, 13. Juni 2022 | Was für ein Sonntagabend in Tirol: Der 68-jährige Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) kündigte seinen Rücktritt an. Am Montagmittag gab er eine entsprechende Erklärung ab, in der er den Druck der „letzten zwei Jahre“ als herausfordernd beschrieb.

Anstatt auf die ÖVP-Affären in dieser Zeit einzugehen, erwähnte Platter „Anfeindungen, Drohungen, auch gegen das persönliche Umfeld“. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt für Weichenstellungen. Für weitere fünf Jahre gehe es sich für ihn selbst nicht mehr aus.

Nachfolgen soll Platter der frühere Galtürer Bürgermeister und aktuelle Wirtschaftslandesrat Anton Mattle. Der Landesparteivorstand habe seinen Vorschlag einstimmig angenommen, sagte Platter am Montag. Mattle sei der „richtige Mann zur richtigen Zeit“. Der soll auch für die nun vorgezogenen Neuwahlen im Herbst 2022 kandidieren. Eigentlich waren diese auf das Frühjahr 2023 angesetzt.

Platter, der ursprünglich selbst antreten wollte, ist seit 2008 im Amt. Im Zuge der Ischgl-Causa war er in Bedrängnis geraten, der damalige Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg hatte im Nachgang seinen Hut genommen.

Partei überrumpelt

Mit seiner Rücktrittsankündigung überrumpelte Platter auch seine eigene Partei. Wie die „Tiroler Tageszeitung“ (TT) berichtet, soll Platter am Sonntagnachmittag sein Team relativ hastig zusammengetrommelt haben. Den Anwesenden – Klubchef Jakob Wolf, Landeshauptmannstellvertreter und Bauernbundchef Josef Geisler und ÖVP Tirol-Geschäftsführer Martin Malaun – soll er dann die Entscheidung mitgeteilt haben. Auch Mattle sagte am Montag, er sei erst vor kurzem von Platters Idee in Kenntnis gesetzt worden.

Laut TT soll das schwarze Telefon am Sonntag heiß gelaufen sein, etwa auch bei einem Gespräch mit Schatten-Landeshauptmann Franz Hörl. Hörl soll zunächst gar nicht begeistert gewesen sein. Nach Gesprächen mit Wirtschaftskammer-Boss Christoph Walser habe man sich dann auf Platters Vorschlag verständigt – „mit Faust im Hosensack“, wie die TT schreibt.

Zukunft von Schwarz-Grün ungewiss

Klar ist: Die ÖVP Tirol taumelt gehörig. Angesichts der Ereignisse dürfte es leichten Rückenwind für die bis dato eher geräuschlose Opposition in Innsbruck geben. Morgenluft wittert aber vor allem der grüne Koalitionspartner. Die Grünen gehen mit dem 38-jährigen Gebi Mair in die Wahlen. Der hat sich in der Vergangenheit als Skandalaufdecker einen Namen gemacht. Obwohl er dem linken Parteiflügel zugerechnet wird, gilt er bislang als Unterstützer der schwarz-grünen Regierung.

Das könnte sich jetzt ändern. FPÖ-Spitzenkandidat Markus Abwerzger ließ schon einmal vorsorglich wissen, dass eine künftige Regierung auch ohne ÖVP auskommen könnte. Gerald Loacker, Bundes-Vizeklubchef von NEOS, sparte nicht mit Häme: Er könne verstehen, wenn Platter am Ende einer langen Laufbahn nicht in eine Wahlniederlage gehen wolle. Sein SPÖ-Pendent Jörg Leichtfried sieht bei den Ereignissen in Tirol einen Zusammenhang zur ÖVP-Krise auf Bundesebene.

Grünen-Mair sendete auf Twitter indes Signale aus, die bei der ÖVP auch als Drohung aufgefasst werden könnten: „Der Schritt von Landeshauptmann Günther Platter überrascht mich nicht. Ich habe bewusst die Stabilität in den Mittelpunkt meiner Rede als Spitzenkandidat gestellt. Stabile politische Verhältnisse, das Vorantreiben der Energiewende, der Kampf gegen die Teuerung und für Transparenz sind gerade das Um und Auf und das erwarten sich die Tiroler*innen zu recht. Selbst dann, wenn in der ÖVP gerade viele Vorgänge mit unbekanntem Ausgang stattfinden. Ich führe dazu aktuell Gespräche mit den Parteien.“

ÖVP in Affären-Strudel

So oder so: Die ÖVP kommt nicht zur Ruhe. Durch den desaströsen Rechnungshofbericht ist ordentlich Feuer am Dach, die Bundespartei von Kanzler Karl Nehammer legt laut jüngsten Umfragen eine beispiellose Talfahrt hin. Das Grundrauschen mit den laufenden Ermittlungen und Chats tut der Partei generell nicht gut. Man hält sich derzeit gerade so über 20 Prozent, während die SPÖ von Pamela Rendi-Wagner um die 30 Prozent und teilweise sogar drüber liegt.

Folgt man den Ausführungen diverser Funktionäre, dürfte sich ein selbstkritischer Zugang beim Thema Korruption und Aufarbeitung der Kurz-Zeit noch nicht durchgesetzt haben. Doch die Zeit drängt. Bei der Bundespräsidentenwahl im Herbst schickt man aller Voraussicht nach keinen eigenen Kandidaten ins Rennen, in Niederösterreich droht für die Wahl im Frühjahr der Verlust der Absoluten.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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