Samstag, Juli 27, 2024

Rund um Pride: Pfefferspray und bedrohte Journalisten

Rund um die Regenbogenparade am Samstag ging die Wiener Polizei mit Pfefferspray gegen linke Demonstranten vor. Auf Twitter kursieren Videos, die die Beamten in Erklärungsnot bringen. Kritik am Einsatz kommt von den Wiener Grünen und Amnesty Österreich.

Wien, 13. Juni 2022 | Zum 26. Mal fand am Samstag die Regenbogenparade in der Wiener Innenstadt statt. Nach Veranstalterangaben marschierte eine Viertel Million Menschen über den Ring, um für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transgender-Personen zu demonstrieren. Nach zwei Pandemie-Jahren erstrahlte die Pride wieder in voller Größe und buntem Glanz. Die Organisatorin der Vienna Pride, Katharina Kacerovsky-Strobl, nannte die Regenbogenparade ein “wunderschönes Lebenszeichen der LGBTIQ-Community”.

Schatten über Veranstaltungen am Rande

Der eigentliche Umzug verlief größtenteils friedlich. Laut Polizei wurden dabei alles in allem 30 Anzeigen aufgenommen. Wirbel gab es vor allem drumherum. Anlässlich des ebenso traditionellen, homo- und transfeindlichen „Marschs für die Familie“, dem sich unter anderem auch Rechtsextreme und Identitäre anschlossen, fanden auch linke Gegendemonstrationen am Wiener Stephansplatz statt.

Dabei kam es zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Gegendemonstranten. Dabei geriet die Behörde selbst in der Kritik. Auf Twitter kursierten noch während des laufenden Einsatzes Videos, die die Polizei in Bedrängnis bringen. Zu sehen sind Beamte, die mit Pfefferspray in die Menge aus linken Gegendemonstranten sprühen. Twitter-User monierten, es habe keinen „erkennbaren Grund“ für den Pfefferspray-Einsatz gegeben.

Der Einsatz lässt Fragen offen. Die Polizei rechtfertigt den Reizgas-Einsatz und spricht gegenüber der APA vom „gelinderen Mittel gegenüber anderen, invasiveren Maßnahmen“, die nötig gewesen seien, um die Schutzzone zwischen Demo und Gegendemo auszuweiten. Die Mission habe für die Beamten „Zurückdrängen“ geheißen. Eine Polizistin sei zudem von einer fliegenden Glasflasche verletzt worden.

Grüne und Amnesty tadeln den Einsatz

Kritik gibt es nun unter anderem auch von den Wiener Grünen. Viktoria Spielmann, grüne Landtagsabgeordnete und Frauenrechtssprecherin, nennt den Polizeieinsatz „unverhältnismäßig“. Sie war gemeinsam mit Parteikollege Georg Bürstmayr, Nationalratsabgeordneter  und Grünen-Justizsprecher, beobachtend vor Ort. Spielmann forderte am Montag eine „unabhängige Polizeibeschwerdestelle“. Sie bezog sich dabei auch auf den türkis-grünen Koalitionsvertrag, der ähnliches vorsehe, aber noch nicht umgesetzt habe.

Auch Amnesty Österreich äußerte sich am Montagmittag zu dem Vorfall. Die Polizei müsse beim Einsatz von Pfefferspray „Grundsätze der Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit“ einhalten. Laut Twitter-Usern sei eine Person im Zuge des Einsatzes am Stephansplatz zusammengebrochen, die Polizei selbst sei daraufhin zur Hilfe geeilt.

Pöbeleien gegen Journalisten

Wie bereits regelmäßig in der Vergangenheit, beispielsweise anlässlich zahlreicher Querdenker-Aufläufe, wurden auch am Samstag wieder Journalisten von Demo-Teilnehmern bei der Arbeit behindert. Ein Vorfall, der sich gegen den freien Journalisten Michael Bonvalot richtete, wurde nicht nur von ihm selbst, sondern auch von Dritten auf Video festgehalten. In der Szene wird er vom bekannten Rechten und früheren Pegida-Sprecher Georg Nagel bedrängt:

In einer anderen via Social Media veröffentlichten Sequenz wird dem Journalisten Samuel Winter von einem Demonstranten damit gedroht, „den Hund auf ihn loszulassen“:

Festnahme

Am Abend kam es zu einer Festnahme rund um eine Party des Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ), der auch FPÖ-Funktionäre beiwohnten. Einer der Partygäste zerriss, wie mehrere Videos auf Twitter zeigen, vor den Augen linker Demonstranten und einem bereitstehenden Polizeiaufgebot demonstrativ eine Regenbogenfahne. Daraufhin soll die Lage unübersichtlich geworden sein, eine Person wurde festgenommen. Kurz darauf riefen linke Organisationen zu einer antifaschistischen Soli-Kundgebung vor dem Anhaltezentrum Rossauer Lände (PAZ) auf. Laut der Wiener Antifa wurde die Person inzwischen wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen.

Die Wiener Polizei kündigte gegenüber dem ORF an, den Pfefferspray-Einsatz hinsichtlich seiner “Rechtmäßigkeit” zu überprüfen.

(am)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Anja Melzer

    Hält sich für die österreichischste Piefke der Welt, redet gerne, sehr viel und vor allem sehr schnell, hegt eine Vorliebe für Mord(s)themen. Stellvertretende Chefredakteurin. Sie twittert unter @mauerfallkind.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

29 Kommentare

29 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Die Ergebnisse der Pilnacek-Kommission

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!