Wieder soll eine Schülerin abgeschoben und obendrein mit einem Einreiseverbot belegt werden. Irmgard Griss, Leiterin der Kindeswohlkommission, übt scharfe Kritik.
Wien, 27. Juni 2022 | Wieder gibt es Aufregung um die Abschiebung einer Jugendlichen. Der angehenden Maturantin Ajla (19) droht die Ausweisung mit Ende Juni. Irmgard Griss, ehemalige Höchstrichterin und Leiterin der Kindeswohlkommission, findet das „absolut inakzeptabel“.
Ajla war mit 13 Jahren ihrem Vater nach Österreich nachgefolgt. Sie besucht das Gymnasium Anton-Krieger-Gasse, wo sie eine der Besten der Klasse ist. Ajla würde im Herbst ihr Matura-Schuljahr beginnen. Weil ihr Vater Anfang der 2000er eine Aufenthaltsehe eingegangen war, wurde nicht nur ihm sondern auch Ajla das Aufenthaltsrecht entzogen.
Griss: „eigene verfassungsrechtlich abgesicherte Rechte“
Irmgard Griss war nach der – mittlerweile vom Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig beurteilten – Abschiebung der Schülerin Tina im Jahr 2021 von der Bundesregierung beauftragt worden, eine Kindeswohlkommission zu leiten. Sie betont, dass Kinder und Jugendliche „eigene verfassungsrechtlich abgesicherte Rechte“ haben und „keine bloßen Anhängsel ihrer Eltern“ seien. Ein Fehlverhalten der Eltern dürfe laut Griss daher nicht dazu führen, „dass die Kinder die Leidtragenden sind und ihre Zukunft verbaut wird“.
Nachdem Ajla bereits sechs Jahre in Österreich lebt und nur ein Jahr vor ihrem Schulabschluss steht, bewertet die ehemalige Richterin ihre Ausweisung als „aus rechtlichen Gründen absolut inakzeptabel“. Auch humanitäre Gründe sprächen für Ajlas Verbleib in Österreich.
Schule setzt sich für Ajla ein
Michel Fleck, Direktor am Gymnasium Anton-Krieger-Gasse, spricht von einer „furchtbaren Situation für Ajla und für uns“. Ajla sei ein “tolles Mitglied unserer Gesellschaft”, eine “super Schülerin und ein super Mensch”. Dass sie nun Österreich verlassen müsse, sei absolut unverständlich.
Ajlas Klassenkollegin Magali spricht von einem „großen Schock“ für die ganze Klasse: „Für Ajla steht ihr ganzes Leben auf dem Spiel, alles, was sie sich jetzt hier aufgebaut hat in Österreich. Es ist ungerecht, wenn sie jetzt gehen muss.“
SOS Mitmensch richtet Eil-Appell an Innenminister
Nachdem die Familie auch nach Entzug des Aufenthaltsrechts in Österreich geblieben war, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) Ajla mit einem dreijährigen Einreiseverbot abgestraft. Der Anwalt Wilfried Embacher, der bereits die Schülerin Tina gegen ihre Abschiebung vertreten hat, vermutet, dass die Behörde damit verhindern will, dass Ajla mit einem Schülervisum zurückkehrt. So ein Visum hatte Tina erhalten, nachdem sie Ende 2021 mit einem Touristenvisum aus Georgien zurückgekommen war.
Die NGO SOS Mitmensch richtet einen Eil-Appell an Innenminister Gerald Karner (ÖVP) und sammelt dafür Unterschriften. Die Forderung: Ajla ihre Matura in Wien machen zu lassen und das dreijährige Einreiseverbot zu streichen.
(pma)
Titelbild: APA Picturedesk