Freitag, März 29, 2024

»Kakophonie der Kommunikation« – Regierung verteilte Inserate 2021 ohne erkennbare Strategie

Regierung verteilte Inserate 2021 ohne erkennbare Strategie

Die Ausgaben der Bundesregierung für Inserate in Österreichs Tageszeitungen und deren Online-Portalen ist 2021 ohne erkennbare, koordinierte Strategie erfolgt.

Wien, 05. Juli 2022 |  Einer Studie des Medienhauses Wien zufolge verstärke sich viel mehr der Eindruck einer “Kakophonie der Kommunikation nach jeweils beliebigem, persönlichem und parteipolitischem Befinden”. Profiteure der Inseratenpolitik seien Gratisblätter, während Geschäftsmodelle von Abonnement- und Kaufzeitungen abgewertet werden.

28,2 Mio. für “Medienkooperationen”

Die Bundesregierung gab im Vorjahr rund 28,2 Mio. Euro für “Medienkooperationen” bei österreichischen Tageszeitungen im Print- und Onlinebereich aus. Das entspricht dem zweithöchsten Wert seit Beginn der Meldepflicht von Inseratenausgaben über 5.000 Euro in periodischen Medien. Die höchsten Inseratenumsätze erzielten mit ca. 7,1 Mio. Euro die “Kronen Zeitung”, gefolgt von “Österreich”/oe24 und “Heute” mit je rund 4,7 Mio. Euro. Auf die drei Boulevardblätter entfielen damit in etwa sechs von zehn auf diesem Weg investierte Euros und damit etwas mehr als noch 2020, ist der “Scheinbar transparent III” betitelten Studie von Andy Kaltenbrunner zu entnehmen. 23 Prozent verteilen sich auf die sieben tagesaktuellen Bundesländerzeitungen, elf Prozent auf “Der Standard” gemeinsam mit “Die Presse” und sieben Prozent auf den “Kurier”.

Regierung zahlt am meisten für “Österreich-Leser”

Stellt man die durchschnittliche Leserzahl der Tageszeitungen laut Media-Analyse den Gesamtausgaben der Bundesregierung für die unterschiedlichen Titel gegenüber, zeigt sich, dass der durchschnittliche Kontakt mit einer Leserin oder einem Leser im Vorjahr 4,12 Euro kostete. Der Kontakt zur Leserschaft von “Österreich”/oe24 war der Regierung mit 8,30 Euro besonders viel wert. Mit Respektabstand folgen “Heute” mit 5,93 Euro und “Die Presse” mit 5,10 Euro. Besonders wenig pro Kopf gingen an “Kleine Zeitung” (3,08 Euro), die “Oberösterreichischen Nachrichten” (2,37 Euro) und “Der Standard” (2,20 Euro). “Die Verteilung ist unverhältnismäßig und erklärungsbedürftig, sofern man Erklärungen bekommen würde”, so Kaltenbrunner bei der Vorstellung der Studie am Dienstag.

Die Streuung der Inseratenschaltungen erfolgte nach Ressorts sehr unterschiedlich. In den meisten war die “Kronen Zeitung” als Marktführer das meistgebuchte Verlagshaus. In manchen ÖVP-geführten Ressorts wurde in besonders hohem Ausmaß auch in den Gratiszeitungen “Österreich” und “Heute” inseriert. So gingen im Innenministerium und Landwirtschaftsministerium rund 90 Prozent aller Ausgaben für Zeitungsinserate in den Boulevardsektor. Vom Bildungsministerium floss der größte Brocken dagegen an “Der Standard”. Ebenso ist das der Fall im von den Grünen geführten Umwelt- und Klimaministerium, das seine Informationen sehr breit streute, aber insgesamt lediglich sechs Prozent der Bundesregierungsausgaben stemmte.

Anfang 2021 wurde vom Bundeskanzleramt als Reaktion auf eine parlamentarische Anfrage eine Formel für Regierungsinseratenvergabe beschrieben. Laut dieser werden Druckauflagezahlen und Leserzahlen gleich stark berücksichtigt. “Eine solche Formel führt bei Inseratenvergabe zu einer Förderung von Gratiszeitungen und deren Vertriebsmodell, und sie benachteiligt Kaufzeitungen mit deren zielgerichteter Erreichung von Abonnent:innen und zahlenden Leser:innen”, schreibt Kaltenbrunner.

In den meisten Ministerien sei diese Formel aber ohnehin ignoriert worden. Nur Finanzministerium und Bundeskanzleramt habe sie als Orientierungspunkt gedient, wobei letzteres aber noch deutlich über die rechnerischen Richtwerte hinausschoss und verstärkt in Gratiszeitungen inserierte. Die Digitalisierung werde durch die Inseratenpolitik der Regierung tendenziell behindert, weil die teils geringen Ausgaben für Onlinebuchungen “eher simplifizierend linear-anteilig zu Printbuchungen erfolgen, ohne Berücksichtigung von tatsächlichen Nutzungszahlen im World Wide Web”, so Kaltenbrunner.

“Ohne Vorlage von qualitativen und quantitativen Kommunikationsberichten bleibt weiterhin ungeklärt, mit welchen inhaltlichen Zielen Ministerien in den jeweiligen Kampagnen und mit welchen medienpolitischen und marktregulatorischen Absichten die Bundesregierung insgesamt ihre sogenannten ‘Medienkooperationen’ tätigt”, schreibt der Medienhaus-Wien-Geschäftsführer. Zudem täusche die Medientransparenzdatenbank der RTR Transparenz nur vor. Die tatsächlichen Inseratenausgaben inkl. nicht meldepflichtiger Buchungen dürften 30 bis 40 Prozent höher sein.

Noch keine Lehren aus Inseratenaffäre gezogen

Eine Lehre aus der Inseratenaffäre habe die Regierung “noch nicht gezogen”, meinte Kaltenbrunner. Sinnvoll wäre es, eine klare Trennung von Informationstätigkeit und Medienförderung einzuziehen, wobei letztere höher und erstere niedriger ausfallen könnte, regte der Medienforscher an. Die Informationstätigkeit selbst sollte wie bei jedem privatwirtschaftlichen Werber vonstatten gehen: “Da würde man sich als Bürger erwarten, dass es klare Ziele und Berichte gibt, die darlegen, warum welche Streuung gewählt wurde und eine Evaluierung der Kommunikationsziele vorgenommen wird.” Verblüffenderweise sei dies seit Jahrzehnten nicht der Fall.

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat Anfang des Jahres eine Neuordnung von Medienförderungen und Inseratenschaltungen angekündigt. Auch die Medientransparenzdatenbank soll dabei reformiert werden.

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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16 Kommentare

  1. Systemimmanente Maßnahmen und sind selbige auch noch so korrupt, werden bleiben und fortgeführt werden. Dafür dürfen wir Pöbelianer wenigstens ungefragt bezahlen…
    Es muss rasch heller werden!

  2. Würden alle Medien keine Inserate mehr bekommen, was wäre dann? Inseratenverkäufer haben auch das Recht Geld zu verdienen um ihr Leben zu bestreiten. Nicht jeder ist korrupt.

  3. Es gibt nur eine Maßnahme, die Medienkorruption in Österreich mit all ihren Konsequenzen zu beenden: Jegliche Buchung von Inseraten gehört einer Agentur übertragen, die vom gesamten Parlament kontrolliert wird.
    Es gibt keinen sachlichen Grund, warum ein Ministerium mit Informationsbedürfnis die Zuteilung an einzelne Medien freihändig vergeben müsste.

    • Sehr gute Idee.
      Mir fehlt aber bei jedem Inserat die schriftlich zu genehmigende Begründung dafür und die später noch zu evaluierende Nutzenbeschreibung mit einer klaren Verantwortlichkeit und mit den Lehren aus der Evaluierung.
      Ich bin sicher, dass sich die Qualität und der Volksnutzen daraus dann rasch steigern und diese sonstigen Fehlinvestitionen, ganz unabhängig von Korruption, Schmiergeld und Manipulation auch noch für den Staat rechnen würden und nicht für diese Korruptionisten.

      • Die Idee ist übrigens nicht von mir. Die Zweifel am Informationsbedürfnis selbst sind auch angebracht. Alles, was Sie vorschlagen ist sinnvoll und ebenso was im Artikel oben genannt wird. Damit erreichen Sie, dass die Medien in ihrer Gesamtheit nicht von der Politik in ihrer Gesamtheit abhängig sind und dass weniger Steuergeld verschwendet wird.
        Unser Problem ist aber wesentlich größer, denn derzeit haben jene Kräfte Wettbewerbsvorteile am Wählermarkt, welche die größte Bereitschaft zur Medienkorruption mitbringen. Damit aufzuräumen ist das Ziel des genannten Vorschlags und das erscheint mir vorrangig.

    • Regierungsinserate sind m.E. sowieso sinnlos. Laut Gesetz müssen sie dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung tragen. Das tun sie nicht, denn mehr als Look and Feel bringen Werbeeinschaltungen nicht zustande. Das hat mit Fußball so viel zu tun wie eine Hand. Ein Foul.

      Da gibts die Familienidyllbonuswerbung, die steht neben den Artikeln zum Familienbonus. Wozu? Die Information steht im redaktionellen Teil. Wozu also Werbung daneben, die keine Information bringt?

      Inserate sind Werbeschaltungen und tragen keinem Informationsbedürfnis Rechnung. Das müsste sowieso höchstgerichtlich verboten werden.

      Wenn die BR meint, oder ein Ministerium meint, dass jetzt wirklich Information an die Bevölkerung gehen müsste, dann sollen sie diese den Bürger:innen persönlich zukommen lassen. Per Post oder von mir aus am Handy. Aber Information ist eben Text. Und man stelle sich vor, was die Leute tun, wenn sie täglich mit 20 Briefen aus den Ministerien konfrontiert wären, so wie jetzt mit der Werbung! Die Belästigung, die damit einhergeht würde deutlich werden.

      • Ich schätze, dass Sie zu mindestens 90% richtig liegen und es spricht überhaupt nichts dagegen, dass die genannte Agentur auch das Informationsbedürfnis kritisch überprüft. Mit dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung treffen Sie einen wichtigen Punkt. Wenn die Medienarbeit gesamtparlamentarischer Kontrolle unterliegt, lässt sich erheben, ob ein konkretes Inserat dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung entsprochen hat.
        Die Kontrolle der Medienarbeit der Regierung ist demokratisch von essenzieller Bedeutung und muss daher einer parlamentarischen Minderheit möglich sein, wie auch andere Kontrollfunktionen des Nationalrats.
        Direkte Adressen an den Bürger fördern zwar nicht die Medienkorruption, unterliegen aber sonst einem ähnlichen Problem: Sie kosten Steuergeld und entziehen sich der inhaltlichen Kontrolle durch das Parlament.
        Die einzige zulässige Form ist meines Erachtens die Pressekonferenz. Und zwar nicht jene Perversion davon, welche Kurz etabliert hat. Ich meine jene Form, wo Journalisten – im Namen der Bevölkerung – Fragen stellen und wo Antworten darauf einen wesentlichen Teil der Berichterstattung ausmachen.

  4. Deshalb finde ich den Begriff „Beinschab-Österreich-Tool“ so schön.
    Bei dem Namen ist sehr klar zu erkennen, was es eigentlich ist: ein Werkzeug zur Täuschung der Bevölkerung.

    Und dass das bei den anderen Inseratenvergaben anders sein soll, kann ich mir nicht wirklich vorstellen – aber deswegen werden vermutlich auch keine aussagekräftigen Berichte vorgelegt.

  5. |“Die Verteilung ist unverhältnismäßig und erklärungsbedürftig, sofern man Erklärungen bekommen würde”, so Kaltenbrunner bei der Vorstellung der Studie.|

    Die Erklärung??? “Füttere” deine präferierten Medien-Kanäle, damit Message-Control unterwegs (gratis) konsumiert werden kann, damit Proleten-TV ständig über gewünscht gerichteten Perfomance-Content “berichtet”, vorallem aber NICHT Mißstände aufdeckend hinterfragt…

    |“Ohne Vorlage von qualitativen und quantitativen Kommunikationsberichten bleibt weiterhin ungeklärt, mit welchen inhaltlichen Zielen Ministerien in den jeweiligen Kampagnen und mit welchen medienpolitischen und marktregulatorischen Absichten die Bundesregierung insgesamt ihre sogenannten ‘Medienkooperationen’ tätigt”|

    … es geht nur um Massen-Suggestion -> ein “Kartenhaus” fahrlässig als solides, staatl. Gebäude vorzugaukeln; vorbeugendes Risikomanagement für Krisenresilienz??? Fehlanzeige!! Dazu bräuchte es nämlich WEITBLICK und vor allem BILDUNG!!!

    • Ein bereits öffentlich gemachtes Verbrechen und das seit vielen Jahren schon ohne einem Konsequenzchen daraus und wohl gerade wieder aufgerüstet für die beiden nächsten Wahlen in diesem Jahr und vor allem die Zeit davor, dem berühmten “Wahlkrampf” so wie jetzt aktuell gerade.
      Aber so ist es eben in einer Wahldemokratie – sind wir doch froh, dass wir noch nicht in einer Diktatur sind…

  6. ZITATAUSZUG:
    “Ohne Vorlage von qualitativen und quantitativen Kommunikationsberichten bleibt weiterhin ungeklärt, mit welchen inhaltlichen Zielen Ministerien in den jeweiligen Kampagnen und mit welchen medienpolitischen und marktregulatorischen Absichten die Bundesregierung insgesamt ihre sogenannten ‘Medienkooperationen’ tätigt”

    Diese hier angesprochenen Ziele scheinen diese Damen und Herrn Minister wahrlich gut verschleiert zu haben, oder bleibt man vielleicht auch weiterhin in dieser Beurteilung einfach blind?
    Da kann man nur hoffen, dass neben dem Ausland auch die WKSTA das noch ein wenig anders sieht und berurteilt?
    Die dazu befangenen Medien werden wohl auch weiterhin schweigen müssen und deren Verantwortungsträger schon in den wohlverdienten Urlaub abgereist sein?

  7. Die ÖVP hat eine ganz klare Strategie:

    Devote Boulevard Medien mit Inseraten Geldern zuzuschütten, um sich gefällige Berichterstattung zu erkaufen.

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