Freitag, November 8, 2024

Eine Ehrenkompanie für den Zerstörer – Kommentar

Kommentar

Unfassbare Szenen beim Orban-Besuch in Wien: Die militärischen Ehren, die der rechtsradikale ungarische Regierungschef bekommen hat, sind eigentlich nur Präsidenten vorbehalten. Ein verheerendes Zeichen.

Benjamin Weiser

Wien, 28. Juli 2022 | Der rassistische Müll hat sich ganz augenscheinlich gelohnt: Kanzler Karl Nehammer bereitete Ungarns Anti-Demokraten Viktor Orbán eine Bühne, die eigentlich nicht für Regierungschefs vorgesehen ist. Laut Kennern aus dem Staatsdienst dürfte das die größte Ehrengarde gewesen sein, die es jemals bei einem Event eines Bundeskanzlers gegeben hat.

Präsidentenwürden für Nicht-Präsidenten

Eine Ehrenkompanie in der Dimension eines Staatsbesuches wird normalerweise nur Präsidenten zuteil. Orbán spielt zwar gerne Diktator, Richter und „Rassenwächter“ in einem, er ist aber nicht der Präsident Ungarns – und Nehammer sitzt nicht in der Hofburg.

Dass man einen wichtigen Nachbarn trifft und sich über Strategien austauscht, ist eine politische Notwendigkeit. Aber nach den jüngsten Ausfällen Orbans, der nicht zum ersten Mal mit Antisemitismus und Rassismus aufgefallen ist, ist das ein verheerendes Zeichen. An Österreich, an Europa, an die Welt.

Nehammer ist seinem Amt zwar nicht gewachsen, aber das war pure Absicht. Kein Fettnäpfchen, kein Versehen. Er wollte diese Bilder. Die einleitenden Worte des Kanzlers, Orbáns rassistische und antisemitische Äußerungen seien inakzeptabel (ohne diesen konkret zu nennen), sind fast schon provozierend. Denn im Anschluss lederten die beiden Seit an Seit gegen angeblich illegale Migration und die EU.

Zusammen mit dem serbischen Präsidenten, Putin-Freund Aleksandar Vučić, wolle man einen Migrationsgipfel abhalten. Dass Nehammer dann eine von Orbán abweichende Position bei den Russland-Sanktionen einnahm, ist da schon fast wieder egal.

Schamloser als Kurz

Fazit: Orbán nutzte die Bühne, brachte seine Botschaften unter. Es waren auch nur der ORF und das ungarische Staatsfernsehen für Fragen auf der Pressekonferenz zugelassen. Nicht, dass es in Ungarn einen Unterschied machen würde, welches Medium den Herrscher aus Budapest bedient, denn eine freie Medienlandschaft gibt es dort ohnehin nicht mehr. Nehammer aber spielte mit und rollte den Teppich aus. Eine Schande.

Der letzte, Insidern erinnerliche Ehrenkompanie-Fauxpas ist übrigens auf 2018 datiert. Unter dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz hatte der vietnamesische Regierungschef Nguyễn Phúc einen militärischen Empfang in Wien bekommen. Ein bekannter Nachtgastronom soll das Spektakel, wohlgemerkt entgegen der eigentlichen Tradition, eingefädelt haben.

Die Dimension von Nehammers Orbán-Feierei war am Donnerstag aber eine andere. In diesem Sinne: Nehammer ist sogar noch schamloser als Kurz. Wer hätte das gedacht.

Titelbild: APA Picturedesk

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