Dienstag, April 16, 2024

Internationale Pressestimmen zu Orbán-Besuch bei Nehammer

“Nehammer wirkte wie ein ungelenker Novize”, “Nehammer hätte wissen müssen, wen er einlud”: Die internationale Presse ließ kein gutes Haar am österreichischen Bundeskanzler, der Viktor Orbán am Donnerstag hofierte.

Wien, 29. Juli 2022 | Zum Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán bei Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Wien am Donnerstag schreiben am Freitag die internationalen Zeitungen:

“Népszava” (Budapest):

“Nehammer hätte wissen müssen, wen er einlud. Einen Politiker, der in zahlreichen Fällen die demokratischen Grundwerte verletzte (…) und der in Hinblick auf den Krieg (in der Ukraine) offen die russische Position vertritt, in einer Zeit, in der die EU Zusammenhalt mehr denn je benötigen würde. Und der (wie in seiner jüngsten Rede über ‘Gemischtrassige’) bereit ist, im Machtrausch jede rote Linie zu überschreiten. Den seine Anhänger selbst dann frenetisch feiern, wenn er Hass predigt und andere demütigt. (…) Nehammer wird den Makel nie mehr von sich abwaschen können, einen Politiker in sein Land eingeladen zu haben, der Tabus verletzt und der die Erinnerung an die finstersten Perioden der Geschichte wieder aufleben lässt.”

“Spiegel Online” (Berlin):

“Viktor Orbán hat seine Einladung ins Wiener Kanzleramt genutzt, um eine Show der besonderen Art abzuziehen. Die Pressekonferenz im Palais am Ballhausplatz geriet zu einem Lehrstück dafür, was passiert, wenn man einem Demagogen wie dem ungarischen Premier ohne Not eine Bühne bietet.

Der gastgebende österreichische Regierungschef Karl Nehammer wirkte neben dem ausgebufften Routinier Orbán zeitweise wie ein ungelenker Novize. Nehammer stand an diesem Tag stellvertretend für einen fairen, solidarischen Europäer, der auf EU-Linie lag und alles korrekt machen wollte. Aber er scheiterte von Minute zu Minute mehr an seinem Gast, weil dieser sich nicht um Regeln scherte, die ihm nichts nützen.”

“Frankfurter Allgemeine Zeitung”:

“Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ist seit vielen Jahren ein Meister der mehr oder weniger subtilen Provokation. Er sagt gern Dinge, die Anstoß erregen. Wenn er für seine Äußerungen kritisiert wird, gibt er die verfolgte, falsch verstandene Unschuld. Bei seinem Besuch in Wien am Donnerstag sagte er, es komme immer wieder einmal vor, dass er sich missverständlich ausdrücke. Selbstverständlich sei er kein Rassist. Diesen Schluss hatten Orbán-Kritiker aus einer Ansprache vom vergangenen Wochenende in Rumänien gezogen. (…)

Viele Beobachter stellen sich seit Jahren die Frage, ob Orbán alles das, was er von sich gibt, wirklich glaubt oder ob ‘nur’ zynisches politisches Kalkül am Werk ist. (…) Ein solches Vorgehen kennt man von Populisten aus vielen Ländern. Viktor Orbán hat sich nach eigenem Bekunden immer eng mit Helmut Kohl verbunden gefühlt. Nur gut, dass der (deutsche) Kanzler der Einheit nicht mehr erleben muss, welches Spiel sein ‘Freund’ spielt.”

“Frankfurter Rundschau”:

“Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán – der ‘Bad Boy’ in der EU – blockiert regelmäßig gemeinsame Entscheidungen, gilt seinen Kritiker:innen als korrupter Regierungschef mit Hang zur Autokratie und ist deswegen in der EU weitgehend isoliert. Am Donnerstag war es damit vorläufig vorbei: Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer empfing Orbán in Wien mit militärischen Ehren – und kritisierte erst einmal dessen jüngste Verbalausfälle.

Vergleiche zwischen der Shoah und der aktuellen Energiekrise in der EU seien nicht akzeptabel, sagte Nehammer, der der konservativen Österreichischen Volkspartei angehört. Das wollte er als deutliche Kritik an Orbáns Äußerungen vom vergangenen Wochenende verstanden wissen. (…) Nach der Kritik Nehammers versuchte Orbán, seine Äußerungen zu relativieren. ‘Dass ich manchmal missverständlich formuliere, das kommt vor’, sagte er. Generell aber verfolge Ungarn beim Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus eine Strategie der ‘Null-Toleranz’, behauptete er.”

“Neue Zürcher Zeitung”:

“Würde Nehammer auf die Aussagen Orbans Bezug nehmen, und würde dieser darauf zurückkommen?, fragten sich nun auch jene, die offizielle Besuche von Politikern sonst für eine langweilige Routinesache halten. Entsprechend gross war das Medieninteresse. Nehammer äusserte sich dann aber ähnlich zurückhaltend wie Orban zuvor. ‘Wir weisen jede Form der Verharmlosung von Rassismus und Antisemitismus zurück’, sagte er eher floskelhaft. Offensichtlich bemühte sich der österreichische Kanzler darum, die Angelegenheit nicht nochmals hochkochen zu lassen – zu wichtig ist Ungarn als Partner.

Der gewiefte Rhetoriker Orban war etwas gesprächiger. Mit dem Begriff ‘Rasse’ habe er keine biologische Beurteilung vorgenommen, sondern eine kulturelle, sagte er. (…) So verständlich die Empörung über die Aussagen ist: Der Politiker hat am Wochenende nicht zum ersten Mal einen tiefen Einblick in sein Gedankengebäude gegeben, mit dem er die Wähler am rechten Rand an sich binden will. Weil das Land wirtschaftlich gerade sehr schwierige Zeiten durchmacht, sah es Orban offenbar als notwendig an, die Rhetorik im Vergleich mit früheren Jahren nochmals zu verschärfen und mit einer Geschmacklosigkeit zusätzlich zu würzen.”

“tageszeitung” (Berlin):

“In einem waren sich Ungarns Premier Viktor Orbán und Österreichs Kanzler Karl Nehammer einig: Die ‘irreguläre Migration’ müsse eingedämmt werden. Und diesem Thema hatte ja auch der Besuch des Nachbarn in Wien gegolten. Als Dritten im Bunde will man Serbien ins Boot holen. ‘Wir sind an der Südgrenze Ihre Burghauptmänner’, zog Orbán Parallelen zum mittelalterlichen Mongolensturm: ‘Wenn wir die Grenzen nicht schützten, würden illegale Migranten zu Hunderttausenden bei Ihnen eintreffen.’

(…) Dutzende Presseleute, die den Saal im Bundeskanzleramt am Wiener Ballhausplatz füllten, wollten aber nicht über neue Abwehrpläne gegen Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten informiert werden, sondern hören, wie Nehammer auf die jüngsten Ausfälle seines ungarischen Amtskollegen reagierte. (…) Nehammer ging zwar nicht direkt auf diese Rede und einen geschmacklosen Witz seines Gastes über deutsche Gaskammern ein, verwies aber auf die besondere Verantwortung Österreichs angesichts der eigenen Geschichte. Verharmlosung von Rassismus oder Antisemitismus seien auf das Schärfste zurückzuweisen. Diese sensiblen Fragen seien ‘in aller Freundschaft, Offenheit und Klarheit’ besprochen und aufgelöst worden.”

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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36 Kommentare

  1. Besonders heftig und schmerzhaft die Stellungnahme von “Nepszava”. Wäre aber eh net des erste Mal dass ich vor Scham in den Boden versinken könnte wenn unsere Politiker international auf sich aufmerksam machen. 😐

  2. Wo waren eigentlich die internationalen, aber auch nationalen Haltungsmedien als eine VdB Gegner der Sanktionen als “Kollaborateure” bezeichnete?
    Wo waren die selben Haltungsmedien bei all den Skandalen um Hunter Biden?
    Wo sind die Haltungsmedien bei all den Entgleisungen und Dummheiten der blödesten deutschen grünen Nuss, die es je in der Politik gab?
    Die internationale Sch..ournaille scheint bei Skandalen bei ihren Lieblingen immer wegzuschauen, wohingegen volksnahe Staatsmänner ständig diskreditiert werden. Das war bei Trump so, das ist bei Orban so, das ist immer so. Nur der größte Naivmensch glaubt wohl tatsächlich, dass Mainstream-Medien irgendwie neutral wären.

    • “Wo waren eigentlich die internationalen, aber auch nationalen Haltungsmedien als eine VdB Gegner der Sanktionen als “Kollaborateure” bezeichnete?”…..
      Ganz einfach, diese Regierung hat sich die willfährigen nationalen Medien mit Millionen gefügig gemacht, es gibt nur einige Wenige welche dieser Versuchung und dem Druck widerstehen konnten oder wollten. Da brauchst in Österreich eine Lupe. Die öffentlich Rechtlichen in Westeuropa sind ohnehin politisch links besetzt und von denen hat der Hofburggreis schon allein deshalb nix zu befürchten…..

    • Danke – schönes Beispiel, wie Leute wie Sie durch eine kranke Ideologie völlig blind für Fakten werden und alles ausblenden, was das eigene Weltbild stört und die Realität verzerren, um nicht die eigene Denke in Frage stellen können.

      Ja, ich weiß: Menschen wie Sie sind mit der Realität überfordert und müssen sich deshalb in solche Scheinwelten flüchten, wie Sie sie sich erschaffen.

      Mangelnde Differenzierfähigkeit und mangelnder Intellekt wird halt hier mit viel Fantasie auszugleichen versucht.

      In Ihrer Schlichtheit merken Sie nichtmal, wie sehr Sie sich selbst widersprechen

  3. Nehammer verhält sich – was zu erwarten war – nach dem Besuch seines befreundeten Freundes des Freundschaftslandes wie ein Hosenschei%&er: Kein Foto auf Twitter hahaha, die Drukos wollte er sich nicht antun.Stattdessen bat er Ludwig zu einem Gespräch. Eine typisch türkise geschmacklose Geste des Gastgebers: Nehammer setzt sich selbst ins Bild, den Gast lässt er von hinten ablichten.

  4. Wir begrüßen Sie herzlich im Theater “Wahldemokratie Österreich” unter dem Motto “Flüchtlingshass”. Nach dem Einakter “Kurz – der talentierte Mr. Ripley” sehen Sie nun die Tragödie “Nehammer – der untalentierte Mr. Kurz”. Wer dieses Drama bereits vor dem erschütternden Ende verlassen möchte, bekommt das Steuergeld leider nicht zurück. Schadenersatzansprüche sind an denjenigen zu richten, der Nehammer für diese Rolle angelobt hat. Wir danken für Ihr Verständnis und wünschen gute Unterhaltung.

    • Liebe Summa summarum, wieder ein gelungenes Dramolett. Ich habe aber schon vernommen, dass die Angelegenheit mit den Schadenersatzansprüchen sehr kompliziert sein soll…
      Es sollte dringend heller werden!

      • Ich rate allen jungen Menschen, eine Ausbildung zu machen und dann dieses Land zu verlassen. Mehr kann ich für die kommende Generation nicht tun. Da weder Selbstreflexion über all die historischen und aktuellen Schandtaten hier besteht, noch ein Veränderungsbestreben erkennbar ist – lediglich eine abnormale Stabilität von “oben” zum “Pöbel” heruntergebetet wird – möchte ich nicht die Schuld dafür tragen, dass unsere Kinder unsere eigenen Versäumnisse, unsere Verblendung und Korruption ausbaden müssen. “Das einzig Beständige ist der Wandel”, erkannte schon Heraklit, doch viele Menschen, allen voran der BP, die Regierung und die üblichen Schafe sehen es anders. Ich spreche Dinge an, auch den geliebten Wolf im Schafspelz. Wer so wie ich mit 10 Jahren bereits Arik Brauer gehört hat, versteht mein sozialkritisches Naturell. Mit Lemmingen kann ich generell nichts anfangen und werde in Hinkunft auch in diesem Rahmen hier bei Bedarf den Ignore-Button betätigen. Ihnen lieber Beobachter eine angenehme Nachtruhe!

        • Liebe Summa summarum, meine Seelenverwandte spricht wieder einmal weise. Aber Weglaufen ist nicht, wir werden gegen die von Ihnen richtig erkannten Missstände weiter Widerstand leisten. Auch mir behagt die neue Normalität nicht, aber bedenken Sie liebe Summa summarum, steter Tropfen höhlt den Stein…
          Widrigenfalls hat das System gewonnen, es ist schon fast nicht mehr zu besiegen, aber wir müssen weitermachen. Litho laleis…-Sie erinnern sich sicher, als ich Ihnen seinerzeit mitteilte, dass gegen Stein sprechen sinnlos ist. Da ist Kommunikation nicht mehr sinnvoll und man lässt es besser bleiben. Bösartigem und Faktenresistentem begegnet man nicht, es kostet lediglich wertvolle Energie.
          Arik Brauer war nicht nur ein großer Künstler, liebevoller Familienvater und begeisterter Optimist. Selbiger zeichnete sich vor allem als bewundernswerter Brückenbauer aus, obwohl er und seine Familie schreckliches durchmachen mussten. Umso höher ist und war dieses einende Dasein einzuschätzen, schade dass er nicht mehr unter uns weilt. Da könnte sich so mancher Spalter und Berufsdestruktiver eine Scheibe abschneiden…
          Es muss trotzdem heller werden!

          • Lieber Beobachter, Weglaufen nenne ich das gar nicht. Die jungen Menschen hier haben keine Zukunft und keine Altersversorgung mehr. Warum also in unser kaputtes System einzahlen? Go where u feel the most alive! Gehe dorthin, wo du dich am meisten leben spürst, ist doch ein wichtiges Ziel im Leben! Ich werde noch einen Schritt weiter gehen und sogar meinen Träumen folgen, die das Ziel kennen. Step by step lebe ich das ja schon seit geraumer Zeit. Das ist das Einzige, worauf ich in diesem Land mit diesem stabil kaputten System vertraue. Auf mich selbst und meine Kritikfähigkeit. Charakter ist das, was vom Menschen übrig bleibt, wenn es unbequem wird. Das hab (nicht nur) ich sowohl seit Mitte Juni im Kleinen hier, als auch permanent seit 2015 (seit Kurz zu ihnen hinabgestiegen ist vom Himmel) bei den stabil “Systemtreuen” in der hohen Diplomatie und deren blind followers staunend mitverfolgen können. Wer dieses System in Zukunft diplomatisch oder regierungstechnisch anführen wird, ist mir egal. Soll Ö zugrunde gehen an der alten+neuen abnormalen Stabilität.

          • Liebe Summa summarum, diese von Ihnen beschriebene “Abwanderung” geschieht mittlerweile seit Jahrzehnten. Jeder kritische, gebildete und gut ausgebildete Österreicher der sich nicht der Parteibuchwillkür unterworfen hat, zog die Konsequenzen und hat das Land verlassen. Die Berichte vom im Ausland tätigen und erfolgreichen Österreichern häufen sich. Nun allerdings sind wir in der neuen Normalität, welche die Zustände und Auswüchse von Ungerechtigkeit, Unfähigkeit und Willkür noch einmal verschlimmern. Eine galoppierende Abwärtsbewegung quasi, welche ein menschlich erträgliches Sein ungemein erschweren. Da muss man schon ein nonkonformistischer Starrkopf wie ich sein, um überdauern zu können. Von Vorteil allerdings ist es, wenn man immer sein eigener Chef war und ist. Leider hat nicht jeder so eine dicke Haut und daher fühlen sich viele genötigt, faule Zugeständnisse zu machen. Selbige bewirken nicht nur psychische sondern auch daraus folgende somatische Krankheiten.
            Schlimm allerdings wenn man weiterdenkt und erkennt, wer oder was im Lande zurückbleibt…
            Es sollte dringend heller werden!

    • Finde es ebenfalls unterhaltsam und treffend, frag sie aber nur ob sie glauben dass VdB Nehammer
      ablehnen hätte können ohne stichhaltige Begründung. Die Geschichte mit dem Terrorakt in Wien? Hätte (leider nicht wissenschaftlich belegte) Dummheit und Versagertum schon g’reicht als Begründung? Laut Statuten vielleicht (was ich auch nicht unbedingt glaube). Da ihm noch nichts nachgewiesen werden konnte, war er zur Kanzlerernennung “adäquat”, wenn es denn die Kanzlerpartei so möchte.

  5. Die US/EU-Sanktionspolitik hat die Presse im Griff. Da sind dann solche Pressestimmen gegenüber einem Sanktionskritiker die logische erpresste Folge. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.

    • Dabei ist die Wahrheit die stärkste Waffe der Welt und wer lügt, verzichtet freiwillig auf sie.

  6. Wenn das die „Sorgen“ von ZZ und einigen Postern hier sind (und das angesichts der derzeitigen Realitäten), dann seid Ihr um nichts besser als die sonstigen Vertreter der Medien-/Oportunisten-Kaste.

      • Dann verbiege dich & putz‘ dich hübsch raus – damit du deinen Freiern auch gefällst, du hübsche Dirn‘ 😊
        Beschwer‘ dich nachher nicht, dass du dich benutzt fühlst…
        Wer allen gefallen will, gefällt niemandem

        Ich könnte noch mehr raushauen 😊

        Bitte entschuldigen Sie das saloppe Du-Wort …die Hitze des Gefechts

  7. Nehammer bemüht sich, kein No-Go auszulassen. Er schafft es, dass Österreich in der EU auf die gleiche Stufe gesetzt wird, wie die ewigen Querulanten Ungarn und Polen.

    In dieser Gesellschaft fühlt er sich anscheinend wohl. Ob Österreich an internationaler Reputation verliert, ist dieser ÖVP anscheinend völlig egal!

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