Samstag, Juli 27, 2024

Kripo-Chef Holzers Überstunden – Die Causa AEI und der Kampf um EU-Fördergelder

Die Causa AEI und der Kampf um EU-Fördergelder

Gegen die Wiener Agentur für Europäische Integration (AEI) wird wegen des Verdachts auf Untreue und Betrug ermittelt. Entsandte Beamte sollen zudem „sehr hohe Honorare“ erhalten haben. ZackZack vorliegende Dokumente zeigen, wie sich die heutige Kripo-Spitze ein nettes „Zubrot“ verdient hat – bis zum Bruch.

Wien, 06. August 2022 | Die Tageszeitung „Der Standard“ fasst es so zusammen: „Die Agentur für Europäische Integration (AEI) schrieb jahrelang Verluste, bei Honoraren war sie großzügig. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts auf Fördermissbrauch.“

Der Verein AEI hat sich auf Wissenstransfer im Bereich öffentliche Verwaltung spezialisiert. EU-Aspiranten sollen dabei an Strukturen herangeführt, die Zusammenarbeit der EU-Staaten soll verbessert werden. Auch die Konkurrenz „Agency for Economic Cooperation and Development“ (AED) ist in diesem Bereich tätig – es kommt zu einem jahrelangen Schlagabtausch. Doch dazu später mehr.

Jetzt wirft die Staatsanwaltschaft AEI-Funktionärin Z. vor, mehr als 591.000 Euro aus der AEI „ohne Rechtsgrund bzw. entsprechender Gegenleistung“ auf Konten des Erstbeschuldigten H., einem Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, überwiesen zu haben. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.

Im „Standard“ findet sich auch ein Sachverhalt, der politisch brisant werden könnte: „Viele der aus den Ministerien entsandten Beamten sollen sehr hohe Honorare erhalten haben, zum Teil sollen Leute für diese Projekte angestellt worden sein. Im Innenministerium ist die Rede davon, dass sich manche aus dem Haus ‚ein ordentliches Zubrot‘ verdienen würden.“

Diese „Zubrote“ befinden sich augenscheinlich in internen Dokumenten, die ZackZack untersucht hat. Sie betreffen die aktuelle Kripo-Spitze.

Kostenstelle „Holzer“

Bis zum Dezember 2017 leitet Andreas Holzer das Büro „Organisierte Kriminalität“ im Bundeskriminalamt. Dann steigt er auf und leitet die „Abteilung für Ermittlungen, Allgemeine und Organisierte Kriminalität“ im Bundeskriminalamt.

Laut offiziellem Lebenslauf hat Holzer zudem Erfahrung im Bereich „Internationales EU-Projektmanagement“ vorzuweisen. Die dürfte bei der AEI auch entsprechend vergütet worden sein. In den AEI-Buchungsunterlagen ist er „Kostenstelle 1502“.

Die AEI-Gelder für die Kripo-Beamten kommen zu einem großen Teil aus EU-Töpfen. Die Abrechnungslisten der AEI verweisen von 2014 bis 2019 auf unterschiedliche Projekte: ISF, ISEC und ILECUS. Über den „Internal Security Fonds“ ISF stellte die EU von 2014 bis 2020 für Polizeizusammenarbeit und den Schutz der EU-Außengrenzen 3,8 Milliarden Euro bereit. Mit ISEC finanziert die Union Vorbeugung und Bekämpfung von Kriminalität.

Hinter ILECUS verbergen sich „International Law Enforcement Coordination Units“. Eine Homepage der Schweizer Polizei verweist hier auf eine Kooperation mit dem Bundeskriminalamt in Wien. Aber der Link führt auf eine Seite des BMI, auf der lapidar mitgeteilt wird: „Die Seite wurde vom Webmaster entfernt oder deaktiviert“.

Screenshot BMI

In einer internen Aufstellung über die ISF-Mittel fasst die AEI zusammen: „Andreas Holzer – Projektleitung, Grundsatzentscheidungen, begleitendes Projektkontrolling (sic!) und Qualitätskontrolle, Mitarbeiter.BK AT, overtime“.

Holzer soll laut den Unterlagen 32 Stunden, also vier Tage pro Monat gearbeitet haben – „für 30 Monate“. Insgesamt will die AEI dafür 41.280 Euro verbucht haben. Auch für ISEC kommen der Aufstellung zufolge regelmäßig Gelder an die Kostenstelle „Holzer“.

Holzers „overtime“

Laut „begleitender Ausgabenerklärung“ der AEI überweist der Verein das Geld an den „Beneficiary“ (den Begünstigten), das Bundeskriminalamt in Wien. Monat für Monat wird so für Holzer „overtime“, also „Überstunden“, ausbezahlt. Bei Holzer ergibt die Abrechnung erstaunlicherweise jeden Monat dreißig Mal denselben Betrag: 1.376 Euro.

2015 kommen zu den ISF-Überweisungen von 1.376 Euro pro Monat laut Unterlagen zwei Mal monatliche 608 Euro von ISEC. Für die Kostenstelle „Holzer“ sind es bei ISEC allein im Jahr 2014 elf Monatszahlungen.

Was hat es mit den Holzer-Überstunden auf sich? Bekam Holzer, der allein im Rahmen von ISF zweieinhalb Jahre lang vier Tage pro Monat offensichtlich außerhalb der regulären Arbeitszeit gearbeitet hat, die Überstunden direkt ausbezahlt oder sein Arbeitgeber? Ging er während seiner Dienstzeit einer Nebenbeschäftigung nach?

Faksimile ZackZack

Werklöhne ohne Werkvertrag

Die Unterlagen werfen an der einen oder anderen Stelle Fragen auf. In den AEI-Buchungsnachweisen ist anders als bei den „begleitenden Ausgabenerklärungen“ keine Rede von Überstunden. Dort hat jedes Konto einen Namen. Die Holzer-Konten heißen „5706 Werklöhne ISEC“, „5829 Werklöhne ILECUS“ und „5848 Werklöhne ISF“. Wo Werklöhne ausbezahlt werden, gibt es normalerweise eine Voraussetzung: einen Werkvertrag. Hier wird man für ein „Werk“ und nicht wie ein Beamter für seine Arbeitszeit bezahlt. In einem solchen Fall kann es keine Überstunden geben.

Über dieselben Konten werden an zwei weitere Kostenstellen Werklöhne überwiesen, eine davon ist Dieter Csefan zugewiesen. Von den Büros des Bundeskriminalamts bis in SOKO Ibiza und AG Fama ist Csefan der zweite Mann hinter Holzer. Aber Holzer wird zu einem höheren Stundensatz abgerechnet.

Die AEI sagt auf Nachfrage, es habe keinen Werkvertrag mit Holzer gegeben. Der jetzige Kripo-Chef soll als vom Bundeskriminalamt entsandter Experte aus den Mitteln des Projektbudgets bezahlt worden sein. Heißt: mit Honorarnoten. Das Geld floss nach Angaben der AEI an seinen Arbeitgeber und von dort an Holzer.

Von Salzburg nach Moskau

Für den Spitzenbeamten kommen auch Spesen hinzu. Als „Host“ einer Konferenz im April 2016 in Salzburg werden für Holzer 450 Euro, für einen Workshop in Moskau für Hotel und Flug 1.450 Euro ausgewiesen.

Faksimile ZackZack

Die letzten Reisespesen, die die AEI für die Kostenstelle „Holzer“ verbucht, stammen aus dem August 2019. Manchmal ist es auch eine „Saturn“-Rechnung für einen Apple-Adapter, die unter „Holzer“ bei AEI abgerechnet wurde.

Paragraf 56 Beamten-Dienstrechts-Gesetz regelt etwaige Nebentätigkeiten: „Der Beamte darf keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung seiner Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet.“ Was sagt das Bundeskriminalamt zu den Zuverdiensten Holzers und Csefans?

Zu den Abrechnungen betreffend der Kripo-Spitze Holzer und Csefan gab man zunächst keine Stellungnahme ab. Nach Ablauf der Frist verwies man auf eine parlamentarische Anfragebeantwortung des BMI.

„Darüber hinaus darf seitens des Bundeskriminalamtes darauf hingewiesen werden, dass die Zusammenarbeit mit der angesprochenen Organisation konkrete kriminalpolizeiliche Projekte betraf, die auch mehrfach sowohl intern als auch seitens der EU-Kommission geprüft worden sind“, so die Pressestelle. Es bestehe „seit Längerem keine Zusammenarbeit mehr mit AEI.“

Der Bruch

Irgendwann rund um die Jahre 2019/2020 bekommt das Verhältnis Holzer-AEI offenkundig Risse. Laut Darstellung von AEI-Verantwortlichen soll Holzer plötzlich Projekte auf Weisung des Kabinetts im Innenministerium gestoppt haben. In einem anderen Mail schreibt Holzer freundlich: „Liebe Z., ich muss leider die Interessensbekundung für das Eurol3 Projekt (sic!) zurücknehmen. Liebe Grüße, Andreas.“

Was ist passiert? Immerhin arbeitete Holzer, der als ÖVP-nah gilt, jahrelang eng mit der AEI zusammen. Der Agentur wiederum wird, im Angesicht der Ermittlungen, FPÖ-Nähe nachgesagt – was die AEI-Spitze zurückweist. FPÖ-Funktionäre gebe es zwar, das sei aber auf politische Einflussnahme von außen zurückzuführen. Die „Roten“ seien rausgedrängt worden, die ÖVP-Leute wiederum zur AED übergelaufen.

Ein politischer Kampf um eine als Verein geführte Agentur? Das ist die Erzählung der Funktionäre. Immerhin gibt es EU-Fördergelder abzugreifen. Das weckt naturgemäß Begehrlichkeiten.

Die AEI, die jahrelang gut im Geschäft war, steht jetzt mit dem Rücken zur Wand. Laut Verantwortlichen sei der Bruch politisch motiviert und auf einen jahrelangen Konflikt mit der Konkurrenz-Agentur AED zurückzuführen. Dort tummeln sich ÖVP-Funktionäre, die immer wieder versucht hätten, die AEI zu fusionieren, zu bremsen oder wegzudrängen. Bis zuletzt mit mäßigem Erfolg, wie es heißt.

Was sagt die AED zu diesen Vorhalten? Bis dato nichts. Eine Anfrage blieb bislang unbeantwortet.

Fest steht: Wenige Jahre nach den ersten Anzeichen eines Bruchs ist die AEI im Fokus der Ermittler. Der Konkurrenz schadet das freilich nicht. Und die ist tatsächlich gespickt mit ÖVP-Prominenz. Im Vorstand der AED sitzen Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger, Lobbyist und Wirtschaftsbund-Vertreter Christian Domany sowie ÖVP-Anwalt Werner Suppan. Sie könnten jetzt von den Ermittlungen „profitieren“. Das zumindest befürchtet die AEI, deren Konten derzeit gesperrt sind.

(pp/wb)

Update 11. August 2022, 11:58 Uhr: Bundeskriminalamt reichte Stellungnahme nach.

Titelbild: GEORG HOCHMUTH/APA /picturedesk.com

Autor

  • Ben Weiser

    Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4

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