BP-Wahl:
Nicht weniger als sieben Kandidaten kämpfen in den nächsten Wochen um die Hofburg. Da kann man schnell mal den Überblick verlieren.
Wien, 02. September 2022 | Am 9. Oktober wird der neue Bundespräsident gewählt. Sollten die eigenen Angaben über die erreichten 6.000 Unterstützungserklärungen stimmen – die Wahlbehörde prüft am Freitag und Samstag – gehen ganze sieben Kandidaten ins Rennen um die Hofburg – so viele wie nie zuvor.
Aber wer sind die einzelnen Anwärter? Und wofür stehen sie? Wer sich noch nicht entschieden hat, kann sich hier einen kleinen Überblick verschaffen:
Der Amtsverteidiger
Am Freitag hat nun auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen seine Unterstützungserklärungen (rund 24.000) feierlich vor der Hofburg präsentiert. Dem 78-Jährigen, der sich 2016 in einem Wahl-Krimi gegen Norbert Hofer (FPÖ) durchgesetzt hatte, werden als Amtsinhaber die besten Chancen für die kommenden Wahlen zugerechnet.
Wie vor sechs Jahren, tritt Van der Bellen auch diesmal wieder als unabhängiger Kandidat an. Sein Image als “Grüner” wird er aber nur schwer los, wird er doch von seiner Ex-Partei, den Grünen, tatkräftig unterstützt. Zwar ist der gebürtige Tiroler der politisch mit Abstand erfahrenste Anwärter für das Amt, hat aber in den letzten Jahren auch Rückschläge in Sachen Beliebtheit einstecken müssen.
Viele Bürger werfen dem Präsidenten vor, in der letzten Zeit zu zurückhaltend agiert zu haben. Das beginnt bei der Angelobung umstrittener Regierungsmitglieder und endet bei seiner Einstellung zu den Corona-Maßnahmen, die er befürwortete. Vor allem Kritiker der Maßnahmen könnte er dadurch als Wähler verlieren.
Laut Prognosen wird Van der Bellen wohl den ersten Wahldurchgang mit Abstand gewinnen. Offen bleibt, ob er eine absolute Mehrheit erhält, oder ob es wie 2016 zu einer Stichwahl mit einem anderen Kandidaten kommen wird.
Der Burschenschafter
Walter Rosenkranz, übrigens nicht mit Barbara Rosenkranz verwandt, die im Jahr 2010 gegen Heinz Fischer um das selbe Amt gekämpft hatte, tritt für die FPÖ an. Er ist seit 2019 Volksanwalt und hat als 60-Jähriger eine lange Polit-Karriere bei den Freiheitlichen hinter sich. 2008 bis 2019 war Rosenkranz freiheitlicher Abgeordneter, von 2017 bis 2019 unter Heinz-Christian Strache auch geschäftsführender Klubobmann. Außerdem führte er von 2013 bis 2019 die niederösterreichische Landespartei.
Rosenkranz ist ein “Alter Herr” bei der Libertas, einer schlagenden Wiener Burschenschaft. 2009 sorgte die Studentenverbindung für Aufregung, als bekannt wurde, dass die Libertas zu einer neonazistischen Jugendorganisation Kontakt gehabt hatte. Die Burschenschaft hatte nämlich 2008 einen Förderpreis, der „herausragende Taten im Sinne des national–freiheitlichen Gedankens“ auszeichnet, an den „Bund Freier Jugend“ (BFJ) verliehen.
Mit dem Slogan „Holen wir uns unser Österreich zurück“ möchte Rosenkranz wohl vor allem Gegner der Corona-Maßnahmen abholen. Mit dem Volksanwalt hat man bei den Freiheitlichen einen “Hofer-ähnlichen”, Kandidaten gewählt. So wie Hofer damals als dritter Nationalratspräsident hat auch er ein überparteiliches Amt inne, ist zudem großteils skandalfrei.
Der “Krone”-Kolumnist
Ein von Frank Stronach bezahltes Inserat samt herausschneidbarer Unterstützungserklärung in der Kronen Zeitung (ganze drei Seiten um mehr als 100.000 Euro) verschaffte dem Rechtsanwalt Tassilo Wallentin einen ordentlichen Schub an Bekanntheit. Der Wiener tritt als unabhängiger Kandidat an – und nicht, wie im Vorfeld erwartet worden war, als Kandidat der FPÖ.
Diese wollte den Rechtsanwalt 2018 zum Verfassungsrichter machen, aber angesichts großer Vorbehalte des Koalitionspartners ÖVP und des Bundespräsidenten verzichtete Wallentin. Grund für die Skepsis waren seine sonntäglichen Kolumnen in der “Kronen Zeitung”, in denen er immer wieder mit Angriffen auf die EU auffiel. Die Kolumne wurde nach Bekanntwerden von Wallentins Kandidatur eingestellt.
Wallentin ist nur einer von mehreren Kandidaten, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind. In seiner Programm-Präsentation ließ er den Wählern ausrichten: “Wenn man es taktisch sehen will, dann kann ich nur wertfrei sagen, dass ein schlagender Burschenschafter von Kickls Gnaden niemals eine Präsidentschaftswahl im 21. Jahrhundert gewinnen wird.” Daher sei eine Stimme für Rosenkranz eine verlorene.
Der rechte Krawall-Blogger
Gerald Grosz ist die letzten Jahre vor allem als rechter Blogger auf Social Media (rund 300.000 Follower auf Facebook) aufgefallen. Der Ex-FPÖ- und BZÖ-Politiker war ein treuer Haider-Anhänger und zog sich 2015 aus der Politik zurück. Im Netz versucht der 45-jährige Steirer regelmäßig der „politischen Korrektheit“ den Kampf anzusagen. In seinen Krawall-Videos poltert er zynisch über alles und jeden, der nicht seiner Meinung ist. Besonders auf Greta Thunberg und der “Fridays-For-Future-Sekte”, wie er sie nennt, hat er sich immer wieder eingeschossen.
Grosz zeigte sich zuletzt außerdem gar nicht staatsmännisch, als er in einem Video die Fahne Österreichs als „Fetzen“ und seine ehemaligen Kollegen im Hohen Haus als „Lumpen“ bezeichnete. Wer ihn aus TV-Diskussionen oder über seine Videos kennt, weiß, dass er die letzten Monate seit Ausbruch der Pandemie stets versucht hat, das Virus zu verharmlosen. Corona “ein Schnupfen”, drohende “Impfapartheid” – mit gewohnt lauter Stimme bediente er stets seine Followerschaft. Umso verärgerter reagierten seine Fans im Juli 2021, als sich Grosz dann doch gegen Corona impfen ließ.
Der Punksänger
Dominik Wlazny alias Marco Pogo ist Gründer der Bierpartei, studierter Mediziner, Musiker und Unternehmer. Der “Turbobier”-Sänger produziert das gleichnamige Bier und begann mit der satirischen “Bierpartei” seine Polit-Karriere. Bei der Wien-Wahl 2020 schaffte er es immerhin in den Simmeringer Bezirksrat.
Jetzt bei der Bundespräsidentschaftswahl versucht er krampfhaft sein Image als “Spaßpolitiker” loszuwerden. Bei seinen Wahlunterstützungs-Ständen gibt es Wasser statt Bier. Pogo tritt zudem mit seinem bürgerlichen Namen Dominik Wlazny an. Lange war nicht klar, für welche Themen er eigentlich steht. Am Donnerstag präsentierte er dann ein breites Feld an Themen, die dem Musiker, der bei seinen Konzerten einige der Besucher selbst geimpft hat, wichtig sind. Klima, Gesundheitswesen und Sicherheit stehen im Vordergrund.
In eine “politische Schublade” lässt sich Wlazny ungern stecken, wie er in einem ZackZack-Interview Anfang August ausrichten ließ. Er bezeichnet sich daher weder als links noch rechts. Er ist mit 35 der jüngste aller Hofburg-Kandidaten.
Der “Schuhrebell”
Auch der “Waldviertler”-Schuhfabrikant “Heini” Staudinger hat laut eigenen Angaben die nötigen 6.000 Unterstützungserklärungen für die Kandidatur beisammen. Bekannt geworden ist er nicht nur mit Schuhen, Möbeln und Naturmatratzen, sondern auch als “Schuhrebell” durch seinen öffentlichen Konflikt mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) über sein alternatives Finanzierungsmodell – der auch den Anstoß gab für das 2015 in Kraft getretene Crowdfunding-Gesetz.
Foto: GEA
Laut “Tiroler Tageszeitung” bezeichnet sich der 69-jährige Staudinger selbst gleichermaßen als “Christenmensch und Kommunist”. “Wir wollen weniger Zwang, weniger Angst – mehr Gerechtigkeit, mehr Miteinander, mehr Freiheit, mehr Frieden”, heißt es auf der Wahlkampf-Homepage des Schuhunternehmers, der auch Mitglied in der im Jänner 2022 gestarteten Initiative “Zukunft Jetzt” ist. Diese ist ein Zusammenschluss von Menschen – unter anderem sind auch Promis wie Nina Proll, Roland Düringer und Felix Gottwald dabei –, die sich gegen eine Impfpflicht aussprechen. Staudinger hat auch stets die vergangenen Lockdowns kritisiert und war laut eigenen Angaben selbst oft auf Corona-Demos unterwegs.
Der Impfskeptiker
Der 61-jährige Jurist Michael Brunner kam über den Protest gegen die Corona-Maßnahmen in die Politik. In Erscheinung trat der Rechtsanwalt mit seiner Kanzlei in Wien mit zahlreichen Verfassungsbeschwerden gegen die Schutzmaßnahmen. Im Februar 2021 war Brunner dann einer der Mitbegründer der Partei MFG, deren Bundesparteiobmann er heute ist.
Sie trat im Herbst 2021 erfolgreich bei der Oberösterreich-Wahl an: Auf Anhieb zogen die Impfskeptiker mit mehr als 50.000 Stimmen (6,2 Prozent) in den Landtag ein.
Mit Attacken gegen den derzeit amtierenden Bundespräsidenten sparte Brunner nicht. Van der Bellen sei ein Schweigepräsident, nicht nur hinsichtlich der Pandemie-Schutzmaßnahmen. Diese würde er, sollte er gewählt werden, als eine erste Amtshandlung komplett aufheben und dazu gleich die ganze Regierung entlassen.
(mst)
Titelbild: ROLAND SCHLAGER, EVA MANHART, EXPA, GEORG HOCHMUTH, HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com / GEA / Montage: ZackZack