Samstag, Juli 27, 2024

Mit Vollgas zur Bremse: Regierung verteidigt Schnellschuss-Hilfe

Mit Vollgas zur Bremse:

Mittwochnachmittag präsentierte die Regierung nach dem Ministerrat die beschlossene Strompreisbremse. Vorwürfe, die Hilfe sei zu ungenau, entschuldigte man mit Schnelligkeit und fehlender Datenlage.

Wien, 07. September 2022 | Flankiert von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) stellten Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am frühen Mittwochnachmittag die zuvor beschlossene Strompreisbremse vor. Sie soll private Haushalte bei der Stromrechnung entlasten.

Energieministerin Gewessler war es neben dem wiederholten Hinweis auf die „rasche, antragslose und unbürokratische“ Hilfe wichtig, die Einheit und die Solidarität in der Bevölkerung hervorzuheben. Wir „müssen alle an einem Strang ziehen“ und „dürfen uns von Wladimir Putin nicht spalten lassen“, sagte Gewessler. Dessen künstliche Energieverknappung sei erst für den Preisanstieg verantwortlich, fügte Kanzler Nehammer hinzu.

Schlichtheit wird betont

Besonders oft wurde vom Vierergespann der Regierung auf die Einfachheit der Maßnahme hingewiesen. Da die Hilfe „antragslos“ sei, müsse man nichts tun, um sie in Anspruch zu nehmen. Ab Dezember bezahlt man damit in Österreich für die ersten 2.900 Kilowattstunden (kWh) pro Haushalt nur noch 10 Cent pro kWh. Die unbürokratische Schlagseite des Entlastungspakets sei ein Vorteil, weil dadurch rasch geholfen werden könne. „Wer schnell hilft, hilft doppelt“, ließ Kanzler Nehammer wissen, der sich auch einen Seitenhieb auf die Wien Energie nicht verkneifen konnte.

Dass die Hilfe möglicherweise nicht treffsicher genug sei und nicht ausreichend auf die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedenster Haushalte, wie Experten im Vorfeld moniert hatten, konterte die Regierung mit der Geschwindigkeit, mit der die „Direkthilfe“ auf den Weg gebracht werde. Auf Nachfrage einer Journalistin, inwieweit die Bundeshilfe die eigens in Niederösterreich in Kraft gesetzte Strompreisbremse von elf Cent pro kWh ersetzt, oder ob es zu einer Doppelförderung komme, gab sich Nehammer defensiv: „Wenn es in Bundesländern noch andere Lösungen gibt, können wir als Bund da nichts machen“, ließ Nehammer seine Durchsetzungsfähigkeit durchblicken.

Auf Veränderungen einstellen

Vizekanzler Kogler, der oft sehr weit ausholte und in seinem Eingangsstatement insgesamt die doppelte Redezeit wie Kanzler Nehammer für sich beanspruchte, sprach von „mehreren Tausend Euro Entlastung“ durch alle Maßnahmen der Bundesregierung für all jene Haushalte, die sie besonders bräuchten. Er hielt die Maßnahme „durchaus für schlau“, schwor die Österreicher aber auch auf härtere Zeiten ein. Denn es sei „utopisch, dass für alle alles gleich bleibt im Leben“.

Auf die Journalistenfrage, ob es eine Steuer auf Zufallsgewinne bei Krisengewinnlern gebe, wich Finanzminister Brunner aus. Man müsse erst in Zukunft darauf schauen, dass man ein ausgeglicheneres Budget vorweise. Der von allen Seiten geäußerten Kritik, dass die Steuerzahler sich ihr Hilfspaket damit selbst bezahlen, wurde nichts Wesentliches entgegnet.

Freudscher Versprecher?

Am Ende erklärte Brunner noch, dass die Teuerung „mittlerweile auch im Mittelstand intensiv angekommen“ sei. Zuletzt leistete er sich einen ungünstigen Fauxpas: Man müsse auch Gruppen wie Pendler und Studenten nicht „außer Acht lachen“, versprach sich Finanzminister Brunner und korrigierte sich sofort. Es bleibt abzuwarten, ob das die letzte Korrektur bei dem Thema ist.

(dp)

Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl

Autor

  • DanielPilz

    Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.

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