Samstag, Juli 27, 2024

Prüfer sprechen Wien Energie vorerst von Spekulationsvorwurf frei

Nach einigen Tagen sind Wirtschaftsprüfer zum Schluss gekommen, dass die Wien Energie keine Spekulation betrieben hat. Der endgültige Bericht ist für kommende Woche angekündigt. 

Wien, 09. September 2022 | Drei Institute kommen nach wenigen Tagen Prüfung zur vorläufigen Einschätzung, dass es bei der Wien Energie keine Spekulation mit Strom gegeben hat. Endgültige Berichte von PwC, Ithuba und Freshfield soll es in einer Woche geben. Die bisherige Prüfung habe aber “keine Anzeichen für mögliche Spekulationsgeschäfte” ergeben, sagte Michael Sponring von PwC am Freitag vor Journalisten. Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke wies den Spekulationsvorwurf auf dieser Basis ebenfalls erneut zurück.

„Großhandels- und branchenüblich“

Alle Börsengeschäfte der Wien Energie hätten nur dazu gedient, Mengen und Preisrisiken abzudecken, “es wurden nachweislich keine spekulativen Handelsbücher geführt”, so Sponring. Auch seien alle gehandelten Produkte “großhandelsüblich” gewesen. Das Risikomanagement sei “branchenüblich” gewesen, es habe bisher keine Anzeichen für wesentliche Schwächen gegeben.

Wirbel nach Unterstützungsgesuch

Wien Energie hatte vor zwei Wochen überraschend beim Bund um eine Liquiditätshilfe in Milliardenhöhe angesucht, weil sie Sicherheiten für ihre Börsengeschäfte hinterlegen musste. Das sei durch eine Entwicklung am Freitag dem 26. August ausgelöst worden, bei der sich der Preisunterschied zwischen Gas und Stromhandel in einer nicht zu erwartenden Dimension vergrößert hat.

Hanke: Preissprung glich „Meteoriteneinschlag“

Die Wien Energie kauft mit Zukunftsverträgen Gas und verkauft Strom. Solange die Preise für beide Energieträger gleich stark schwanken, hat das Unternehmen wenig Probleme. An dem Tag sei aber Strom massiv teurer geworden, während sich der Gaspreis kaum bewegte. Der daraus entstehende Preisabstand zwischen den beiden Energieträgern sei mit Standardmodellen noch eine Woche davor zu 99,99 Prozent ausgeschlossen worden, so Sponring unter Berufung auf Berechnungen von Ithuba. Die Situation sei daher nicht erwartbar gewesen.

Auch der Aufsichtsratschef der Wien Energie, Peter Weinelt, betonte in der gemeinsamen Pressekonferenz, dass kein bekanntes Prognosemodell so einen Ausschlag wie an jenem Freitag vorhergesagt hätte. Hanke sprach gleich von einem “Meteoriteneinschlag”, der die Wien Energie getroffen habe.

Handel mit Futures „alternativlos“

Sponring empfiehlt der Wien Energie trotz der jüngsten Aufregung uneingeschränkt ihre Geschäfte weiter mit sogenannten Futures, also Börsenverträgen über künftige Gaskäufe und Stromlieferungen, abzusichern. Das sei “alternativlos”. “Es gab keine Option, um das Risiko zu reduzieren”, so Sponring.

Denn das Risiko, zur Absicherung der Geschäfte Liquidität beisteuern zu müssen sei besser handhabbar als die Alternativen: Beim Kauf am Spotmarkt gebe es das Preisrisiko, dass also Kunden wegen Preisausschlägen an der Börse sehr teure Energie zahlen müssten. Und bei direkten Verträgen mit Lieferanten (OTC) gebe es das Ausfallsrisiko. Liquidität gehe aber nicht verloren, während bei den alternativen Modellen Verluste drohen.

Hanke kritisiert Bund

Finanzstadtrat Hanke kritisierte auch den Umgang der Bundespolitik mit der Information über den Liquiditätsengpass der Wien Energie. Davon sei man in Wien “überrascht” gewesen. Wien habe sich “vertrauensvoll an einen Bundesminister, an eine Bundesregierung gewandt” und als Ergebnis habe es eine “ganz eigentümliche Mischung” zwischen allgemeinen Börsenthemen und Spekulationsvorwürfen gegeben. In der Schweiz hingegen habe es bei Liquiditätsproblemen des großen Energieversorgers Axpo diskrete Verhandlungen und dann die gemeinsame Verkündung der Lösung gegeben, verglich Hanke.

(apa/red)

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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