Freitag, März 29, 2024

Die Ukraine feiert Erfolge, Russland droht

Nach wesentlichen militärischen Erfolgen der Ukraine in den vergangenen Tagen, verfällt Russland in Drohgebärden. Trotz der Rückschläge denkt der Kreml nicht daran, seine erklärten Ziele aufzugeben. Auch die Ukraine macht keinen Schritt zurück.

Kiew/Moskau, 12. September 2022 | Mit ihrer Gegenoffensive haben ukrainische Streitkräfte am Wochenende Erfolge gefeiert, und im Süden und Osten einige besetzte Gebiete zurückerobert. Sie setzt ihren Vorstoß nun weiter vor. Der Generalstab teilte am Montag in seinem allmorgendlichen Briefing mit, allein am Sonntag seien mehr als 20 von Russland besetzte Orte im Osten des Landes zurückerobert worden.

Im Süden habe man rund 500 Quadratkilometer zurückerobert. Seit Anfang September sollen überhaupt insgesamt 3.000 Quadratkilometer besetzter Gebiete zurückerobert worden sein. Der Kreml hat indes angekündigt, an seinen Zielen festzuhalten und seine Offensive fortzuführen.

Erfolge der Ukraine bestätigt

Es ist immer schwer, Berichte aus Kampfgebieten zu überprüfen. Aber, dass die Ukraine jüngst große militärische Erfolge gefeiert hat, ist mittlerweile bestätigt worden. Das britische Verteidigungsministerium berichtete auf Basis von Geheimdiensterkenntnissen, Russland habe vermutlich den Abzug seiner Truppen aus einem besetzten Gebiet in der Region Charkiw befohlen. Die erfolgreiche Offensive der Ukraine habe wesentliche Auswirkungen auf den Kriegsverlauf, so die Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums.

Witali Gantschew, der von Russland in der betreffenden Region eingesetzte Statthalter, erklärte am Montag im staatlichen russischen Fernsehen ebenfalls, dass ukrainische Streitkräfte einige Siedlungen im Norden der Region zurückerobert hatten. Beim Abzug Tausender Soldaten angesichts der überraschend schnellen Offensive der Ukrainer seien Ausrüstung und Munition zurückgelassen worden, berichtete Montagmorgen auch das Ö1-„Morgenjournal“. “Die Lage wird von Stunde zu Stunde schwieriger”, gab er zu.

Ukraine schöpft neue Hoffnung

Gegenüber den „Financial Times“ sagte der ukrainische Verteidigungsminister Olexej Resnikow, dass die Offensive besser laufe als erwartet. Er verglich sie mit einem Schneeball, der einen Hang hinunterkugle und sah in den Erfolgen ein Zeichen dafür, dass Russland besiegt werden könne.

Gegenüber CNN stellte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weitere Erfolge für den Winter in Aussicht, vorausgesetzt, die Ukraine würde mehr leistungsstarke Waffen erhalten.

Experte wertet Offensive als Erfolg

Laut Oberst Markus Reisner, Leiter der Entwicklungsabteilung der Theresianischen Militärakademie, ist bei den Russen Chaos und Panik entstanden. Das teilte er der APA gegenüber mit. Er wertet die derzeitige Offensive als militärischen und strategischen Erfolg, nicht zuletzt, weil die Ukraine dem Westen damit gezeigt habe, dass weitere Waffenlieferungen Sinn machen.

Er verwendete im Zusammenhang mit der Lage den englischen Spruch „If you don’t break the momentum, the momentum will break you“, also „Wenn du das Momentum nicht brichst, wird das Momentum dich brechen“. Die Ukrainer hätten die Offensive auf die schwächste Stelle konzentriert und nicht die Eliteeinheiten, sondern die zwangsverpflichteten Einheiten aus dem Donbass angegriffen.

Vergeltungsschläge gegen Infrastruktur

Während des Rückzugs haben russische Truppen wertvolle Infrastruktur zerstört – Vergeltungsschläge, wie Militär-Experte Franz-Stefan Gady vom Institute for International Strategic Studies (IISS) in London im Ö1-„Morgenjournal“ am Montag bestätigte. So hat Russland auf Kraftwerke gefeuert, wodurch großflächig die Strom- und Wasserversorgung in Charkiw und angrenzenden Regionen ausfiel.

Am Montagmorgen hieß es, dass die Versorgung zu 80 Prozent wiederhergestellt worden war. Selenskyj verurteilte die Angriffe auf Twitter: “Keine Militäreinrichtungen. Das Ziel ist es, den Menschen Licht und Wärme zu berauben.“ Militär-Experte Reisner glaubt, dass Russland weiterhin wichtige Infrastruktur angreifen wird.

Russland droht

Russland hat jedenfalls nicht vor, aufzugeben. Am Montag kündigte Kremlsprecher Dmitri Peskow an, Russland wolle seinen Krieg fortführen – mit den „anfangs gesetzten Zielen“. Auf die Frage, ob Wladimir Putin der Militärführung noch vertraue, gab es keine konkrete Antwort. Man will jedenfalls die in den vergangenen Tagen von der Ukraine eroberten Gebiete wieder angreifen.

Indes versucht man, die Ukraine mit Drohgebärden an den Verhandlungstisch zu bewegen. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat der Ukraine gedroht, Russland würde eine bedingungslose Kapitulation fordern, falls Kiew die derzeitigen Bedingungen für Verhandlungen nicht akzeptiere. “Die jetzigen “Ultimaten” sind ein Kinderspiel im Vergleich zu den Forderungen in der Zukunft”, schrieb er am Montag auf seinem Telegram-Kanal. Selenskyj hatte in einem am Sonntag ausgestrahlten CNN-Interview gesagt, er wolle derzeit nicht mit Russland verhandeln.

USA machen leichten Druck für deutsche Waffenlieferungen

Vor dem Hintergrund der ukrainischen Erfolge ist in Deutschland wieder die Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine losgetreten. Die Grünen, CSU/CDU und die FDP sind für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Die Kanzlerpartei SPD schließt Waffenlieferungen zwar nicht aus, möchte aber keinen deutschen Alleingang starten.

Leichter Druck kommt indessen von den USA: Die US-Botschafterin in Deutschland sagte Amy Gutmann sagte am Sonntagabend im ZDF, sie bewundere, was die Deutschen in der Ukraine tun, habe aber noch höhere Erwartungen an Deutschland. „Wir hoffen und erwarten, dass Deutschland das auch erfüllen wird“, so Gutmann. Man müsse alles machen, wozu man in der Lage sei.

(pma)

Titelbild: AFP PHOTO / Ukrainian Ministry of Defence

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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30 Kommentare

  1. Der atomare Krieg in Europa wird wahrscheinlicher. Und währenddessen versammeln sich im Forum hier immer mehr Kriegsgeile.

  2. Kyrill…”deshalb gilt unser besonderes Gebet dem Oberhaupt unseres Staates, dem Oberbefehlshaber Wladimir Wladimirowitsch Putin, der eine besondere Verantwortung trägt, sowie allen Militärführern und diejenigen, die in den Behörden arbeiten. Damit der Herr sie klüger mache, stärke, erleuchte…”
    ” Wir wissen, dass es die Kirche war, die die Soldaten für die historischen Schlachten inspirierte…”

    Der hat ja wirklich einen Knall!

    Die russische Armee scheint Netz-Berichten zufolge derweil weiter auf dem Rückzug, was nationalistische Kreise erheblich erzürnt.
    https://www.br.de/nachrichten/kultur/russlands-patriarch-kyrill-will-putin-mit-gebet-klueger-machen,THE9bIQ

  3. Russland droht. Und?
    Wer weiß schon was bei der russischen Armee noch alles in Unordnung ist.
    Jetzt wird er bombardieren was er noch im Arsenal hat……weil Soldaten findet er auf die Schnelle keine mehr…
    Wenns nix mehr zu plündern gibt melden sich auch seine asozialen Bürger nicht mehr zur Armee.

  4. Russland besitzt keineswegs mehr die militärische Stärke der alten Sowjetunion.
    Regime sind immer im Nachteil gegenüber Demokratien, weil man sich nicht mit Fakten und Diskussionen durchsetzt, sondern nur mit Anpasserei und Gehorsam.
    Auch Deutschland war im Zweiten Weltkrieg keineswegs so mächtig wie immer dargestellt. Der Krieg war eigentlich schon dann absehbar verloren, als die deutsche U-Boot-Flotte nur noch aufs Dach bekommen hat; also nach Kriegseintritt der USA.. Alles danach war nur noch Verzögerung, leider mit vielen Toten.

  5. Russland hat die besten Truppen und Geräte nach Sibirien zum Manöver mit China und Indien geschickt um ihnen zu zeigen wie stark sie noch sind. Das ging ja mal legendär nach hinten los. Trotzdem, die kommen (wahscheinlich) wieder zurück, bis dahin sollte die Ukraine ihre Verteidigungsstellungen ordentlich ausbauen.

  6. Ein schneller Sieg der Ukraine ist nicht im Sinne der USA. Der Krieg soll noch lange andauern. Denn solange können die USA Europa am Gängelband führen und Profite daraus lukrieren. Ein “freies” Europa würde an den östlichen Wirtschaftsallianzen telnehmen und aufgrund seiner Stärke die USA ins Abseits stellen.

    Auch Russland hat kein Interesse den Krieg schnell zu beenden. Die Einnahmen sprudeln aufgrund der kriegsbedingten hohen Energiepreise und die russische Wirtschaft richtet sich zunehmend nach dem asiatischen Markt aus. Gleichzeitig schwächt sich der Erzfeind USA aufgrund seiner der Sanktionspolitik geschuldeten zunehmenden Selbstisolation. Man muss nur die rasante Abnahme der Bedeutung des USD im Welthandel verfolgen. Und damit sinkt auch rasant die Refinanzierungsmöglichkeit des chronischen US-Defizits. Wir sollten uns überlegen, ob wir loyal die Talfahrt der USA mitmachen wollen.

  7. Wie man hört, hats jetzt so richtig schöne “Säuberungsaktionen” in den Gebieten, die Schneelenskys Volkssturm kurzfristig zurück geholt hat. Und die pazifistische “wehret den Anfängen”-Fraktion jubelt.

  8. Die besetzten Gebiete, die nun zurückerobert wurden, wurden von “Freiwilligen”-Batallionen gehalten. Obdachlose und Häftlinge ohne strategische Führung hatten die Aufgabe, die Gebiete abzusichern. Darum ging es echt schnell.

    Das Positive an der Sachlage ist, dass RU offenbar nicht die Kapazitäten hat, die Profis in den besetzten Gebieten einzusetzen. Das Tragische an der Sachlage ist: Die harten Kämpfe stehen erst noch bevor.

    Der Kreml will an seinen Zielen festhalten. Gut dass niemand weiß, was diese Ziele (wirklich) sind. So kann der Kreml jederzeit sagen: “So unser Ziel ist erreicht, wir ziehen ab.” Gleichzeitig wird der Kreml den Gesichtsverlust so lange wie möglich hinauszögern. Statt eines Stellungskriegs ist dann von wechselseitigen Guerillakämpfen auszugehen. Anleihe ist der 30jährige Krieg. Wechselnde Allianzen versprengter Horden werden die Gebiete der anderen unsicher machen. Wer wann auf wessen Seite steht, wird unübersichtlich. Totale Konfusion entsteht.

    • Und das ist durchaus eine kremlische Strategie. Sie wird im Kommunikationsbereich, in der Unterwanderung der Demokratien und im Wirtschaftsbereich seit langem angewandt. Die Zerplitterung von Parteien in immer kleinere Parteichen in Europa ist Folge dieser ideologisch aufgeladenen Kommunikation. Wenn der Kreml in Europa, den rechten, linken und esoterischen Rand (argumentativ, narrativ, ideologisch und auch finanziell (via Gesellschaften und Oligarchen)) unterstützt, so gehen die irgendwann aufeinander los. Und das destabilisiert. Die harsche, ideologische Ausrichtung lässt Kompromisse nicht zu, lässt Parteien zersplittern und führt zu noch größerer Konfusion und Ablehnung.

      Es ist einige Gedanken wert, sich diese Zersplitterung auch als militärische Strategie vorzustellen. Wenn man ein Gebiet nur zerstört haben möchte (weil man es nicht besitzen kann), dann ist es einem egal, wer mit wem wann was zerstört. Hauptsache Zerstörung findet statt. Vieles deutet darauf hin, dass der Kreml darauf setzt, dass z.B. die verprengten Häftlinge sich reorganisieren und weitermorden, ohne dass sie eindeutig einer operativen Taktik folgen. Die Auswahl jener Gruppen mag aus Not entstanden sein, aber durchaus in ein strategisches Gesamtkonzept eingebunden sein.

      Groszny, Aleppo: Wer sich nicht ergibt, wird weggebombt. Wenn das Wegbomben nicht funktioniert, so bleibt immer noch auf die vaszierenden Kämpfer zu setzen, die die Zerstörung fortsetzen. Auf der Krim, im Donbasz, in Moldawien und Georgien waren es Professionisten, die so agierten und militärisch und propagandistisch vorbereiteten. Bei einer missglückten Invasion könnte eine solche Vorgangsweise eingeplant sein.

    • Selbstverständlich – seine Spezialeinheiten hat Russland nämlich teilweise schon im Feber verbraten!
      Russland ist definitiv nicht mehr der Angstgegner der er vielleicht einmal war.

  9. Falls die Ukraine gewinnt wird Russland Gas ohne Ende liefern um die kaputte Wirtschaft irgendwie zu beleben. Also Daumendrücken für die Ukrainer.

    • Aber wir werden es nicht mehr nehmen. Das Gas. Was würde der Kreml mit den Erlösen machen? Den Hungernden und Darbenden spenden? Oder sein Militär “reorganisieren” vulgo “aufrüsten”?

  10. Es wird immer enger für Russland. Inzwischen wurde eine Batterie des Luftabwehrsystems S – 300 in Syrien demontiert und auf die Krim verschifft.
    (gcaptain-ussia-sealifts-weapons-to-crimea/?)

  11. Die Ukraine kämpft für eure Werte!
    Der Stahl-Hersteller ArcelorMittal wird demnächst zwei Anlagen in Deutschland vorerst stilllegen, andere Hersteller könnten folgen. Die Kosten sind wegen der hohen Strom- und Gaspreise einfach zu hoch. Aus der Energiekrise, so eine düstere Prognose, kann jetzt eine Industriekrise werden.
    (Ein Prosit auf EUCH!)

    • Wir produzieren immer noch Stahlüberschüsse in Europa. Sobald andere Energieformen billiger werden als die Fossilen, werden diese auch von der Industrie favorisiert und gebaut. Warum sie das bisher nicht tat, ist, weil ein komparativer Kostennachteil gegeben war. Der Kostenvorteil mit Gas ist bald dahin. Ja, die Umrüstung braucht Zeit. Ja, die Netze auf Strom unzurüsten braucht Zeit. Jetzt rächt sich, dass wir nicht schon früher auf Erneuerbare gesetzt haben.

      Auch die Arbeitslosigkeit wird steigen. Nicht nur im Industriesektor, auch im Gewerbe und Handwerk, weil dort die Energiekosten anteilig zu den Erlösen noch höher sind. Die Preise können weitergegeben werden, aber die Lohnabschlüsse werden die Inflation nicht wirklich kompensieren, sodass Vieles nicht mehr in gewohnter Weise leistbar sein wird. Das betrifft vor allem Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Handwerk, die en detail verkaufen.

      Selbstverständlich wird der (nun erzwungene) Wirtschaftsumbau in Europa Arbeitslose generieren. Bis die Erneuerbaren greifen, wird es abwärts gehen. Man kann den Abschwung verlangsamen, aber nicht aufhalten. Man wird das auch tun. Und man wird den Abschwung abfedern.

    • Geh Wolfi – damit müssen wir eben rechnen.
      Die Freiheit von UNS allen ist wichtiger. Klar müssen wir ein wenig den Gürtel enger schnallen. Aber wir leben alle noch in Saus und Braus.
      Der Krieg und die Energiekrise sind ein Innovationsbringer. Grüne Energie, Kernfusion, etc. werden jetzt immens wichtiger und CO² ohne Ende zu produzieren war so oder so keine Option.

      Die Alternative ist wir verpesten die Umwelt, vergessen die Demokratie und bejobeln Despoten, Führer und Zaren.

    • An den Tatsachen besteht kein Zweifel. Da gehts nur um die Deutungshoheit. “Umgruppierung von Truppen” anstatt Flucht hat die selbe Bedeutung wie “FREIsetzen von Mitarbeitern” anstatt Feuern.

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