Samstag, Juli 27, 2024

“Wilder Westen” in Tirol: U-Ausschuss zielt auf Inserate und Förderungen

“Wilder Westen” in Tirol:

Am Donnerstag blickt der U-Ausschuss wieder einmal westwärts: Geladen sind zwei langjährige Tiroler ÖVP-Politiker und der Landesobmann der Jungbauern. Dem könnte der jüngste Eklat um Corona-Hilfen um die Ohren fliegen.

Wien, 15. September 2022 | Am Donnerstag startet der U-Ausschuss nach einem holprigen ÖVP-Tag wieder durch. Es wird vorrangig um Corona-Förderungen gehen, die die Tiroler Jungbauern – wie zuletzt aufgedeckt wurde – unrechtmäßig erhalten haben sollen.

Die ÖVP sieht in der Rückzahlungsforderung allerdings die parteiische Entscheidung eines roten Beamten im von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) geführten Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. In Tirol empfindet man die Ladung der ÖVPler als Wahlkampfschachzug der Opposition „mit Hilfe ihrer Wiener Kollegen“. Vergaben in der Wasserwirtschaft könnten ebenfalls thematisiert werden. Dafür müsste aber ein Zusammenhang zur Bundesverwaltung hergestellt werden.

Martin Malaun: das Wahlkampf-Mastermind

Martin Malauns Ladung kommt keine zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Tirol, für die er als schwarzer Wahlkampfleiter eine wesentliche Verantwortung trägt. Bevor er 2011 ÖVP-Landesgeschäftsführer wurde, hatte er als Gründer und Geschäftsführer der Werbeagentur „Headquarter“ den Wahlkampf der Wiener ÖVP gestaltet.

Bis Juni war Malaun Parteimanager der ÖVP Tirol. Nach dem Abgang seines Vertrauten Günther Platter und der Übernahmen durch Anton Mattle an der Spitze der Tiroler Volkspartei, wurde er als dessen langjährigen Büroleiter abgelöst.

Zuletzt stellte sich Martin Malaun hinter die nunmehrige Ex-ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner, die gemeint hatte, dass auch Asylwerbende den Klimabonus erhalten sei „nicht hinnehmbar“.

Josef Geisler: ein Mann fürs Grobe

Als Landesrat ist Josef Geisler, entsprechend seiner Tätigkeit als Landwirt, seit 2013 unter anderem für Land- und Forstwirtschaft und Wasserwirtschaft zuständig. Er ist außerdem erster Landeshauptmann-Stellvertreter. Noch, denn er war als solcher Teil der scheidenden Regierung von Günther Platter.

Geisler ist seit 2013 Obmann des Tiroler Bauernbunds. Als solcher wurde er zuletzt im März 2022 wiedergewählt. Er betonte bei der Gelegenheit die starke Verbindung zur Tiroler Volkspartei.

Nach einem verheerenden Hochwasser 2020 in Tirol, lastete der WWF die Schäden am Kleinwasserkraftwerk Lesachbach Geisler an. Er hatte Warnungen vor Hochwasser und drohenden Muren nicht beachtet, mit einer Weisung ins Verfahren eingegriffen und den Bau genehmigt, hieß es.

Durch die Reparaturen, so die Kritik von Umweltorganisationen, müsse nun noch stärker als ohnehin durch den Kraftwerkbau in die Natur eingegriffen werden. Der WWF kämpft schon länger gegen den Wasserkraft-Ausbau im Isel-Gebiet und kritisiert die Verfahrens- und Prüfungspraxis in Tirol.

Wasserkraft und Geisler ergeben überhaupt eine spannende Mischung: 2020 fiel er bei der Übergabe von Unterschriften gegen ein Wasserkraftwerk im Ötztal durch WWF Österreich der Gewässerschutzsprecherin der Organisation ins Wort und bezeichnete sie als „widerwärtiges Luder“. Zu seinem Pech lief gerade eine Kamera, die öffentliche Empörung war groß.

Dominik Traxl: ein ehrgeiziger Jungspund

Der Pädagoge Dominik Traxl war im Juli 2021 nach dem Rücktritt seines Vorgängers in seiner Heimatgemeinde Zams mit 27 Jahren zum jüngsten Bürgermeister Tirols geworden. So richtig wärmen konnte er den Bürgermeister-Sessel aber nicht, denn bei der Bürgermeister- und Gemeinderatswahl Anfang 2022 konnte sich der SPÖ-Gemeinderat Benedikt Lentsch knapp behaupten. Seitdem ist Traxl einfacher Gemeinderat. Aber er hat ohnehin ein ganz neues Ziel im Blick: Bei der kommenden Tiroler Landtagswahl kandidiert er auf Platz sieben der VP-Landesliste.

Seit 2017 ist Traxl Obmann der Jungbauern in Tirol, einer ÖVP-Teilorganisation, wie jüngst bekannt wurde. Das ist deshalb relevant, weil sie 816.000 Euro an Corona-Förderungen kassiert hat, die Non-Profit-Organisationen vorbehalten waren. Wie durch eine NEOS-Anfrage bekannt wurde, haben mehrere ÖVP-Teilorganisationen trotz Ausschlusses Förderungen aus dem Unterstützungsfonds erhalten.

Im Ministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport unter Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ist nach einer Prüfung beschlossen worden, dass auch die Jungbauern das Geld zurückzahlen müssen, weil sie dem Bauernbund zuzuordnen sind. Die weigern sich aktuell und wollen die Sache erst einmal selbst prüfen und haben dabei auch die Unterstützung von Bauernbund-Obmann Josef Geisler.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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