Cannabis im Straßenverkehr
Wie beim Alkohol soll es auch bald bei Cannabis einen Toleranz-Grenzwert geben, der bei Verkehrskontrollen zur Feststellung der Fahrtüchtigkeit herangezogen wird. So plant es das Ministerium von Leonore Gewessler.
Wien, 20. September 2022 | Immer mehr Menschen in Österreich konsumieren gelegentlich Cannabis. Damit steigt auch die Zahl jener, die deswegen buchstäblich aus dem Straßenverkehr gezogen werden. Das könnte sich demnächst ändern. Geht es nach Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne), soll es, analog zu Alkohol am Steuer, künftig einen Toleranz-Wert für THC im Blut geben, wenn man mit dem Auto unterwegs ist.
Fahrtüchtig trotz erhöhtem THC-Wert?
Mit 6.338 Anzeigen wegen Drogen am Steuer ist in der Verkehrsbilanz 2021 ein neuer Rekord verzeichnet worden: ein Anstieg von 14,8 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020 (5.519). Im Vergleich zu 2019 (4.364) waren es sogar 45,2 Prozent mehr.
Meistens handelt es sich dabei um Lenker, bei denen ein erhöhter THC-Wert im Blut festgestellt wird. Ob dadurch eine Fahrbeeinträchtigung besteht beziehungsweise ob der letzte Cannabis-Konsum mehrere Tage oder doch unmittelbar vor Fahrtantritt erfolgt ist, konnte bis jetzt nicht genau festgestellt werden. Denn anders als beim Alkohol, ist THC wesentlich länger im Blut nachweisbar. Die Folge einer solchen Anzeige: Führerscheinentzug und saftige Strafen für jene Konsumenten, die zum Zeitpunkt der Kontrolle möglicherweise doch fahrtüchtig waren.
Ministerium prüft Limit
Wie das Nachrichtenmagazin „profil“ erfahren hat, arbeitet das zuständige Verkehrsministerium von Gewessler nun an einem Gesetzesentwurf, der einen Grenzwert ähnlich des 0,5-Promille-Limits bei Alkohol festlegen soll.
Man prüfe gerade die Verfahren, die dazu in vielen anderen EU-Ländern bereits angewandt würden, heißt es. So liegt der Grenzwert etwa in Deutschland derzeit bei einem Nanogramm THC im Blut. In Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland und Irland liegt die Grenze bei zwei, in Großbritannien, Polen und der Schweiz bei drei, in Tschechien bei vier, in Holland und Portugal bei sechs Nanogramm.
Viele (vermeintlich) beeinträchtigte Lenker stellen auch einen klaren Mehraufwand für Justiz und Polizei dar, auch die Behörden will man mit diesem Schritt entlasten. “Nach dem Beeinträchtigungsprinzip muss unterschieden werden zwischen Konsum, der bereits vor Tagen stattgefunden haben kann, und akuter Fahrtüchtigkeit. Klare Kriterien dafür würden auch eine Vereinfachung der Verfahren bedeuten”, heißt es laut “profil” aus dem Ministerium.
Harntests könnten verpflichtend werden
Bis so ein Grenzwert beschlossen werden kann, müssen aber noch einige Fragen geklärt werden, etwa wie dieser am besten und effizientesten festgestellt wird. Derzeit sind Harntests bei einer Verkehrskontrolle nicht verpflichtend. Fällt so einer aber positiv aus oder wird er verweigert, wird ein Bluttest herangezogen. Dieser könne in Zusammenhang mit einer oft attestierten Übermüdung schon bei niedrigen THC-Werten zu Strafen von über 1.700 Euro inklusive Führerscheinentzug mit anschließendem Besuch beim Psychologen führen, so ein Anwalt, der auf derartige Delikte spezialisiert ist, gegenüber dem Nachrichten-Magazin.
Durch den neuen Grenzwert könnten der Harntest verpflichtend und Amtshandlungen dadurch schneller gestaltet werden. Dann wiederum bräuchte es laut Innenministerium eine neue Grundlage, wann Bluttests durchgeführt werden dürften. Diese seien vor allem dann notwendig, wenn der Verdacht auf Beeinträchtigung durch andere psychoaktive Substanzen vorliege.
(mst)
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