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Was die Tiroler ÖVP gerettet hat

Die ÖVP ist in Tirol so mächtig, weil sie das Land mit einem Netzwerk überzogen hat, das politisch fast unkaputtbar ist. Aber nicht nur das: bei dieser Wahl haben auch die anderen fest mitgeholfen. „Der Tirol-Experte“ auf ZackZack.

Der Tirol-Experte

Wien, 27. September 2022 | Die Tiroler ÖVP kann sein, wie sie ist, weil die anderen sind, wie sie sind. Wer die Tiroler ÖVP wirklich herausfordert, wird mit politischem „Ghosting“ bestraft, mit Signalwirkung für alle anderen.

Abschreckung und Anreiz

Zwei Mal haben es aufrechte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in den letzten Jahren versucht. Schwarz-Grün gab es 2013 überhaupt erst, weil davor die regierende SPÖ mit der Opposition für ein Gesetz gestimmt hat, das die Rückübertragung der in den 1950er-Jahren aus öffentlicher Hand – aus Angst vor den Kommunistinnen – in private Bauernhände überführte Gründe geregelt hätte.

Der politisch Verantwortliche, Landesrat Reheis und seine SPÖ, waren weg aus der Regierung.

2018 hat es die damalige SPÖ-Spitzenkandidatin Blanik gewagt, nach der Wahl Landeshauptmann Platter länger auf einen Rückruf warten zu lassen, als es der gewohnt war – so wird es zumindest kolportiert. Dann durften eben doch die Grünen nochmal mitregieren.

Reheis und Blaniks Vorgänger an der SPÖ-Spitze, Gschwentner, war braver und geht demnächst nach vielen Jahren als von der ÖVP geduldeter Geschäftsführer des öffentlichen Wohnbauträgers „Neue Heimat“ in Pension.

Die Politik lernt aus solchen Erfahrungen, so eine Abschreckungs- und Anreiztaktik wirkt auf das gesamte politische System.

Kontrollierter Widerstand

Platter hatte 2013 drei, 2018 vier Koalitionsvarianten. Da war es ein Leichtes, die Verhandlungspartner unter den Tisch zu verhandeln. Gelernt haben die Grünen, dass sie hinter den Kulissen Allianzen schmieden und mit dem einen Teil der ÖVP Bündnisse gegen den anderen Teil schmieden und Projekte verhindern oder in Gang setzen können, die nicht alle in der ÖVP wollen.

Aber klar ist auch, siehe Abschreckungsmanöver gegen Reheis und Blanik: Öffentlich widerspricht man der ÖVP nicht ohne Absprache mit der ÖVP selbst. Erlaubt ist nur kontrollierter Widerstand. Mit dieser Message Control über die anderen Parteien hat die ÖVP auch den Wahlkampf dominiert.

Wer mit Mattle in die Koalition wollte, wusste: Auf den Landjugend/Jungbauern-Förderskandal brauchst du Mattle nicht vor laufender Kamera anreden. Und so war es dann auch. Das ist das Problem an Hegemonie, sprich Vormachtstellung: Sie ist eine gute Voraussetzung für noch mehr Hegemonie.

Die Tiroler ÖVP hat dieses Spiel wie immer gut gespielt und die etablierten Parteien haben mitgemacht. Damit konnte die ÖVP das politische Spielfeld mit Mattle-Liste, Mattle-Tour und Mattle-„Aufholjagd“ dominieren, ohne über das unangenehmste Thema, Korruption und Freunderlwirtschaft, reden zu müssen.

Schützenhilfe

Und schließlich gehört auch noch mediale Schützenhilfe befreundeter Medienhäuser dazu: der Landjugend-Skandal wurde vor Ort unisono niedergeschrieben, Mattles komplette Interview- und Nachfragenverweigerung der letzten Wochen wurde unkommentiert hingenommen. Kritische Fragen: bitte nach der Wahl.

Zu einem solchen System gehören viele dazu. Die ÖVP hat das gut gespielt, sie hat auch ihre politischen Mitbewerberinnen gut erzogen. Und deshalb sind die eine weitere Hegemonie erlaubenden knapp 35 Prozent auch kein Wunder, sondern eine logische Folge des Mittuns fast aller anderen.

Der Tirol-Experte ist ein Insider, der sich regelmäßig aus Tirol zu Wort meldet und die Landespolitik analysiert. Er bleibt anonym.

Titelbild: ZackZack/Christopher Glanzl

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