Samstag, Juli 27, 2024

Zwist in Italiens Rechtsbündnis — Salvini kämpft ums Überleben

Salvini kämpft ums Überleben

Das italienische Rechtsbündnis eroberte das Parlament und den Senat. Doch Siegerin gibt es mit Giorgia Meloni nur eine. Jetzt beginnt der Hick-Hack um die Ämter. Für zwei rechte Wahlverlierer könnte es eng werden.

 

Rom, 28. September 2022 | Nach dem Sieg des Rechtsbündnisses gibt es innerhalb der bevorstehenden Drei-Parteien-Koalition nicht nur lachende Gesichter. Denn während Giorgia Meloni von der postfaschistischen Fratelli d’Italia mit 26 Prozent der Stimmen klare Wahlsiegerin ist, mussten sowohl die Lega Nord von Matteo Salvini, als auch Silvio Berlusconis Forza Italia herbe Verluste einstecken. Meloni versucht nun scheinbar, das schwache Abschneiden ihrer Bündnispartner auszunutzen. Geht es nach ihr, soll es für Salvini keine Schlüsselämter in der zukünftigen Koalition geben. Das sorgt für Unmut bei der Lega Nord. Salvini forderte zuletzt erneut einen zentralen Ministerposten.

„Keine Schlüsselministerien“ für den Russland-Freund

Wie die Zeitung „La Repubblica“ berichtete, sagte Meloni: „Matteo wird keine Schlüsselministerien übernehmen“. Gegen den Lega-Chef läuft nicht nur ein Verfahren, sondern seine Position im Ukraine-Krieg unterscheidet sich auch diametral zu der Melonis. Er gilt als Sympathisant Putins und machte sich zuletzt immer wieder für Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten stark. Das lehnt Meloni allerdings entschieden ab. Erst am Dienstag hatte sie der ukrainischen Regierung die volle Unterstützung zugesichert. Salvinis Russland-Nähe könnte ihm nun zum Verhängnis werden. „Ich will ihn nicht, er ist ein Russland-Freund“, zitierte die italienische Zeitung „La Stampa“ Meloni.

Lega Nord sauer

Die Demontage Salvinis versetzt die Lega seit Montag in helle Aufregung. Die Partei droht zu zerbröseln. Während Riccardo Molinari, ein Vorsitzender der Lega, darauf beharrt, dass „unser Sekretär Matteo Salvini ein gewichtiges Ministerium in der nächsten Regierung haben sollte“, sieht Roberto Maroni, einst selbst Lega-Chef, die „Zeit für einen neuen Sekretär“ gekommen. Das könnte auch mit dem Wahlergebnis zu tun haben. Die Lega stürzte von 17,3 Prozent 2018 auf 8,8 Prozent ab. Buchmacher bieten laut „Il Messaggero“ bereits Quoten für den Nachfolger Salvinis an.

Die Unterstützer Salvinis innerhalb der Lega müssen jedoch auf das Ja-Wort Melonis bauen. Gegenüber der Wahlsiegerin gab sich Molinari kleinlaut: „Es ist keine Warnung an Giorgia Meloni, sondern eine selbstverständliche Bitte, da wir Verbündete sind und die Wahlen gemeinsam gewonnen haben. Wir sind die zweite Partei in der Koalition“, forderte erneut ein wichtiges Ministerium für Salvini ein.

Skepsis aus Russland

Bei kremlnahen Medien wurde der Triumph Melonis mit wenig Begeisterung aufgenommen. „Man kann von Giorgia Meloni und den Fratelli d’Italia keine ernsthafte Änderung der Politik gegenüber Russland erwarten. Es sollte nicht vergessen werden, dass die künftige Premierministerin wiederholt ihre Absicht bekundet hat, die Zusammenarbeit mit den USA und der NATO fortzusetzen. Aber auch ihre eigene Partei gehörte zu den Befürwortern der Einführung von antirussischen Sanktionen in der EU“, schreibt die „Komsomolskaja Prawda“ am Montag. Ähnlich sieht es die größte Moskauer Zeitung „Moskovskij Komsomolets“: „Während die ‘kleinen Partner’ der Rechtskoalition Berlusconi und Salvini erklärt haben, dass sie die Sanktionen gegen Russland wegen ihres Einflusses auf die italienische Wirtschaft überprüfen möchten, unterstützt Meloni entschieden die Verteidigung der Ukraine, mischt sich mit antirussischen Äußerungen ein und befürwortet Waffenlieferungen an Kiew.“

Dämpfer für Berlusconi

Nicht besser stehen die Chancen für Silvio Berlusconi, bald ein wichtiges Amt zu bekleiden. Der mit einem Wählerverlust von minus 5,9 Prozent bedachte Ex-Premier würde zwar gern Senatspräsident werden, doch sieht „La Repubblica“ dafür keine hohen Chancen. Das Amt sei körperlich anstrengend und daher für einen bald 86-jährigen nicht geeignet. Damit könnte es sowohl für den Lega- als auch für den Forza-Italia-Chef keine hohen Posten geben. Das Rampenlicht wäre Meloni damit sicher.

Die wahrscheinliche Ablehnung Berlusconis könnte auch bei ihm mit seiner Position gegenüber Putin zusammenhängen. „Er wollte nur die Regierung Selenskyj durch anständige Leute ersetzen“, zitiert „Il Messaggero“ den Parteichef der Forza Italia, der immer wieder Gespräche mit Putin fordert.

Die Annäherungsversuche an Putin gefielen nicht alle in seiner Partei. „Es gibt keine Möglichkeit einer Debatte mit der Russischen Föderation. Russland ist in die Ukraine eingedrungen, die Verurteilung ist eindeutig”, sagte Antonio Tajani von der Forza Italia. Für sein klares Bekenntnis zur Ukraine könnte er von Meloni mit dem Posten als Außenminister belohnt werden, wie die dpa berichtet.

(dp)

Titelbild: ALBERTO PIZZOLI / AFP / picturedesk.com

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  • DanielPilz

    Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.

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