Sonntag, September 8, 2024

Frau fällt auf Liebes-Schwindler rein – landet selbst vor Gericht

Betrogene Liebe:

Ein Fremder erschlich sich im Internet das Vertrauen einer Pensionistin. Sie wurde in Folge wegen schweren Betrugs angeklagt. ZackZack war beim Prozess dabei. 

Stefanie Marek

Wien, 07. Oktober 2022 | Er ist ein Freund, mit dem Frau S. gut reden kann. Ein Mann aus Norwegen, den sie über Instagram kennengelernt hat – John Miller sein Name. Ihren “Online-Freund”, nennt ihn die 61-Jährige. Ihr Verhältnis zu ihm sei Privatsache. Privatsache war es so lange, bis die Pensionistin deswegen vor dem Wiener Landesgericht für Strafsachen landete. Die Vorwürfe gegen sie: Betrug und sogar schwerer Betrug.

Dabei hatte sie John Miller nur helfen wollen. Zwei Handys um über 1.000 Euro hatte die Wienerin für ihn bestellt und an eine Adresse auf dem afrikanischen Kontinent geschickt – ohne die Handys zu bezahlen. Die Kosten habe Miller übernehmen wollen, erklärt S. Richter Roman Palmstingl. Auch zwei weitere Handys hatte sie bestellt, doch das Telekommunikations-Unternehmen stornierte diese wegen Betrugsverdachts.

10.000 Euro Schulden

Frau S. ging zur Polizei und machte eine Anzeige, als sie plötzlich hohe Rechnungen bekam, die sie nicht zuordnen konnte, wie sie vor Gericht aussagt. Dass sie einem Betrüger aufgesessen ist, will sie auch im Gerichtssaal nicht ganz glauben. Sie vertraut ihm nach wie vor wegen der zahlreichen Gespräche, sagt sie und streckt erklärend die Hände aus. Miller hat ihre Telefonnummer, ihre Adresse, ihre Bankdaten.

„Warum braucht John Miller Ihre Bankdaten?“, fragt Richter Palmstingl.

„Weil er mir Geld schuldig ist“, antwortet Frau S. „10.000 Euro.“

Kurze Stille. Dann versucht der Richter, Frau S. die unangenehme Wahrheit näherzubringen: „Sie sind nicht die Erste hier, die einem John Miller Geld schickt.“

Frau S. will sich nicht beirren lassen: „Ich glaube, dass ich das Geld trotzdem zurückbekomme.“

Richter liest die Love-Chats nach

„Geht es da um Liebe?“, fragt der Richter. “Hat er Ihnen gesagt, er kommt nach Österreich und wird mit Ihnen zusammen sein?”

Sie nickt. Sie schreibt immer noch mit ihm. Der Staatsanwalt bittet sie darum, ein paar der Nachrichten lesen zu dürfen, da sie diese entlasten könnten. Es könne ja sein, dass sie die Handys selbst verkauft hat und nur so tut, als sei das aus missbrauchtem Vertrauen passiert. Zuerst will sie nicht, doch dann holt Frau S. ihr Handy aus der Handtasche und geht zögerlich nach vorne zu Richter und Staatsanwalt. Sie sehen sich John Millers Profil und ein paar Nachrichten an und nicken.

„Er will jetzt noch immer Geld von Ihnen?“, fragt Palmstingl und schaut von dem Handy auf.

„Ja, 50 Euro.“

Der Staatsanwalt, der wegen der Durchsicht der Chats neben dem Richter steht, lehnt sich zu Frau S. vor und schaut sie eindringlich an: „Löschen Sie ihn! Blockieren Sie ihn, schreiben Sie ihm nicht mehr, schicken Sie ihm kein Geld mehr! Den gibt es nicht, der spielt Ihnen etwas vor!“ Und er setzt nach: „Der kommt in hunderten Verfahren vor. Wir kennen den. Er überzeugt nette Frauen wie Sie, solche Dinge für ihn zu tun und diese netten Frauen sitzen dann vor Gericht, während er sich über die iPhones freut.“

Irakische Generäle und Ärzte in Afghanistan

„Love Scam“ nennt man diese Art von Betrug. Die Opfer sind oft in Pension, häufig kürzlich verwitwet. Hinter Profilen wie John Miller verstecken sich Betrüger, die das Profil wechseln, sobald sie wissen, dass es die Behörden kennen. Mal geben sie sich als Arzt in Afghanistan, mal als General im Irak aus, die dringend Geld brauchen oder außer Landes schaffen müssen. Oft geht es in solchen Verfahren, in denen dann die Frauen angeklagt sind, um hunderttausende Euro. Auch an einen Mann, der wegen eines solchen Scams sein Haus verkauft hat, kann sich Palmstingl erinnern.

Frau S. ist jedenfalls unschuldig, meint der Staatsanwalt und zieht die Betrugs-Anklage zurück. Der Richter spricht sie frei. Frau S. kann gehen. „Schreiben Sie ihm nicht mehr!“, wiederholen Staatsanwalt und Richter. „Sagen Sie ihm nicht, was heute hier passiert ist.“ Frau S. sagt “ja”, nimmt ihre Handtasche und verlässt mit ihrem Handy den Saal.

Hilfe für Betroffene

Love-Scamming zielt auf Menschen ab, die sich stark nach Liebe und einem Partner sehnen. Dieses Bedürfnis wird von der neuen Internetliebe erfüllt. Betroffene sind nicht schuld. Aus so einer Situation auch emotional herauszukommen ist gar nicht so einfach, da Schmerz und Scham eine große Rolle spielen. Wichtig für Betroffene ist:

  • Kein weiteres Geld überweisen, auch keine Gutscheine.
  • Den Kontakt abbrechen und die Person blockieren.
  • Anzeige erstatten.
  • Vorsicht vor Folgebetrug, oft versuchen Betrüger es einige Zeit später erneut und geben sich als Verwandte der Betrüger, Opferanwälte oder ausländische Polizeibehörden aus.

Hilfe gibt es auch beim Bundeskriminalamt und auch bei der Schuldenberatung.

Titelbild: ZackZack/Christopher Glanzl

Autor

  • Stefanie Marek

    Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.

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