Die ÖVP in Tirol will zwar schwarz sein, aber ihre Kommunikation ist tief türkis. Das offizielle Pressebild der Volkspartei zu den laufenden Koalitionsverhandlungen strapaziert die Nerven des „Tirol-Experten“ auf ZackZack.
Der Tirol-Experte
Innsbruck, 13. Oktober 2022 | Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Das ist das Bild, das von ÖVP und SPÖ in Tirol zu den Koalitionsverhandlungen ausgeschickt wurde. Es ist das einzige Verhandlungsbild. Für alle Medien geht die Tür zum Büro des Landesrats Mattle zu, wenn in den letzten Wochen seine Verhandlungsgegenüber aller Landtagsfraktionen auftauchten.
Welcher witzige Dialog fällt euch zu diesem Bild ein? Seid kreativ! pic.twitter.com/PtiVMqhTZ5
— Rinaldo Mogyorosy (@RMogyorosy) October 8, 2022
Gespräche nur für genehme Medien
Die Tiroler ÖVP will zwar schwarz sein, aber ihre Kommunikation ist tief türkis. Wochenlang gab es vom Landeshauptmannkandidaten Mattle keine Interviews, nur Statements. Kenner und Kennerinnen der Tiroler Medienszene kennen das. Am Höhepunkt der von Ischgl in Tirol ausgehenden Corona-Krise durften ausländische Medien bei Pressekonferenzen selbst keine Fragen mehr stellen.
Und es war auch unter Landeshauptmann Platter üblich, neben nichtssagenden öffentlichen und für alle Medien zugänglichen Pressekonferenzen – für die der ÖVP wirklich wichtigen Themen geladene Hintergrundgespräche – ohne die als kritisch bekannten Medien im Landeshauptmannbüro durchzuführen, statt im extra für über eine Million Euro neu ausgestatteten Medienraum.
Woher rührt die Geheimnistuerei?
Mattles erstes Interview mit Fragen gab es dann in „Tirol heute“. Kritische Fragen an die ÖVP gibt es am Innsbrucker Rennweg nie. Aber was haben die zu verstecken, fragen sich die interessierte Leserin und der Leser? Warum die Geheimnistuerei, warum das Schneiden der Öffentlichkeit, warum die Angst vor kritischen Fragen?
Nun, die ÖVP hat einiges zu verstecken und das Verhandlungsbild, zwei in die Unterhaltung vertiefte Männer, flankiert von zwei zuhörenden Damen, erzählt viele Geschichten.
1. Die ÖVP wird jenen zweithöchsten Politiker des Landes, der eine Flussexpertin vor laufender Kamera und ohne Widerspruch der Grünen-Politikerin Ingrid Felipe als „widerwärtiges Luder“ bezeichnet hat, auch weiter in einer hohen Funktion halten.
Sollte der sexistisch agierende Josef Geisler nicht erster Stellvertreter des Landeshauptmanns bleiben, ist er als Präsident des Tiroler Landtags, als Hüter der demokratischen Spielregeln, im Gespräch. Ein guter Grund, zum Schein zwei Frauen neben die beiden Parteichefs zu setzen.
2. Das 50/50 in der Tiroler Landesregierung, für das sich ÖVP und Grüne lobten, kam nur dank zweier grüner Frauen in der Regierung zustande. Die ÖVP hatte vier Männer und zwei Frauen in der Regierung und auch dieses Mal wird es keine 50 Prozent ÖVP-Frauen in der Regierung geben. Ganz zu schweigen von der Partei selbst: Im neu gewählten Landtag sind drei von 14 ÖVP-Abgeordnete Frauen, das entspricht einem Frauenanteil von 21 Prozent. Ein guter Grund, zumindest am einzig vorhandenen Foto der Verhandlungen zum Schein Halbe-Halbe abzubilden.
3. Die neue Tiroler Landesregierung wird in den wesentlichen frauenpolitischen Fragen keinen Millimeter vorwärts kommen, weil die ÖVP das alles blockiert. Weder ist eine Quote im öffentlichen Dienst vorgesehen, obwohl mehr als vier von fünf Führungsfunktionen der Tiroler Landesverwaltung (83 Prozent) mit Männern besetzt sind. Noch wird die mittelalterliche Nicht-Zuständigkeit der mit hunderten Millionen öffentlicher Gelder gefütterten Tiroler Krankenhäuser für schwangere Frauen auf der Suche nach einem leistbaren und sicheren Schwangerschaftsabbruch, beendet werden.
Bei der von Mattle angekündigten Ausweitung der Kinderbetreuung, die vor allem eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen bieten soll, liegt der mächtige ÖVP-Gemeindeverband quer und wird eine Umsetzung am St.Nimmerleinstag erzwingen, die Mattle zwar als Landeshauptmann in sein Regierungsprogramm schreiben kann. Für die Umsetzung wird frühestens der nächste Landeshauptmann (wohl eher keine Landeshauptfrau) ein Bandl durchschneiden und ein paar Pädagogenhände schütteln. Frauenpolitik Fehlanzeige? Ein guter Grund, zum Schein zwei Frauen zu den beiden verhandelnden Männer dazuzusetzen.
4. Und jetzt kann man natürlich sagen: Sauerei, der Tirol-Insider von Zackzack macht da mit und nennt die beiden hochrangigen weiblichen Politikerinnen nicht, die da mit Mattle und SPÖ-Chef Dornauer an einem Tisch sitzen? Also nennen wir die beiden: Die eine ist Cornelia Hagele, Vizebürgemeisterin von Telfs, sie wird als Landesrätin gehandelt. Die andere ist Innsbrucks Bildungsstadträtin Elisabeth Mayr, ebenfalls mit großen Regierungsambitionen, weil ihre Innsbrucker Fraktion demnächst in Richtung ÖVP auseinanderbricht.
Namenlos lächeln
Aber die ÖVP selbst, die das Foto ausschickt, die nennt die beiden Frauen nicht: 468 Wörter hat die Aussendung zum Foto, doch die beiden Frauen dürfen nichts sagen. Cornelia Hagele und Elisabeth Mayr sitzen daneben und dürfen namenlos lächeln, während sich die beiden Männer vertrauensvoll unterhalten. Es ist die unfreiwillig komische Pointe dieser Posse, dass beim Versuch einer gleichberechtigten Darstellung zum Verschleiern der wahren Macht- und Politikverhältnisse zwischen Männern und Frauen in Tirol dann gerade so ein Bild herauskommt.
Mattles Ehefrau bäckt Kuchen für Journalisten und wartet bis spät abends, dass ihr Mann aus Innsbruck ins abgelegene Galtür heimkommt und ihr von seinem Tag erzählt, konnte man jüngst lesen. Und Georg Dornauer hat der SPÖ-Parteichefin ausrichten lassen, ihr Doppelname sei im Wahlkampf hinderlich.
Frauen gehen leider leer aus
Es ist kein Wunder, dass eine von diesen beiden Politikern geführte Koalition so ein Pressefoto produziert, ohne dass irgendjemand sagt: Hey, sollten wir vielleicht die beiden Frauen auch was sagen lassen? Schlimmer für die Tiroler Frauen ist aber, was sie sich von der neuen Landesregierung erwarten können: Nämlich nichts außer Blumen zum Muttertag.
Der Tirol-Experte ist ein Insider, der sich regelmäßig aus Tirol zu Wort meldet und die Landespolitik analysiert. Er bleibt anonym.
Titelbild: ZackZack/Christopher Glanzl, Montage