Corona:
Gesundheitsminister Johannes Rauch will mit einer Maskenpflicht noch abwarten, weil sich die Corona-Welle jüngst eingebremst hat. Doch Experten sehen das nicht so locker. Sie rechnen damit, dass die Zahlen wieder ansteigen werden. Auch die Lage in den Spitälern ist weiterhin angespannt.
Wien, 15. Oktober 2022 | Laut Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) befindet sich die Corona-Herbstwelle nach einem drastischen Anstieg in den vergangenen Wochen nun in einer „Seitwärtsbewegung“. Eine Maskenpflicht soll es daher vorerst nicht geben, weil keine Überlastung im System absehbar sei. Das Gesundheitsministerium will weiterhin auf Empfehlungen setzen und die weitere Entwicklung abwarten.
„Ich glaube, der gute Herr Rauch ist noch nicht lang genug dabei, der hat noch nicht mitbekommen, dass das Virus für Überraschungen gut ist.”
– Virologin Dorothee Von Laer
Doch Experten mahnen zu Vorsicht. Sie betonen, es sei maximal von einem vorläufigen Höhepunkt zu sprechen und verweisen auf das zuletzt milde Wetter, das dafür verantwortlich sein könnte, dass sich die Entwicklung eingebremst hat. Virologin Dorothee Von Laer von der MedUni Innsbruck geht mit der Entscheidung Rauchs hart ins Gericht: „Ich glaube, der gute Herr Rauch ist noch nicht lang genug dabei, der hat noch nicht mitbekommen, dass das Virus für Überraschungen gut ist.”
Keine Entwarnung in Spitälern
Von Laer verweist auch auf die Hospitalisierungen, die seit September stark gestiegen und nach wie vor auf einem hohen Niveau sind. Am Donnerstag lagen laut AGES 2.426 Corona-Infizierte auf österreichischen Normalstationen, immerhin um 37 weniger als am Tag davor, dem bisherigen Spitzentag. Auch auf den Intensivstationen hat sich zuletzt ein Rückgang abgezeichnet. Dort lagen am Donnerstag noch 125 Infizierte, fünf weniger als tags davor.
Der Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) sieht derzeit noch keine Trendwende in den Belegungszahlen, wie es auf Anfrage gegenüber ZackZack heißt. Das Büro von Wiener Gesundheitssprecher Peter Hacker (SPÖ) meldet, dass die Verteilung von Spitalspatienten mit oder wegen Corona aktuell etwa im Verhältnis von 50:50 liege.
Da sehen wir aber auch: Das Märchen, wonach 80% der COVID-SpitalspatientInnen lediglich „mit“ und nicht wegen COVID ins Spital kommen, sind Humbug. Es ist, wie @lungendoc dargestellt hat, etwa 50:50. Das deckt sich auch mit den aktuellsten Zahlen der GÖG. #CoronavirusAT #wien pic.twitter.com/QgWeNlueb1
— Mario Dujaković (@mariodujakovic) October 13, 2022
Während man dort nicht ausschließt, dass es zu einer Überlastung kommen könnte – und zwar vor allem auf Normalstationen, weniger in der Intensivpflege –, geht Simulationsforscher Peter Klimek nicht davon aus, dass eine Systemüberlastung bevorsteht. Aber: „Wir haben den Winter noch vor uns“, so der Experte. Er geht von einer hohen Dunkelziffer an Infizierten aus, weil mittlerweile deutlich weniger getestet wird als während vergangenen Wellen. Wegen dem Rückgang an Testungen beobachten er und seine Kollegen vor allem die Spitalszahlen, um Aussagen über den Pandemieverlauf zu treffen.
„Wir haben den Winter noch vor uns.“
– Simulationsforscher Peter Klimek
Stagnation auf hohem Niveau
Klimek bestätigt, dass die Entwicklung sich offensichtlich eingebremst hat, verweist aber auf das nach wie vor hohe Niveau an Positivtestungen: „Es ist unwahrscheinlich, dass sie nach dieser Welle schnell runtergehen und dann sehr niedrig bleiben.“
Norbert Kreuzinger vom Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement an der Technischen Universität in Wien, der auch in das Abwassermonitoring im Osten und Norden Österreichs involviert ist, stimmt dem zu. Es gebe zwar regional Unterschiede und in einigen Bereichen noch leichte Anstiege, aber insgesamt flache die Kurve ab.
Pflicht versus Eigenverantwortung
Von Laer plädiert dafür, österreichweit wieder eine Maskenpflicht für Innenräume einzuführen, die Maßnahme sei weniger belastend als andere. Die Zahlen stagnierten zwar derzeit, seien aber bisher immer bis weit in den November angestiegen, auch wenn es anfangs vielleicht besser ausgesehen habe. „Wir haben jeden Herbst herumgeeiert und gesagt, wir warten noch“, so von Laer zur Entscheidung Rauchs noch abzuwarten.
Simulationsforscher Peter Klimek von der Uni Wien sieht das anders. Ob es sinnvoll sei, Maske zu tragen, könne „man nach zwei Jahren eigentlich selber wissen“. Er ist dafür, Menschen mit Informationskampagnen über die Sinnhaftigkeit der Maske aufzuklären statt eine Pflicht zu verhängen: „Wir müssen das größere Problem angehen und das ist die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung.“
Nach wie vor BA.4 und BA.5 dominant
Das Abwasser in Österreich zeigt, dass nach wie vor die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 das Infektionsgeschehen dominieren, wie bereits während der Sommerwelle. Im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sieht man das als Vorteil gegenüber früherer Wellen, ebenso wie die mittlerweile verfügbaren auf diese Varianten angepassten Impfstoffe.
Es tauchen zwar immer wieder neue Varianten auf, aber diese setzen sich nicht durch, hat Kreuzinger beobachtet. Derzeit zeichnet sich laut dem Experten nicht ab, dass eine andere Variante BA.4 und BA.5 verdrängt. Zuletzt hatte BA.2.75 als mögliche Kandidatin gegolten, diese stagniert aber derzeit, wie aus aktuellen Sequenzierungen hervorgeht.
Ergebnis der SARS-CoV-2 Sequenzierungen für Österreich in KW40. Proben repräsentativ verteilt über die Bundesländer, Auswertung basierend auf Falldatum. Eine Zusammenarbeit des Instituts für Infektionsepidemiologie der #AGES @agesnews und @IMBA_Vienna/@oeaw. 1/2 pic.twitter.com/rB3LX0MZEE
— Ulrich Elling (@EllingUlrich) October 7, 2022
(pma)
Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl