ÖVP-Bürgermeister droht Innenminister
Die Pläne des Bundes, Zelte für Asylwerber und Geflüchtete aufbauen zu lassen, lösen Widerstand in Bundesländern und Gemeinden aus. Der Bürgermeister von St. Georgen im Attergau richtete am Samstag drohende Grüße aus: Man schrecke nicht davor zurück, aus Protest die A1 zu sperren.
St. Georgen im Attergau/Wien, 15. Oktober 2022 | Der Bürgermeister von St. Georgen im Attergau im Bezirk Vöcklabruck ist wütend, und seine 4.800-Einwohner-Gemeinde mit ihm. Grund sind die Pläne des Innenministeriums, Zelte für Asylwerber und Geflüchtete aufzubauen. Denn in St. Georgen im Attergau sollten am Samstag Zelte auf dem Grund des Bundes beim bestehenden Erstaufnahmezentrum aufgestellt werden.
Der Bürgermeister der Gemeinde, Ferdinand Aigner (ÖVP), will sich nun wehren, berichten die “Oberösterreichischen Nachrichten” sowie das Ö1-“Morgenjournal”. Im Erstaufnahmezentrum würden bereits 150 junge Männer leben, im ehemaligen Sanatorium Rupp habe man 70 Waisenkinder aus der Ukraine aufgenommen. Nun zusätzlich noch einmal zehn Zelte für bis zu hundert Menschen aufzustellen, das sei zu viel, so Aigner.
“Zur Not sperren wir die Autobahn”
Er habe sich mit allen Fraktionen in der Gemeinde und den Bürgermeistern der Nachbargemeinden Straß im Attergau und Berg im Attergau zusammengetan. “Wir werden uns wehren. Bis Montag schauen wir uns die Lage an, und dann wissen wir, wie. Zur Not sperren wir die Autobahn”, so Aichinger. Es müssten auch andere Gemeinden etwas beitragen, die Unterbringung in Zelten sei zudem “menschenrechtlich verwerflich”.
Menschenunwürdig
Auch die Grünen kritisieren die Zelte, allerdings aus einem anderen Grund. Es sei beschämend und menschenunwürdig, Flüchtlinge auf diese Weise unterzubringen. Die grüne Integrationssprecherin Ines Vukajlovic sprach von einer “Verteilungskrise” – nicht von einer Flüchtlingskrise. Die meisten Bundesländer seien beim Bereitstellen von Unterkünften säumig, darunter auch Oberösterreich.
Westösterreich: Nein zu Zelten
In Vorarlberg wird es zumindest vorerst keine Zelte zur Unterbringung von Asylwerbenden geben. Das teilte das Land am Freitagabend nach einem Gespräch von Landesrat Christian Gantner (ÖVP) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer Aussendung mit. Man prüfe derzeit intensiv Alternativen bis hin zu Containerlösungen. Auch Tirol will laut “Tiroler Tageszeitung” (Samstagsausgabe) keine Zelte, man werde Gebäude suchen und anbieten.
Aufbau im Gange
Zur Vorgeschichte: Der Bund drängt wegen der starken Zunahme von Flüchtlingen in den Bundesbetreuungseinrichtungen – mittlerweile sind es mehr als im Jahr 2015 – dringend darauf, dass die Länder verstärkt Asylwerbende und Vertriebene in ihre Grundversorgung aufnehmen und für entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten sorgen. Die Bundesbetreuungsagentur (BBU) hat wegen der Engpässe bei den Betreuungsplätzen angekündigt, wie schon 2015 wieder Asylwerber in Zelten unterzubringen. Der Aufbau auf Bundesgrundstücken in Kärnten, Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich ist am Samstag in vollem Gange. Gedacht sind die Zelte für mehrere hundert junge Männer ohne Bleibewahrscheinlichkeit. Frauen, Kinder und Familien kommen in feste Unterkünfte.
“Unverständlich”
Unverständlich, warum es in 🇦🇹 Zelte für Asylsuchende braucht.
Die Grundversorgungszahlen sind kaum gestiegen, aber die Bundesländer stellen zu wenig Unterkünfte bereit.
Bitte keine politischen Differenzen auf dem Rücken von Schutzsuchenden austragen.https://t.co/BlRXATodKA
— Christoph Pinter (@UNHCR_Pinter) October 14, 2022
Kritik an den Zelt-Plänen wurde auch von Seiten des UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR geäußert. Für Christoph Pinter von UNHCR Österreich sei es “unverständlich”, dass Zelte für Asylwerber gebraucht werden. “Die Grundversorgungszahlen sind kaum gestiegen, aber die Bundesländer stellen zu wenig Unterkünfte bereit”. Er nahm die Länder in die Pflicht.
Innenminister Karner muss von seinem Durchgriffsrecht Gebrauch machen. Er kann es nicht länger hinnehmen, dass sich die Länder, v.a. die ÖVP-geführten, weigern, bereits zugelassene Asylwerber:innen aufzunehmen und nun Zelte aufgestellt werden sollen, obwohl Quartiere leer stehen. https://t.co/xM95RRDidb
— Stephanie Krisper 🇪🇺🇺🇦 (@steffi_krisper) October 15, 2022
Auch Stefanie Krisper von den NEOS zeigte sich auf Twitter verärgert. Karner könne es “nicht länger hinnehmen, dass sich die Länder, v.a. die ÖVP-geführten, weigern, bereits zugelassene Asylwerber:innen aufzunehmen und nun Zelte aufgestellt werden sollen, obwohl Quartiere leer stehen”, schrieb sie am Samstag. Unverständnis kam auch von Lukas Gahleitner-Gertz, dem Sprecher der Asylkoordination Österreich: “Eines der reichsten Länder schafft es nicht, 20.000 Asylwerber:innen adäquat unterzubringen.”
Das muss man sich auf Zunge zergehen lassen:
🇦🇹, eines der reichsten Länder der Welt mit 9 Mio Einwohner:innen, schafft es nicht, 20.000 Asylwerber:innen adäquat unterzubringen und zu verteilen.
Lieber heult man Krise und stellt Zelte auf. #Asyl
Wir haben Lösungsvorschläge 👇 https://t.co/nEmAZepcQn
— Lukas Gahleitner-Gertz (@LukasGahleitner) October 13, 2022
(red/apa)
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