Samstag, Juli 27, 2024

Teil 16: Steuermann “Benko” – Thomas Schmid packt aus

Am Dienstag klopften Ermittler im Auftrag der WKStA an Türen in Innsbruck und Wien. Ex-BMF-Generalsekretär Thomas Schmid hat mit seinen Aussagen den Immobilien-Tycoon René Benko offensichtlich schwer belastet. Jetzt wird es eng für einen der wichtigsten Freunde von Sebastian Kurz.

Wien, 18. Oktober 2022 | Im November 2016 beginnt eine folgenreiche Freundschaft: Thomas Schmid lernt René Benko kennen. Schmid ist Generalsekretär im Finanzministerium und enger Vertrauter von Sebastian Kurz, der mit seinem „Projekt Ballhausplatz“ gerade die Übernahme der Macht im Kanzleramt vorbereitet.

Benko steht als Immobilienmilliardär und “Krone”-Hälfteeigentümer am Höhepunkt seiner Macht. Kurz und Schmid brauchen Hilfe auf dem Weg nach oben. Benko wiederum braucht Hilfe bei seinen Steuerproblemen.

Beginn einer Freundschaft

Den WKStA-Ermittlungen liegt, wie die Korruptionsermittler in einer Aussendung beschreiben, “einerseits der Verdacht der Bestechung gemäß § 307 Abs 1 und Abs 2 StGB bzw. Bestechlichkeit gemäß § 304 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie des Missbrauchs der Amtsgewalt in unterschiedlichen Beteiligungsformen gegen zwei Beschuldigte zugrunde.”

Demnach soll, heißt es weiter, “im Zeitraum 2016 bis 2018 ein österreichischer Unternehmer dem damaligen Generalsekretär des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) für die parteiische Unterstützung im Steuerprüfungsverfahren seines Konzerns einen Vorteil, nämlich eine gut bezahlte Führungsposition in diesem Konzern, angeboten haben, damit es zu keiner oder einer möglichst geringen Abgabenfestsetzung kommt.”

Der Unternehmer ist René Benko, der Generalsekretär Thomas Schmid. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Chats zwischen Benko und Schmid untermauern die Ausführungen der WKStA.

Rückblende: Am 21. November 2016 bedankt sich Benko per SMS bei seinem neuen Freund: „Hallo Thomas war ein super interessanter und kurzweiliger Abend letzte Woche – freu mich wenn wir uns bald mal Wiedersehen entweder in Wien oder auf eine Skitour in Lech Herzliche Grüße Rene Benko“.

Schmid antwortet zwanzig Minuten später: „Hi Rene, war super spannender Abend für mich! Deine Story ist wirklich spannend! Freue mich auf ein baldiges Wiedersehen. LG Thomas“.

In immer kürzeren Abständen chatten die beiden. Im Dezember beginnen die Treffen, meist bei Benko in seinem Büro am Wiener Fleischmarkt oder im Chalet in Lech am Arlberg.

Schmid als Benkos Generalbevollmächtigter?

Am 9. Dezember 2016 macht Benko offenbar den ersten Zug: „war super, dass wir uns gestern wieder gesehen haben – die rolle eines generalbevollmächtigten bei uns im konzern würde dir sicher gut liegen – wir könnten uns treffen: zwischen 2. und 8. Jänner in lech // 9.1. nachmittag in Wien detto 19.1. // zwischen 16.1. und 3.2. in Lech // dann ginge noch der freitag oder sonntag beim hahnenkammwochenende.“

Kommt zur Freundschaft bald das Geschäft? Die WKStA wirft Benko offensichtlich genau wegen dieses Angebots an Schmid das Delikt der Bestechung vor.

Als Thomas Schmid Benkos Angebot erhielt, war seine Karriere im Finanzministerium mit dem Generalsekretär an der Decke einer Beamtenlaufbahn angelangt. Von hier aus wäre es nur woanders weitergegangen.

Schmid hatte zwei Möglichkeiten: einen Managerposten in einem der großen Unternehmen, in dem das Finanzministerium die Republik als Eigentümer vertritt; oder ein Posten in der Privatwirtschaft.

Beamtengehälter sind durch Gesetze beschränkt. In den Unternehmen der Republik verdient man ein Vielfaches. Aber das große Geld verdient man dort, wo Milliardäre wie Benko Posten verteilen.

„Unterwegs in Finanzamt“

Fünf Tage später ist es in Innsbruck soweit. Der Hauptsitz von Benkos Signa GmbH liegt gemeinsam mit seinen Steuerproblemen in Innsbruck.

Roland Macho war 2016 Regionalverantwortlicher der Großbetriebsprüfung im Finanzministerium, 2017 wurde er deren Fachvorstand. Im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss erinnert er sich: „Die Sache war ein Liegenschaftsprojekt, und erinnerlich, glaube ich, so 40 Millionen Euro plus/minus Berechnungsgrundlage, als Steuer 10 Millionen Euro plus/minus. Die “Sache” ist Benkos „Golden Quarter“ in der Tuchlauben in der Wiener City.

Die WKStA beschreibt im Detail, wie die Signa Holding Im September 2007 die Liegenschaft um 141 Millionen Euro an Benkos SICAR in Luxemburg verkaufte. Zwei Wochen später verkaufte SICAR dieselbe Liegenschaft um 195 Millionen Euro an eine weitere Gesellschaft, an der wieder Signa beteiligt war. Die Differenz von mehr als 53 Millionen Euro wurde in zwei Tranchen an die Laura Privatstiftung ausgeschüttet. Hinter „Laura“ findet man wieder Benko. Die WKStA spricht von einem „unterpreisigen Verkauf“ und einer „verdeckten Gewinnausschüttung“ an René Benko und verweist auf den möglichen Verdacht der Steuerhinterziehung.

Als Schmid mit den Vorbereitungen beginnt, meldet er sich am 14. Dezember 2016 bei Benko: „Hi René, beste Grüße aus Innsbruck. Bin gerade unterwegs in Finanzamt die Mitarbeiterergebnisse abchecken und am späteren Nachmittag treffe ich den Landeshauptmann.“ Der Tiroler Schmid berichtet dem Tiroler Benko über die klare Botschaft, die er Günther Platter übermitteln will: „Möchte mit ihm reden wie wir Tiroler Interessen besser in Wien durchsetzen können!“

Der Generalsekretär will Nägel mit Köpfen machen: „Treffen zwischen 16.1. und 3.2. wäre genial vor allem weil wir dann konzentriert wirklich ein paar Stunden alles durchbesprechen können.“

Termin mit Edi Müller

Am 19. Jänner 2017 meldet sich Benko bei Schmid: „bin schon in kitz – freu mich wenn wir uns sehen.“

Schmid macht sich reisebereit. Am 23. Jänner 2017 ist es soweit: „Lieber René, Maschine und Hotel gebucht für den 31.1. in Innsbruck. Freue mich sehr auf ein Gespräch mit dir in Ruhe. Danke Dir! LG Thomas“

Im Mai 2017 wird es ernst. Schmid und Benko treffen sich am späten Abend des 23. Mai. Einen Tag später bedankt sich Schmid bei Benko: „War gutes Gespräch. Danke für deine Zeit. Schick mir bitte deine Verfügbarkeiten für Termin mit Edi Müller.“

Eduard Müller hat sich in mehr als dreißig Dienstjahren vom Steuerprüfer in Oberwart zum Gruppenleiter im Finanzministerium hochgearbeitet. Nach zwei Jahren bei einem Verlag holt ihn Finanzminister Hans Jörg Schelling 2015 als Leiter der Präsidialsektion und als stellvertretenden Generalsekretär ins Ministerium zurück. Minister Schelling scheint ebenso wie Generalsekretär Schmid zu wissen, wie man „Edi“ am besten nützt.

Benko will Edi Müller jedenfalls schnell treffen. Er schickt seine Vorschläge am 29. Mai an Thomas Schmid: „termine edi müller heute abend drink 21.00 // mittwoch 31.5. zw 9:00 und 15:00 // 12. oder 13. juni jeweils frühstück oder lunch bzw vormittags bzw 21 lunch“. Schmid antwortet fünf Minuten später: „Checke ich gleich mit ihm! LG t“ Kurz darauf kommt der Vorschlag von Schmid: „Mittwoch um 14:00 ok? Ginge bei beiden sehr gut.“

Benko schlägt den Ort für das Treffen vor: „14:00 in der nähe von meinem büro oder gleich im büro?“ Schmid antwortet für Müller und ihn selbst: „Im Büro“.

„Gutes Treffen“

Das Treffen verläuft offenbar nach Wunsch. Jetzt geht es um die Details. Dazu braucht Benko einen Termin seines Steuerberaters mit Präsidialchef Müller. Benko fragt Schmid: „kannst du mir die E-Mail-Adresse von unseren gestrigen Termin schicken damit mein steuerberater entsprechend kontakt aufnehmen kann?“ Schmid kann: „Eduard.mueller@bmf.gv.at“.

Am 3. Juli meldet Schmid in einer Nachricht an Benko Fortschritte: „Deine und unsere Leute hatten heute gutes treffen!“ Die gemeinsame Aktion von Finanzministerium und Benko-Steuermännern hat begonnen.

„Flieger geklärt“

Am 26. Juli sitzt Schmid mit seinen Leuten beim Telefon und wartet: „Lieber René, wir sitzen am Telefon“. Drei Stunden später ist Schmid mit dem Gespräch zufrieden: „War gutes Gespräch – läuft in die richtige Richtung!“

Am 18. August meldet Schmid große Fortschritte: „Gut dass Flieger geklärt ist! Jetzt müssen wir noch den Rest hinbringen. 28. august Abend habe ich mir eingetragen und werde in wien sein. LG Thomas“.

Um welchen „Flieger“ handelt es sich? Laut Medienberichten besitzt Benko eine Bombardier Global Express 7000, die er von Laudamotion betreuen lässt. 17 Passagiere können mit einer Reisegeschwindigkeit von 955 km/h 13.000 km weit befördert werden. Pro Stunde kommen die Betriebskosten auf 7.400 Euro. Bombardier bietet den Jet um 70 Millionen Euro an.

Aber was wurde beim „Flieger“ geklärt? Und was ist der „Rest“, der noch „hingebracht“ werden soll? Der „Flieger“ ist offensichtlich Gegenstand eines Steuerverfahrens, in dem geklärt wird, wie weit Benko seinen Privatjet steuerlich absetzen kann. Roland Macho erklärt als Leiter der Großbetriebsprüfung im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss: „Ich glaube, es gibt in einer anderen Prüfung als dieser Signa-Prüfung ein Thema mit Flieger, weil es bei diesem Personenkreis meistens Flieger gibt. Und Flieger sind immer ein Thema über die Privatnutzung.“

„Alles fix machen“

Am 28. September 2017 meldet sich Schmid wieder bei Benko: „Lieber René, Edi und ich rufen dich am kommenden Montag um 9.00 an. Lg Thomas“. Am Montag, den 2. Oktober, bitte Schmid seinen Freund Benko um etwas Geduld: „Verspäten uns zehn Minuten.“ Das Telefonat zu dritt macht ein sofortiges Treffen zwischen Benko und Schmid nötig. Schmid schreibt Benko um 17.35 Uhr: „Hi René, bin gleich bei dir! LG Thomas“.

Kurz vor sieben Uhr in der Früh will Benko am 18. Oktober 2017 Ergebnisse und wendet sich dazu an Schmid: „bin von 30.10. bis 5.11. durchgehend in wien. Da sollten wir gemeinsam alles fix machen.“ Schmid ist dabei: „Ja klar! Sag mir wann und ich bin bei dir! Wir sind schon fleißig am vorbereiten. Gib mir noch stand in deiner Sache bitte!“ Benko schickt Schmid den „Stand“ in einem Mail. Schmid ist bereit: „Hi René, habe deine Mail bekommen und kümmere mich darum.“

Am 4. November ist die „Steuersache“ bereits in der Zielgeraden. Schmid meldet Benko: „Lieber René, nächste Woche Mittwoch rede ich wieder mit Edi wegen der Sache.“

„Bei uns im BMF“

Am 7. November wird ein letztes Treffen im Finanzministerium vereinbart: „René – also morgen Mittwoch um 17.00. Bei uns im BMF.“ Benko ist zufrieden: „Super“.

Aufgrund dieser Sachverhalte scheint für die WKStA der Verdacht auf Bestechung und Bestechlichkeit ausreichend begründet. Die Überprüfung durch einen unabhängigen Richter kam zum selben Ergebnis: Die Hausdurchsuchungen wurden genehmigt.

Weder Signa, noch Eduard Müller wollten auf ZackZack-Nachfrage eine Stellungnahme abgeben. Schmids neuer Anwalt Roland Kier betont, er unterliege in dieser Angelegenheit einer „gänzlichen Verschwiegenheitspflicht“ und dürfe daher keine Fragen dazu beantworten.

(pp/bf/wb)

Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

 

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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