Samstag, Juli 27, 2024

Munition gegen Schmid?

Ein „Vogerl“ erzählte mir gestern eine unglaubliche Geschichte: Thomas Schmid, der potentielle Kronzeuge der WKStA, solle nächste Woche zum Lügner gestempelt und so fertig gemacht werden.

 

Klagenfurt, 30. Oktober 2022   Das Fenster steht weit offen. Die Sonne scheint auf den Schreibtisch. Plötzlich sitzt ein Vogerl vor mir, legt seinen kleinen türkisen Kopf auf die Seite und beginnt zu zwitschern.

Das Schöne an manchen Vogerln ist, dass man sie so gut versteht. Aber man muss auch wissen, dass vielleicht nicht alles stimmt, was gezwitschert wird. Daher gebe ich das, was jetzt folgt, mit der nötigen Distanz zwischen Journalist und Vogerl wider.

Also, das Vogerl erzählt: „Im Finanzministerium wird gerade Munition gegen Schmid gesammelt.“ Gegen Schmid? „Ja, gegen Thomas Schmid. Die ÖVP hält Schmid für einen Verräter und will, dass alle glauben, dass er ein Lügner ist.“ Aber wozu, frage ich? „Das ist doch klar. Wer Schmid für einen Lügner hält, ist eher bereit, Nehammer, Mikl-Leitner und Sobotka zu glauben. Und: Ein Lügner kann nicht Kronzeuge sein.“

Zwei Stellungnahmen

Aber wie wollen die das machen? „Im Finanzministerium wurde letzte Woche an zwei Stellungnahmen für den Minister gearbeitet. Die eine soll Schmids Vorwürfe gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka widerlegen, die andere die gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Dazu ist in der Sektion „Finanzverwaltung“ eine informelle Arbeitsgruppe aus verlässlichen Beamten eingesetzt worden, die Schmids Vorwürfe gegen die beiden widerlegen soll.“

Eine „informelle Arbeitsgruppe“? Was soll denn das sein? Das Vogerl nennt ein paar Namen und zwitschert: „Das Kabinett sammelt alles, was für die ÖVP und gegen Schmid gebraucht werden kann. Die Beamten stellen alles zusammen. Das wird die ÖVP-Munition für die nächste Woche.“

Aber das geht doch nicht, wende ich ein. Da laufen ja bereits Ermittlungen der WKStA, und das ÖVP-Kabinett im Finanzministerium kann ja nicht einfach so, ohne Verfahren, Informationen beschaffen. Belustigt piepst das Vogerl: „Warum soll das plötzlich nicht mehr gehen? Die haben einen klaren Plan, und nach dem gehen sie jetzt vor: Am Dienstag soll der „Kurier“ enthüllen, dass die Vorwürfe gegen Sobotka und Wöginger durch das Finanzministerium widerlegt sind. Am Mittwoch soll „Schmid lügt“ das Hauptthema der Sondersitzung im Nationalrat sein. Und am Donnerstag im U-Ausschuss soll dann die Auskunftsperson „Schmid“ als Lügner vorgeführt werden. Wenn das durchgeht, ist er als Kronzeuge erledigt.“

Der nächste Leak?

Ich frage mich: Ist das glaubwürdig? ÖVP-Kabinette, die sich für die Partei und gegen den Rechtsstaat ins Zeug legen? Ja, das ist längst Parteibrauch. Gefälligkeits-Stellungnahmen für Parteifreunde? Ja, da gab es den Fall „Holzer“, wo der Direktor des Bundeskriminalamts im Dezember 2019 hinter dem Rücken der WKStA einen „Sachstandsbericht“ für seinen Minister erstellte. Der vor Unrichtigkeiten strotzende Bericht war einer der letzten Versuche, die WKStA zu diskreditieren. Das Exemplar, das geleakt wurde, stammte aus dem ÖVP-Klub im Parlament.

Der 1. November wäre perfekt zum Leaken. Zu Allerheiligen steht die Politik still, und außer den geleakten Stellungnahmen gäbe es nicht viele Geschichten. Aber der „Kurier“ eine Plattform für ÖVP-Propaganda? Der Leuchtturm des unabhängigen Journalismus Teil einer ÖVP-Intrige gegen einen potentiellen Kronzeugen der Strafjustiz?

Wenn man dem „Kurier“ zwei „interne Stellungnahmen“ aus dem Finanzministerium zuspielte – es ist doch klar, was dann passieren würde. Die Chefredakteurin röche sofort die Lunte, ließe bei der WKStA nachfragen, ob die Strafjustiz informiert sei – und würde dann allen Beteiligten klar machen, dass sich der „Kurier“ nicht vor den Karren einer Partei spannen lässt.

So sage ich das dem Vogerl, das mich etwas ratlos ansieht und dann einfach davonfliegt. Nächste Woche werden wir sehen, dass nichts von dem, was das Vogerl gezwitschert hat, eintrifft.

Ich bin gespannt, ob es sich dann noch einmal auf meinen Schreibtisch traut.

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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