Ungemütliche Wochen für René Benko: Deutschlands Finanzaufsicht BaFin prüft Signa-Geschäfte, Medien durchleuchten Benkos Firmenimperium. Dabei geht es auch um „hypothetische“ Äußerungen von Signa-Beirat Alfred Gusenbauer. Ein Netzwerk in Alarmbereitschaft.
Benjamin Weiser
Wien/Berlin, 31. Oktober 2022 | Knapp zwei Wochen ist es her, als das Firmenimperium von René Benko eine heftige Erschütterung erlitt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ließ Signa-Büros in Wien und Innsbruck durchsuchen (Hier geht’s zum Download der Razzia-Anordnung). Verdacht: Bestechung in der „Steuersache René BENKO“, wie die heikle Causa in einem neuen Amtsvermerk bezeichnet wird. Auf 201 Seiten bekommt man einen Eindruck darüber, wie weit die Ermittlungen schon gediehen sein dürften. Benko wies bislang immer alle Vorwürfe zurück, es gilt die Unschuldsvermutung.
BaFin prüft, FMA sagt nichts
Doch seit den Razzien ist einiges in Bewegung geraten. Wie unter anderem das Magazin „Der Spiegel“ berichtete, nimmt jetzt auch die deutsche Finanzaufsicht (BaFin) die Geschäfte des umstrittenen Investors ins Visier. Im Zentrum stehe dabei etwa das Megaprojekt Hamburger Elbtower. Der Turm soll mit 245 Metern Deutschlands höchstes „Wahrzeichen“ werden. Bei der BaFin interessiert man sich wohl eher weniger für die Höhe des Elbtowers, sondern vor allem dafür, „wie hoch das Risiko an Kreditausfällen“ bei etwaigen Signa-Geschäften sein könnte, so das Magazin.
Offenbar sollen auch die Europäische Zentralbank (EZB) und die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) prüfen und dem „Spiegel“ zufolge „auf die Verbindungen der von ihnen beaufsichtigen Banken zu Benko“ schauen. Die FMA will dies nicht bestätigen und verweist auf ZackZack-Anfrage auf die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit.
Geschäftspartner warnt
Wie auch immer: Was man im „Spiegel“ zu lesen bekommt, zeigt den Ernst der Lage für Benko. So heißt es weiter: „Sollte der Milliardär am Ende verurteilt werden, hätte das womöglich drastische Folgen für sein Konglomerat. Nur er halte sein verschlungenes Firmenreich zusammen, warnt ein Geschäftspartner.“
Signa hat bislang nicht auf eine ZackZack-Anfrage geantwortet. Dem „Spiegel“ ließ man dagegen wissen, dass die BaFin verpflichtet sei, routinemäßig zu großen Geschäftspartnern von Banken und Versicherungen Informationen einzuholen. Zu diesem Kreis gehöre eben auch Signa. Es gebe „aktuell keinerlei außerplanmäßige oder zusätzliche Aktivitäten“ der Behörde, soll das Unternehmen mitgeteilt haben. Also alles gut? Blick in den hohen Norden.
Tower-Probleme und Staatshilfe-Gesuch
Der Elbtower in Hamburg gilt als Prestigeprojekt von Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Die Menschen sollen sagen: Das hat Olaf Scholz gut gemacht“, wurde der damalige Stadtchef im Jahr 2017 zitiert.
Jahre später beginnt selbst Scholz‘ eigene Partei zu zweifeln. So wittert der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Hamburger Stadtparlament, Mathias Petersen (SPD), aufgrund der jüngsten Entwicklungen rund um Benkos Signa „große Risiken für die Stadt“. Bereits im April zwang ein Antrag der Oppositionsparteien Die Linke und CDU die Hamburger Regierung von Peter Tschentscher (SPD), Akten zum Projekt offenzulegen. Klar ist: Die Ermittlungen in Österreich schlugen in Deutschland ziemlich ein.
Immerhin muss in Berlin bald entschieden werden, ob Benkos Galeria Karstadt Kaufhof, die der Signa-Holding gehört, ganze 238 Millionen Euro Staatshilfen ausgezahlt bekommt. Erst im Jänner gab es von „Vater Staat“ 260 Millionen, im Jahr zuvor hatte man mit 460 Millionen nachgeholfen. Doch der Widerstand scheint breiter als zuvor, auch „Investoren beginnen zu zweifeln“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt.
Da kommen die Elbtower-News denkbar ungelegen. Die landeseigene Hafencity Hamburg GmbH, der Scholz damals vorsaß, billigte „am 5. Februar 2018 einstimmig den Kaufvertrag mit der Benko-Gruppe“ – und zwar „unter Beteiligung von Scholz selbst“, wie die Hamburgische Landesregierung (Senat) gegenüber der deutschen Zeitung „Die Welt“ nun bestätigt hat.
Gusenbauers „hypothetische“ Äußerungen
Folgt man dem Bericht, bleibt nach etwaigen Recherchen unklar, ob Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer eine Rolle gespielt haben könnte. Der firmiert bei Signa als Konzernberater und pflegt ein gutes Einvernehmen mit mächtigen Politikern. Gusenbauer hat sich nach seiner kurzen Kanzler-Episode am Ballhausplatz (Jänner 2007 bis Dezember 2008) als umtriebiger Geschäftsmann verdingt. Hochrangige Kontakte dürften in diesem Zusammenhang nicht schaden.
Ein „Trend“-Interview vom Juli 2021 liefert zumindest ein Indiz in diese Richtung. Dort wurde Gusenbauer zum Einfluss seines früheren Politiker-Lebens auf Bau- und Immo-Geschäfte befragt – und wie folgt zitiert: „Dann kann es schon sein, dass dich der Bürgermeister einer deutschen Großstadt anruft“, so Gusenbauer. Der deutsche Bürgermeister würde sodann fragen: „Ihr seid der Bestbieter bei diesem oder jenem Projekt, du garantierst mir aber schon, dass das nicht eine Ruine wird, die ewig mit meinem Namen verbunden sein wird!“
Hat Gusenbauer damit etwa das Elbtower-Projekt gemeint? Während das rote Berliner Kanzleramt laut „Die Welt“ auf eine entsprechende Anfrage nicht wirklich antworten wollte, ließ Gusenbauer mitteilen, seine Äußerungen im „Trend“-Interview seien lediglich „genereller und hypothetischer Natur“. Sie hätten überdies nichts mit Scholz zu tun gehabt.
Ein Imperium im Schwebezustand
Bemerkenswert an all den Berichten aus Deutschland ist, wie sehr die deutschen Sozialdemokraten wegen Benko in Bedrängnis geraten – galt der Immo-Tycoon doch hierzulande vor allem als Vertrauter des Ex-ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz. Sein Netzwerk ist aber farbenfroher als oft dargestellt. Ein Beispiel ist auch der NEOS-affine Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner, der an der Signa-Gruppe beteiligt ist.
Fest steht: Wo Benko ist, sind Macht, Einfluss, Glamour. Und auch ab und zu eine „helfende Hand“. So war es bisher. Ob das so bleibt, hängt wohl auch vom Ergebnis der Ermittlungen ab.
Titelbild: Karl Schöndorfer / picturedesk.com