Samstag, April 27, 2024

Chorherrs schlechte Gesellschaft – Kommentar

Kommentar

Mit Christoph Chorherr steht erstmals ein führender Grüner vor Gericht. Aber ohne Grüne wäre für Chorherrs Mitangeklagte nichts gegangen. Mit den „Investoren“ Tojner und Benko hat ein grüner Weg begonnen, der in eine Regierung mit Kurz und ins Wiener Landesgericht geführt hat. Peter Pilz kommentiert aus dem Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts.

Peter Pilz

Wien, 8. November 2022 | Jeder sieht Christoph Chorherr, wie er als Angeklagter neben den „Investoren“ René Benko und Michael Tojner im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts sitzt. Aber niemand sieht die Wiener Grünen. Sie sind die stillen Abwesenden im ersten großen Korruptionsprozess gegen einen ihrer wichtigsten Politiker.

1991 wollten die Wiener Grünen, dass ich nach fünf Jahren im Nationalrat ihr Spitzenkandidat bei der Wahl zum Wiener Gemeinderat werde. Ich stellte eine einzige Bedingung: Christoph Chorherr sollte einen sicheren Listenplatz bekommen. Ein überzeugter „bürgerlicher“ Ökologe sollte ins Stadtparlament. Nach langem Widerstand hat der linke Flügel der Grünen damals nachgegeben.

Chorherr hat für autofreies Wohnen, für eine Energiewende in der Stadt und für mehr Rad und weniger Auto gekämpft. Dann wollte er mehr. So geriet er an Michael Tojner, den Wohlmeinende immer noch nur als „Investor“ bezeichnen.

Tojner wollte am Wiener Heumarkt bauen, möglichst hoch und möglichst profitabel. Chorherr stand hinter ihm. Gabi Moser und ich begannen, die Tojner-Spuren in Akten und Dokumenten zu verfolgen. Schon damals fanden wir überraschend viel. Das wollte wir den Wiener Grünen zeigen, weil wir darauf vertrauten, dass unsere Partei nach wie vor auf unserer Seite stünde.

Maulkorb für Abgeordnete

Die grüne Landeskonferenz trat in der Parteizentrale im 7. Bezirk zusammen. Mit mehreren Ordnern voller Beweise war für Gabi und mich alles klar. Gleich zu Beginn wurde mir im brechend vollen Sitzungssaal mitgeteilt, dass ich nur fünf Minuten zur Schilderung des Falles bekäme. Ich solle mich kurz halten. An der Diskussion dürften weder Gabi noch ich teilnehmen.

Nach wenigen Minuten war klar, dass mit Ausnahme einer EU-Abgeordneten und eines Gemeinderats niemand wissen wollte, was wir über mögliche Korruption rund um den Heumarkt herausgefunden hatten. Die Wiener Grünen standen geschlossen hinter Chorherr und Tojner. Damals wusste ich nicht, warum.

Die Landeskonferenz war der Beginn des Bruchs. Später am Bundeskongress in Linz, bei dem schon 2017 verdeckt die Weichen für einen Deal mit der ÖVP gestellt wurden, wurde unsere Trennung besiegelt. Mit Gabi Moser, Wolfgang Zinggl, Bruno Rossmann und mir waren die letzten personellen Hindernisse aus dem Weg geräumt. Zwei Jahre später war es soweit.

Die politische Korrumpierung der Grünen hat in Wien mit Chorherr begonnen. Dass heute Benko und Tojner mit ihm die Anklagebank teilen, ist kein Zufall. Hier hat zusammengefunden, was schon seit Jahren offensichtlich zusammengehört.

Die schlechte Gesellschaft

Chorherr und die Grünen sind nicht in schlechte Gesellschaft geraten. Sie sind zumindest politisch Teil der schlechten Gesellschaft. Aber auch das ist nicht so einfach, wie das Beispiel der Wiener Mariahilferstraße zeigt. Dort hat Maria Vassilakou eines der Projekte geschaffen, das Bestand haben wird. Michael Häupl hielt sich damals als Bürgermeister bei der Volksbefragung taktisch heraus. Tojner unterstützte die Grünen, wohl auch, weil ihm genau dort zentrale Immobilien gehören. Auch wenn Geld von Tojner geflossen sein sollte, ist damit ein wertvolles Projekt ermöglicht worden.

So widersprüchlich scheint der gesamte Fall „Chorherr“ – mit Ausnahme einer Frage: Hat der grüne Gemeinderat sein Amt missbraucht und hat er sich bestechen lassen? Das klärt jetzt die Strafjustiz. Sie wird zu ihrem Urteil kommen.

Sein Anwalt ersucht um eine Diversion. Doch die ist nur möglich, wenn Chorherr gesteht, dass er sich zumindest durch Anfütterung strafbar gemacht hätte. Aber auch hier drohen nach § 306 StGB bis zu fünf Jahre Haft.

Bei den Grünen hat der Prozess der politischen Aufarbeitung noch nicht begonnen. Chorherr ist inzwischen weggelegt worden, wie man das von Parteien a la ÖVP gelernt hat.

Beim Prozess ist jetzt Pause.

Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl

Peter Pilz
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Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.
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9 Kommentare

  1. Hatte leider nicht aktualisiert, deshalb darf ich nochmals dieses Posting im anderen Beitrag auch hier noch einkopieren:

    Dealer
    8. 11. 2022 16:04
    Antworte auf Danilo

    Vielleicht war Herrn Pilz auch schon einmal in Afrika bei diesen gespendeten Schulen?
    Da gab es doch ganz bestimmt ein großes Einweihungsfest?
    Vielleicht könnte er dann auch ganz grob schätzen, was dort der Investitionswert war und kennt vielleicht Jemanden der dort war? (Vielleicht weiß es auch die Finanz, wenn das alles ordentlich versteuert wurde? – Oder müssen solche Spenden vielleicht gar nicht versteuert werden? – Oder nur vom berühmten BIA im Finanzministerium abgesegne werden?)
    Die Spende nur von diesen Herrn soll ja schon EURO 4,3 Mio betragen haben, aber da soll es ja noch zahlreiche weitere uneinnützige Spender gegeben haben, aber eben viel kleineren Beträgen. Aber da kommt vielleicht auch etwas zusammen und wer weiß, vielleicht kam der Betrag sogar über die EURO 5 Mille zu stande?

    • Wäre ja gelacht, wenn man nicht für den berühmten guten Zwecke solche Beträge zusammenbringt?
      Bei Licht ins Dunkel müssen diese armen Sportler nun Tag und Nacht mit dem Fahrrad fahren, da könnte sich aber der Herrn Chorherr doch einiges abschauen?

  2. Lieber PP, noch leben einige, die sich noch gut an den Kampf zwischen “Ökos” und “Linksgrünen in Wien erinnern. Schani gegen Chorherr, das war “Brutalität”

  3. Grün waren an vassilakou immerhin kleider und lidschatten.
    je mehr ich über die 10 jahre smartwohnungen las, umso suspekter wurde mir der chorher.
    lieber pp, bei den bürgerlichen grünen dürften sie ein schlechtes händchen haben, siehe vdb u chorherr.

  4. Der ehrenwerte Herr Benko und auch die anderen Angeklagten würden nie und nimmer jemanden bestechen. Die sind alle supersauber. Bei denen läuft die Waschmaschine schon seit Jahren täglich – da gibt´s keine Patzer.

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