Eklat:
August Wöginger findet, zentrale Abkommen über die Menschenrechte gehörten überarbeitet. Sein Fokus: das Asylrecht. Beifall kommt von der FPÖ, Schelte von den Grünen.
Wien, 14. November 2022 | ÖVP-Parlamentsklub-Obmann August Wöginger meinte im „Standard“-Interview , die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und das europäische Asylrecht gehörten überarbeitet. Konkrete Vorschläge brachte er dabei nicht vor. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Debatte über die Unterbringung Geflüchteter in den Bundesländern sieht Wöginger das Problem bei der EU. Von der Caritas, dem Koalitionspartner und der SPÖ kommt scharfe Kritik. Der FPÖ geht die ÖVP nicht weit genug.
„Andere Situation“
Seine Forderung argumentierte Wöginger damit, dass die Situation heutzutage eine andere sei als zu jener Zeit, „als diese Gesetze geschrieben wurden“. Die EMRK wurde 1950 beschlossen, Österreich trat 1958 bei und hob sie 1964 rückwirkend in Verfassungsrang.
Allerdings: In der EMRK finden sich keine expliziten Normen zum Umgang mit Geflüchteten. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lassen sich aber welche ableiten, etwa was Familienzusammenführungen betrifft.
Flüchtlingskonvention unter Druck
Die Asylpolitik der EU stützt sich außerdem stark auf die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. In dieser ist definiert, wer schutzberechtigt ist und welche Rechte und Pflichten Geflüchtete im Gastland haben. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR schreibt auf seiner Website, die Konvention würde aufgrund der globalen Migrationsbewegungen immer öfter in Frage gestellt. Die Organisation stellt fest: „Solange Menschen verfolgt werden, kann auf die Genfer Flüchtlingskonvention nicht verzichtet werden.“
„Zuwanderung ist nicht gleich Zuwanderung“
Angesprochen auf die Äußerung von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), Österreich brauche die Zuwanderung für den Arbeitsmarkt – etwa für die Pflege, sagte Wöginger: „Zuwanderung ist nicht gleich Zuwanderung.“ Österreich brauche vielmehr qualifizierte Zuwanderung, aber man werde nicht jeden Asylwerber in die Pflege bringen können, meinte er.
„Sieben Jahre verschlafen“
Auf die Frage, wieso man aus dem Jahr 2015 nichts gelernt und jetzt wieder ein Problem bei der Verteilung Geflüchteter auf die Bundesländer habe, verwies Wöginger lieber auf die hohen Zuwanderungszahlen. Es sei herausfordernd, „diese Menschen, die ein Recht auf Asyl haben, auf ganz Österreich“ zu verteilen.
Das Problem sieht er vielmehr bei der EU. Diese habe „sieben Jahre lang verschlafen, tragfähige Lösungen“ zum EU-Außengrenzschutz zu präsentieren.
Scharfe Kritik von allen Seiten
Caritas-Präsident Michael Landau richtete Wöginger via Twitter aus: “Das Rütteln an Grund- und Menschenrechten halte ich für inakzeptabel.” Die Menschenrechte seien unteilbar und unverhandelbar, ein solcher Vorstoß müsse “scharf zurückgewiesen werden”.
"Wöginger will Menschenrechtskonvention ändern"
Menschenrechte sind unteilbar. Und d. Europäische Menschenrechtskonvention ist Antwort Europas auf den Zweiten Weltkrieg und d. Holocaust. Das Rütteln an Grund- und Menschenrechten halte ich für inakzeptabel.https://t.co/rhKLjrC3Yw— Michael Landau (@mlcaritas) November 13, 2022
Auch der Koalitionspartner hält nichts von der Idee. Georg Bürstmayr, Sicherheitssprecher der Grünen, schrieb auf Twitter, bereits vor etwa 20 Jahren habe es einen Versuch gegeben, die EMRK zu überarbeiten. Das Ergebnis: Sie wurde fast wortgleich und sogar mit Erweiterungen übernommen. “Weil sie Not-wendig ist. Und das ist sie heute genau so”, so Bürstmayr.
Auch die SPÖ stellt sich gegen Wögingers Ambitionen. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch schrieb in einer Aussendung: „Für die ÖVP geht es immer weiter bergab und jedes Mal, wenn’s schlecht läuft und die Nervosität groß ist, versucht sie als Ablenkungsmanöver mit den Themen Asyl und Migration zu reüssieren.” Mit dem Rütteln an den Menschenrechten habe die Volkspartei “eine rote Linie überschritten”.
die #EMRK zu „überarbeiten“ hat man vor ca 20 Jahren tatsächlich versucht, als sich die #EU einen Grundrechtskatalog gab. Am Ende wurde sie zwar da und dort *erweitert*, aber (fast wörtlich!) ungeschmälert übernommen. Weil sie Not-wendig ist. Und das ist sie heute genau so.
— Georg Bürstmayr (@buerstmayr) November 12, 2022
FPÖ will noch mehr
Die FPÖ fordert die ÖVP auf, nicht nur über restriktive Asylpolitik zu reden, sondern sie auch umzusetzen. In einer Aussendung hielt FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz fest, sich ob der aktuellen hohen Zuwanderung auf die “EU-Außengrenzen hinauszureden”, sei eine Verhöhnung der österreichischen Bevölkerung. Sie ortet das Versagen bei der ÖVP und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).
Oides Gschichterl
Aus der Kategorie “nicht gut gealtert”: Noch 2020 behauptete Wöginger im Nationalrat, was die ÖVP und die FPÖ trenne, sei, dass die ÖVP “die Grund- und Menschenrechte wahren, sie akzeptieren und anerkennen und auch die Menschenrechtskonvention anerkennen.” Ein Schmankerl, an das ORF-Journalist Jürgen Klatzer seine Twitter-Gefolgschaft nach Wögingers Aussage erinnerte.
https://twitter.com/JurgenKlatzer/status/1591812176880467969
(pma)
Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com