„Reichskristallnacht“ gilt als ein verharmlosender Ausdruck. Auf dem Instagram-Kanal des Bildungsministers wurde er dennoch verwendet. Mittlerweile wurde das Posting gelöscht.
Wien, 17. November 2022 | Der ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek hat sich mit einem auf Instagram veröffentlichten Beitrag am Mittwochabend zu den Novemberpogromen, Kritik auf Social-Media-Kanälen eingeholt. Mittlerweile wurde der Beitrag nach rund 14 Stunden gelöscht.
Fehlende kritische Distanzierung
Am Mittwoch hat Polaschek einen Schulbesuch auf seinem Instagram-Account festgehalten. Im Zuge des Schulbesuchs fand ein Ausflug an einem Standort im 19. Bezirk statt, an dem eine Synagoge stand, die während der Novemberpogrome zerstört wurde.
Screenshot Instagram
In diesem Kontext verwendete der Instagram-Account jedoch den umstrittenen Begriff „Reichskristallnacht“ verwendet. Allerdings ohne einer kritischen Distanzierung davon, etwa durch Anführungszeichen, und ohne einer Kontextualisierung. Polaschek ist übrigens nicht nur Rechtshistoriker, sondern auch Präsident der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz und gilt als „Experte der Entnazifizierung“. Außerdem hat er zur juristischen Verfolgung von NS-Verbrechen in der Steiermark sowie zur Denunziation im Dritten Reich Publikationen geschrieben.
Wow. Am Instagram-Account des Österreichischen Bildungsministers wird für die Novemberpogrome von 1938 der verharmlosende Begriff „Reichskristallnacht“ verwendet. pic.twitter.com/lWiTQbhbDF
— Mati Randow (@MatiRandow) November 16, 2022
Irreführender Begriff
Die Novemberpogrome waren der Beginn der systematischen Vertreibung, Unterdrückung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung. In der Nacht von 9. auf 10. November zerstörte das NS-Regime zunächst unzählige Geschäfte und Wohnungen, plünderte Synagogen, schändete Friedhöfe der jüdischen Gemeinde in Österreich und Deutschland und steckte sie anschließend in Brand. Der Begriff „Reichskristallnacht“ weist auf die zersplitterten Glasscheiben jüdischer Geschäfte und Synagogen hin. In der historischen Aufarbeitung im deutschsprachigem Raum wird der Begriff als verharmlosend eingestuft. Antisemitismusforscher und israelische Historiker sehen den Begriff als euphemistisch und bevorzugen die sachliche Bezeichnung „Novemberpogrom“.
(nw)
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