Freitag, April 26, 2024

Minister-Posting nach Kritik gelöscht

„Reichskristallnacht“ gilt als ein verharmlosender Ausdruck. Auf dem Instagram-Kanal des Bildungsministers wurde er dennoch verwendet. Mittlerweile wurde das Posting gelöscht.

Wien, 17. November 2022 | Der ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek hat sich mit einem auf Instagram veröffentlichten Beitrag am Mittwochabend zu den Novemberpogromen, Kritik auf Social-Media-Kanälen eingeholt. Mittlerweile wurde der Beitrag nach rund 14 Stunden gelöscht.

Fehlende kritische Distanzierung

Am Mittwoch hat Polaschek einen Schulbesuch auf seinem Instagram-Account festgehalten. Im Zuge des Schulbesuchs fand ein Ausflug an einem Standort im 19. Bezirk statt, an dem eine Synagoge stand, die während der Novemberpogrome zerstört wurde.

Screenshot Instagram 

In diesem Kontext verwendete der Instagram-Account jedoch den umstrittenen Begriff „Reichskristallnacht“ verwendet. Allerdings ohne einer kritischen Distanzierung davon, etwa durch Anführungszeichen, und ohne einer Kontextualisierung. Polaschek ist übrigens nicht nur Rechtshistoriker, sondern auch Präsident der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz  und gilt als „Experte der Entnazifizierung“. Außerdem hat er zur juristischen Verfolgung von NS-Verbrechen in der Steiermark sowie zur Denunziation im Dritten Reich Publikationen geschrieben.

Irreführender Begriff

Die Novemberpogrome waren der Beginn der systematischen Vertreibung, Unterdrückung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung. In der Nacht von 9. auf 10. November zerstörte das NS-Regime zunächst unzählige Geschäfte und Wohnungen, plünderte Synagogen, schändete Friedhöfe der jüdischen Gemeinde in Österreich und Deutschland und steckte sie anschließend in Brand. Der Begriff „Reichskristallnacht“ weist auf die zersplitterten Glasscheiben jüdischer Geschäfte und Synagogen hin. In der historischen Aufarbeitung im deutschsprachigem Raum wird der Begriff als verharmlosend eingestuft. Antisemitismusforscher und israelische Historiker sehen den Begriff als euphemistisch und bevorzugen die sachliche Bezeichnung „Novemberpogrom“.

(nw)

Titelbild: ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Nura Wagner
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28 Kommentare

  1. Bildung und ÖVP? Das passt nicht zusammen, da könnten die Menschen ja schlauer werden. Schliesslich will man sie ja für blöd verkaufen……..

  2. “Reichskristallnacht” war weiland ein zynischer Goebbel`scher Euphemismus für Mord und Totschlag. Nach dem Ende des Dritten Reiches wurde er als Bezeichnung des Geschehenen beibehalten. Nicht aus Zynismus oder mit Verhüllungsabsicht; sondern weil man wusste, dass jeder wusste, WAS damit gemeint war. Ich halte deshalb die Aufregung für überflüssig. Man möge den Faschismus dort bekämpfen, wo er ist, nicht dort, wo man ihn sich einbildet.

    • Ja, aus Nazisicht war das klar. Aber es ist schon auch klar, warum Goebbels das nicht “Schlachtnacht” oder “Schlachtfest” oder “Judenermordungshappening” genannt hat. Weil eben de Verschleierung niemanden abschreckt, man konnte sich der Fantasie hingeben und zustimmen. Genau darum geht es ja. Wenn die Worte egal wären, dann hätte sich Goebbels keinen Begriff dafür ausgedacht, der beschönigt und Verklärung von Mord und Totschlag ermöglichte.

  3. Würde es ihnen an der Stelle etwas ausmachen, die “Ungeimpften” nicht mit den Juden zu vergleichen! Danke ganz lieb….🙁 Und vielleicht nehmen sie ein Geschichtsbuch zur Hand (muss ja keins vom Polascheck sein) und lesen nach was damals passiert ist, damit sie nicht mehr in Versuchung geraten so bodenlos dämliche Vergleiche anzustellen.

    • schau mal auf die uhrzeit wann es verfasst wurde, vielleicht erklärt das einiges……… ( abgesehen davon , dass es eine massive sauerei ist und mich wundert, dass sowas hier stehen bleibt )

  4. Das gefällt mir sehr. 🙂 Polaschek hat das ja nicht selbst auf Insta gepostet. Schon gar nicht hat er sich ans Grafikprogramm gewagt und selbst Text ins Bild gesetzt. Ganz sicher hat das eine “befreundete” Agentur fabriziert oder im Ministerium oder BKA angesiedelte “societas digitalis”-Abteilung.

    Mir gefällt das, weil es zeigt, wen sie regierungsseitig da beauftragen, wes Geister Kinder die sind, die den Loyalitätscheck absolviert haben. “Reichskristallnacht” klingt doch viel schöner! Das glitzert und prunkt, wie Weihnachten. So könnten sie gedacht haben. Pogrom haben sie als Vokabel wohl erst bei den Reaktionen kennengelernt. Es waren also die “Leistungsträger”, die ihre Gesinnung oder Unbedarftheit veröffentlichten.

    Mir gefällt weiters, dass wir Einblick erhalten, welche Leute da angestellt wurden, die den Beginn des systematischen Massenmords an Jüd:innen (später auch Roma, Sinti, Schwulen und Lesben) als Glitzerevent ausgeben. Bilder im Kopf wurden öffentlich.

    • … coole 😎 Überlegungen, die Sie hier pragmatisch durchaus vorstellbar anstellen. Es sollte in ministerieller Hoheit aber immerhin doch möglich sein, solcherart “Unwägbarkeiten” im semantischem Ausdruck gelenkter PR vor deren Veröffentlichung in einen letztinstanzlich kontrollier- / prüfbaren Status zu bringen, ehe sie ins Social-media Universum transformiert werden: Wie sonst wäre man gefeit vor solchen “Kuckuckseiern”, die einem unerwünscht ins Nest gelegt werden (könnten), wenn man in fairer Unschuldsvermutung vorab gelten ließe, dass “dem Absender” eigentlich gar nicht an einer solchen Message-Framing gelegen war / ist… (Wer legt einem dann warum solche diskussionswürdigen “Angriffspunkte” in den Twitter-Account???) Wem wäre wohl daran warum gelegen? Ist es geschichtsunkundige, jugendliche Unbedarftheit, oder purer Leichtsinn, die einen entrüstet empörten Argwohn generieren (wollen), oder doch irgendwie eine strategisch geplante Aktion “right to the edge”, was im Wording intendierter Kern-Botschaft(en) so möglich ist, ab mitte-rechts im latenten Background des reaktionären Ideologie-Spektrums??

      • Ja, es sollte so sein. Aber wenn die ALLE so sind? Dann, dann…………………….. rutscht das durch 😉 Und damit ist etwas aufgedeckt. Polaschek sollte sich genau überlegen, wem er da vorsteht, von wem er sich kommunizieren lässt.

  5. Ja, schnell einmal aus einer “Gedankenlosigkeit” heraus Verbrechen verharmlosen… Ihm ist der PR-Sprech wohl in Fleisch und Blut übergegangen.

    • Etwa so, wie man in den 70er und 80er-Jahren noch “Neger”sagen durfte, es war vollkommen wertfrei und sagte nur aus, dass jemand eine dunkle Haut hat. Mittlerweile wurden wir erfolgreich umerzogen und dürfen diesen an sich neutralen Begriff nicht mehr in den Mund nehmen. Bald darf man auch nicht mehr Italiener sagen, wenn das so weitergeht …..

  6. Omfg… Echt jetzt, ich bin nun wirklich kein Fan der Nazis oder dessen was die getrieben haben. Das Wiedrbetätigung verboten ist hat eine gewisse sinnvolle Logik. Aber jetzt mit einem Sprachfaschismus drauf zu nageln… irgendwas habt ihr aus der Aufarbeitung der damaligen Verbrechen wohl nicht ganz kapiert. Faktum, kein geistig gesunder Mensch lässt sich vorschreiben wie er was zu benennen hat. Ein Angriff auf diese Freiheit ist ein klarer Bruch mit der Menschenwürde und der Selbstbestimmung. Was am Ende mit jenen passiert die sowas betreiben… könnt ihr dann der Geschichte entnehmen.

    • Es handelt sich hier um keinen Angriff auf irgendeine Freiheit, vielmehr nimmt man sich die Freiheit die Verwendung von Goebbelsschen Begriffen einer Würdigung zu unterziehen. Trotzdem ist es gut, daß Sie ihr Verhältnis zu den Nazis und dem was diese getrieben haben klarstellen.

  7. Wenn Sie sich gesund fühlen, ja dann müssen Sie. Aber auch das ist subjektiv. Wenn ich mich nicht gesund fühle, dann muss ich nicht. Wenn ich mich nicht gesund fühle, dann sag ich: ‘Ma, ich fühle mich ned so gesund, ich will eigentlich nicht in die Schule, aber ich muss.’ Ich bitte einfach das in Ruhe durchzudenken. Dann werde ich mich auch nicht gesund fühlen, wenn ich schon das Gefühl habe, dass ich nicht gesund bin. Wenn ich das Gefühl habe, ich muss um jeden Preis in die Schule, obwohl ich keine Symptome habe, dann habe ich ja in mir schon das Gefühl, dass ich nicht zu 100 Prozent fit bin. Und das ist eine gesundheitspolitische Debatte darüber. Ich bitte darum, das einfach sehr gelassen und pragmatisch zu sehen.

  8. … und sooo schließt sich der Kreis:

    | Polaschek ist übrigens nicht nur Rechtshistoriker, sondern auch Präsident der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz und gilt als „Experte der Entnazifizierung“. Außerdem hat er zur juristischen Verfolgung von NS-Verbrechen in der Steiermark sowie zur Denunziation im Dritten Reich Publikationen geschrieben. |

    Nun – endlich! – erklärt sich auch seine dubiose Mitgliedschaft, trotz seiner offensichtlich permanenten Überforderung im pol. zugewiesenen Themenbezug!

    Wie sollte “so einer” professionell zwischen den Begriffen Reichskristallnacht und Novemberprogrom navigieren können? Er ist schließlich bloß Bildungsminister …

    Schrieb ich hier vor kurzen schon einmal, dass MMn dieses nach reaktionärem Austrofaschismus riechende Partei-EN-Übel ab mitte-rechts der pol. Landschaft aus einer nicht nur zum großen Teil halbherzig mißlungenen, sondern insbes. vorsätzlich lückenhaft gewollten Entnazifizierung in den 40er und 50ern resultiert??

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