Montag, Oktober 14, 2024

Demokratiebauchfleck beim Klima-Abwehrkampf – »Da brauchen wir nicht mehr wählen«

»Da brauchen wir nicht mehr wählen«

Für die Vertreter der Koalitionsparteien hitzte sich die Stimmung bei »Im Zentrum« auf. Den Vorwurf der Untätigkeit versuchten sie mit Bio-Idylle und Regierungsmantra zu kontern.

Wien, 21. November 2022 | Es sollte eigentlich um Klimaaktivismus gehen, doch schon bald wurde das Schneckentempo der Regierung bei klimafreundlichen Maßnahmen zum Thema Nummer eins bei „Im Zentrum“ am Sonntagabend. Die beiden Regierungsvertreter von ÖVP und Grünen betonten im ORF den Ausbau der erneuerbaren Energie und das Klimaticket, während der Gegenseite die Bereitschaft für wesentliche Änderungen bemängelt wurde. ÖVP-Mann Schmuckenschlager offenbarte ein zweifelhaftes Demokratieverständnis.

Radikaler Aktivismus?

Moderatorin Claudia Reiterer wollte von den Teilnehmenden zuerst wissen, ob der derzeitige Klebe-Protest von Klimaaktivisten das richtige Mittel sei. ÖVP-Umweltsprecher Johannes Schmuckenschlager ließ kein gutes Haar an Letzte-Generation-Aktivistin Martha Krumpeck, deren Mitstreiter laut Schmuckenschlager „deprimierte Leute“ seien, die „jemand anderem etwas kaputtmachen“ wollten. Die echten Klimaaktivisten seien für ihn Menschen und Unternehmen, die in erneuerbare Energie investieren.

Die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Olga Voglauer, sah das „wesentlich differenzierter“. Sie hatte vor allem wegen ihrem Bio-Bauernhof Verständnis für den Aktivismus, verstehe deswegen aber auch, dass man privates Eigentum respektieren solle. Was genau ihr Punkt war, blieb vor allem für den Zuseher unklar.

Kein Klimaschutzgesetz

Der eloquente Auftritt von Reinhard Steurer, Professor an der Universität für Bodenkultur in Wien, brachte vor allem Schmuckenschlager zum Schwitzen, der in der zweiten Hälfte der Debatte klimabedingte Hautveränderungen aufwies. Denn auf die wiederholte Frage, warum man kein verpflichtendes Klimaschutzgesetz auf den Weg bringt, meinte Schmuckenschlager: „Da brauchen wir nicht mehr wählen, wenn wir eh sagen, wenn wir uns grad einig sind, machen wir alles wie wir wollen“. Der Sager, der politische Untätigkeit entschuldigen sollte, sorgte in sozialen Medien für Kopfschütteln:

Auf den Vorwurf Krumpecks, man würde Umweltaktivisten wie “Fridays for Future” ignorieren, entgegnete der ÖVP-Umweltsprecher: „Das stimmt nicht, die sind ständig eingebunden“. “Fridays for Future” selbst sah das auf Twitter anders:

Tempo 100 auf der Autobahn

Die Grünen wollten zwar Tempo 100 auf der Autobahn, könnten sich allerdings gegen die ÖVP in der Thematik nicht behaupten, sagte Voglauer, die beteuerte, selbst ja immer 100 auf der Autobahn zu fahren. Verhaltensökonom

Gerhard Fehr regte daraufhin an, engagierte Menschen für ihr klimafreundliches Verhalten zu belohnen und kritisierte die fehlende Datenlage in Österreich: „Sie wissen überhaupt nicht, wie viele Österreicherinnen und Österreicher bereit wären 100 zu fahren“. Fehr warf jedoch “der Politik” keine Langsamkeit vor. Die beiden Regierungsvertreter nickten zögerlich zustimmend.

(dp)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • DanielPilz

    Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.

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