Eine Gruppe von NGOs veröffentlicht nun jährlichen den Index zur Bewertung der demokratischen Lage in Österreich. Das Ergebnis ist deutlich verbesserungswürdig.
Wien, 24. November 2022 | Acht NGOs, die sich mit demokratiepolitischen Themen auseinandersetzen, haben die innenpolitischen Skandale der vergangenen Jahre zum Anlass genommen, um einen Statusbericht über “die Infrastruktur der Demokratie in Österreich” zu erstellen. Am Donnerstag wurde der erste Demokratieindex präsentiert. Demnach gibt es deutlichen Nachholbedarf bei Transparenz und Kontrolle.
Demokratie generalsanieren
Ziel des neuen Index ist nicht nur eine Bestandsaufnahme. Man wolle auch Verbesserungspotenzial aufzeigen, so Mitinitiator Martin Kreutner vom Antikorruptionsvolksbegehren. Er soll künftig jährlich erscheinen. Dabei messe man sich bewusst an EU-Ländern und nicht an “Inselstaaten und einem abstrakten Absurdistan”, betonte Kreutner weiter. Der Index soll Werkzeuge zur „Generalsanierung“ des Hauses Demokratie, das seit dem Ibiza-Skandal Schäden erlitten hat, bieten. Gerade das Vertrauen in die Entscheidungsträger sei eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. “Die Infrastruktur gehört in ihrer Stabilität gefördert”, dazu soll der vorgestellte Index beitragen.
Exekutive weist schwächstes Ergebnis auf
Der Index bewertet die Infrastruktur anhand von sieben Säulen: Souverän, Parteien, Legislative, Exekutive, Justiz, Medien, Zivilgesellschaft. Dabei wird die Entwicklung der einzelnen Bereiche seit 2015 mithilfe von Zahlen veranschaulicht. Das Ergebnis sei keine Messung, sondern eine Bewertung mit subjektiven Anteilen, betonte Paul Grohma von Wahlbeobachtung.org bei der Präsentation. Außerdem handle es sich um ein Pilotprojekt, die Werte könnten sich also noch ändern. Für dieses Jahr sind die NGOs auf einen Wert von 57 Prozent gekommen. Für die Leiterin der Transparenzplattform Meine Abgeordneten Marion Breitschopf ist das kein gutes Zeugnis.
Die schlechtesten Werte lassen sich bei der Exekutive mit 31,2 Prozent nachweisen. Breitschopf begründete das vor allem mit unzureichenden Gesetzen und fehlender Kontrolle bei Korruption, auch das fehlende Informationsfreiheitsgesetz sei ein Faktor. Die Legislative, sprich das Parlament, schneidet mit 43,3 Prozent im Vergleich zu den Ergebnissen der anderen Säulen unterdurchschnittlich ab. Doch auch in den anderen Feldern sehen die NGOs Verbesserungsbedarf. Dabei wäre es laut Kreutner leicht, die Werte des Index nach oben schnellen zu lassen, etwa durch Umsetzung von ohnehin schon angekündigten Verbesserungen bei der Unabhängigkeit von Justiz, Medien und Informationsfreiheit.
Transparenzoffensive
Die acht NGOs (Antikorruptionsvolksbegehren, Meine Abgeordneten, Wahlbeobachtung.org, Forum Informationsfreiheit, Epicenter Works, Gründungsverein Demokratiestiftung, Presseclub Concordia, Respekt.net) forderten angesichts ihrer Analyseergebnisse eine “Transparenzoffensive in allen Bereichen”. Gerade die vergangenen Monate hätten gezeigt, wie wichtig effektive Maßnahmen wie ein Informationsfreiheitsgesetz oder die Unabhängigkeit von Justiz und Ermittlungsbehörden seien. Auch der Schutz der Rechte einzelner (u.a. Whistleblower-Schutz, digitale Grundrechte) und eine Stärkung der demokratischen Öffentlichkeit durch Sicherstellung von unabhängigem Journalismus sind den NGOs wichtig. Als weitere Forderungen nannte Kreutner die Einführung des angekündigten Bundesstaatsanwalts, eine Entpolitisierung des ORF-Stiftungsrats und den Erhalt der “Wiener Zeitung”.
(nw/apa)
Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl