Samstag, Juli 27, 2024

»So etwas Abartiges noch nie gesehen« – Babler in »ZiB 2«

Mit einem eindringlichen Appell – auch an seine eigene Partei – wandte sich der Traiskirchener Bürgermeister Andi Babler via “ZiB2” an die Öffentlichkeit.

Wien, 25. November 2022 | „Es ist eine Situation, die nicht neu ist, nicht überraschend und die abzusehen war.“ Gewohnt direkt nahm der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler am Donnerstagabend in der „Zeit im Bild 2“ bei Moderatorin Marie-Claire Zimmermann Stellung zur Unterbringungskrise Geflüchteter. Der laute Sozialdemokrat machte seinem Ärger ziemlich Luft und redete teils ohne Punkt und Komma. Er könne, meinte er unter anderem, „die ganzen Stehsätze nicht mehr hören“. Erst diese Woche war Babler mit Hilferufen in die Öffentlichkeit getreten:

Traiskirchen ist Stätte des größten Erstaufnahmezentrums in Österreich. Dieses ist – wie schon des Öfteren in der Vergangenheit – völlig überfüllt. Dort befinden sich im Moment viermal so viele Menschen, wie eigentlich vorgesehen, das Lager platze aus allen Nähten, berichtete Babler. Vehement versuchte der Sozialdemokrat, Einblicke über die „nackten Zahlen“ hinaus zu geben: „Das Wichtigste ist Haltung. Man muss flüchtenden Menschen ein Gesicht geben. Das sind Menschen wie Sie und ich – mit Familie.“ Auch sie hätten ein menschenwürdiges Leben verdient.

Provozierte Schreckensbilder?

„Das Versagen und die menschlichen Tragödien, die wir in Traiskirchen hautnah erleben, haben direkte Verantwortung im Innenministerium“, so Babler. Innenminister Karner, bei dem die Verantwortung für die Bundesquartiere wie das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen liegen, sei von ihm persönlich bereits vor Tagen aufgefordert worden, leer stehende Bundesressourcen zu öffnen. Zudem sollten freie Kapazitäten in Kasernen herangezogen werden. Dessen Nichtstun bestärke die These, so Babler, dass es „politisch eskaliert werden soll“ und ein „gewünschtes Thema, um von anderen Sachen abzulenken, die der ÖVP nicht gut zu Gesicht stehen“.

„Wie die Kinder weinen“

Babler beschrieb die Routen und Hürden, die Geflüchtete bestreiten müssen, wo sie auch Situationen wie den Push-Backs in Bihac, Bosnien, ausgesetzt seien, wo Menschen mit Wärmekameras und mit Hunden gejagt und verprügelt würden: „Ich habe noch nie etwas so Abartiges gesehen.“

Niemand könne zudem wollen, dass Geflüchtete in Österreich nur „in Massenquartiere gepfercht“ würden, ohne medizinische Versorgung. „Wenn man sieht, wie diese Menschen bei uns wegen Linsensuppe Schlange stehen, wie die Kinder durchweinen, keine Schuhe haben, keine Winterkleidung – wenn man solche Bilder produziert zur Abschreckung“, dann stecke dahinter das BMI. „Die Leute werden schlecht behandelt in Österreich, und das will man unseren eigenen Kindern ja auch nicht später erklären, was hier passiert“, gab Babler zu bedenken. Es dürfe in dieser Sache „keinen Widerspruch des Helfens“ geben.

„Wir fordern ständig europäische Lösungen, aber schaffen es nicht einmal, 4.000 Leute in Österreich unterzubringen.“ Babler plädierte in dem Zuge auch für ein – zumindest temporäres – Durchgriffsrecht des Bundes.

„Haltung und Menschlichkeit“

Angesprochen auf die unterschiedlichen Aussagen zum Umgang mit der Unterbringungskrise auch aus seiner Partei, entgegnet er: „Ich habe meiner SPÖ – nicht der SPÖ – immer gesagt, dass man das Thema Asyl nicht durchtauchen darf. Sondern mit Menschlichkeit und Haltung rangehen muss.“ Einen Richtungsstreit in der SPÖ sehe er nicht. Am Beispiel von Traiskirchen könne man sehen, „dass klare Haltungen auf der Basis von Menschlichkeit, die man auch sich und seiner eigenen Familien zumuten würde, tatsächlich auch Wahlen gewinnen lassen“. Babler wurde 2020 mit knapp 72 Prozent zum roten Bürgermeister gewählt.

(am)

Titelbild: Screenshot ZiB2

Autor

  • Anja Melzer

    Hält sich für die österreichischste Piefke der Welt, redet gerne, sehr viel und vor allem sehr schnell, hegt eine Vorliebe für Mord(s)themen. Stellvertretende Chefredakteurin. Sie twittert unter @mauerfallkind.

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