Donnerstag, April 25, 2024

Ein Jahr Nehammer – Top oder Flop?

Seit genau einem Jahr ist Karl Nehammer (ÖVP) Bundeskanzler. Ein Überblick, was dem Kanzler gelang – und was nicht.

Benedikt Faast

Wien, 06. Dezember 2022 | Am Nikolaustag 2021 übernahm Karl Nehammer das Amt des Bundeskanzlers von Kurzzeit-Kanzler Alexander Schallenberg. Für den ÖVP-Chef war es seitdem ein bewegtes Jahr. ZackZack präsentiert, was unter seiner Führung funktioniert hat und was eher nicht.

Die Flops

Außenpolitik:

Auf dem internationalen Parkett legte Nehammer nicht nur einmal eine nicht besonders galante Figur hin. Seine überstürzte Reise im April dieses Jahres, also bereits mitten im russischen Angriffskrieg, zu Wladimir Putin sorgte für Schlagzeilen, allerdings nicht für positive. Ebenso reagierte er beim Staatsbesuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban kurz nach dessen Skandalrede über „Gemischtrassen“ zu zögerlich, diese zu verurteilen.

Personalentscheidungen:

Als ÖVP-Obmann sorgte Nehammer mit diskussionswürdigen Personalentscheidungen für Stirnrunzeln. So bestellte er Laura Sachslehner zur Volkspartei-Generalsekretärin. Die damals 27-Jährige sollte ihm das Vertrauen nicht zurückzahlen. Mit wilden Pressekonferenzen und einem Rundumschlag gegen die eigene Partei zu ihrem Abschied sorgte sie für mehr negative Schlagzeilen als positive in ihrer Funktion.

Nehammers Nachfolger als Innenminister Gerhard Karner fällt in eine ähnliche Kategorie. Sein heimatliches Dollfuß-Museum stand tagelang in der Kritik. Das “ZiB2”-Interview über die rechtswidrige Abschiebung von Tina war ebenso ein negativer Höhepunkt. Auch dass Nehammer den in der Inseraten-Affäre beschuldigten Gerald Fleischmann zurück an die ÖVP-Schalthebeln in die Kommunikationsabteilung zurückholte, ist ein für viele Beobachter wenig nachvollziehbarer Schritt. Angesichts der immer weitreichenderen Ermittlungen in der Causa könnte sich die Rückkehr von „Mr. Message Control“ noch rächen.

Distanz zu Kurz:

Apropos Ermittlungen. Eine Distanz zum Umfeld Kurz gelang dem Kanzler nur spärlich. Zwar verabschiedeten sich zahlreiche Weggefährten von Kurz unter Nehammers Kanzlerschaft aus den Kabinetten. Gegen den Altkanzler, der schwer in diverse Ermittlungsstränge verwickelt ist, fand Nehammer nur wenige Worte der Distanz. Anders bei Thomas Schmid.

Eine der ersten Aussagen Nehammers, dass die ÖVP kein Korruptionsproblem hätte, sollte ihm angesichts der unter dem Jahr aufgepoppten schweren Beschuldigungen gegen Volkspartei-Granden öfters zum Bumerang werden.

Flapsige Sager:

„Alkohol oder Psychopharmaka“ oder „So viele Viren, aber jetzt kümmert es uns nicht mehr“: Rund um diverse ÖVP-Parteitage sorgte Nehammer mit improvisierten Sprüchen auf der Bühne immer wieder für Verwunderung. In diese Kategorie fällt auch sein Auftritt zur Cobra Libre-Affäre. Eine überhastete und überemotionale Pressekonferenz sowie nur scheibchenweise zur Verfügung gestellte Information über den Unfall-Hergang sorgten für kollektives Kopfschütteln.

Klimaschutz-, Informationsfreiheits-, Anti-Korruptionsgesetz:

Kaum Fortschritt gab es unter seiner Kanzlerschaft in Sachen Klimaschutzgesetz (seit 700 Tagen hat Österreich keines). Ebenso beim seit 2020 angekündigten Informationsfreiheitsgesetz. Auch neue Spielregeln zur Stärkung von Anti-Korruptionsmaßnahmen vermisst man noch.

Ein Getriebener:

Nehammer wird von einem Umfragetief ins Nächste gejagt. Mittlerweile befindet sich die Kanzlerpartei nur mehr auf Platz drei, die türkis-grüne Regierung kommt zusammen auf gerade einmal ein Drittel der Stimmen. Auswirkungen hat dies dahingehend, dass ÖVP-Mitglieder immer wieder mit Alleingängen ausrücken, die Nehammer wenig später einfangen muss. Stichwort: Menschenrechtskonvention.

Generell legte der Kanzler offensichtlich einen Strategiewechsel im Sommer hin. Keine Pressekonferenzen, kaum TV-Interviews: Die Themen legt der Kanzler so kaum selbst fest. Sein Hintergrund-Gespräch, in dem Nehammer seine einjährige Bilanz ausgewählten Journalisten darlegen wollte, floppte. Zur Debatte sollten nicht Nehammers Themen, sondern eine ungewöhnlich lange Sperrfrist werden.

Top:

Verzicht auf Inszenierung:

Einen positiven Punkt hat Nehammers Zurückgezogenheit in den vergangenen sechs Monaten. Die Fettnäpfchen, die er bei öffentlichen Auftritten hinlegte, sind deutlich weniger geworden. Die Inszenierung hat damit auch spürbar abgenommen. Gab es unter der Kurz-Regierung noch Pressekonferenzen, nach welchen Journalisten fragten, was denn jetzt der Grund des jeweiligen Medientermins gewesen sein soll, geht man mit diesem Mittel nun deutlich sparsamer um.

Zugestehen muss man Nehammer auch, dass er die ÖVP (wenn auch selbst verschuldet) und die Regierung (zum Teil selbstverschuldet) in schwierigen Situationen übernahm. Nehammers Stil wird vom Koalitionspartner, aber auch der Opposition als konstruktiver bezeichnet, als der von Sebastian Kurz.

Russische Gasabhängigkeit:

Die Abhängigkeit von russischem Gas ist deutlich gesunken. War man im Februar noch zu 79 Prozent von russischem Gas abhängig, waren es im September nur mehr 21 Prozent. Im Frühjahr hätten dies wohl wenige gedacht. Auch die Gasspeicher sind mit rund 90 Prozent gut gefüllt.

Geld in die Hand genommen:

Seit Jahren wurde die Abschaffung der kalten Progression von den Parteien diskutiert und befürwortet. Gemacht hat es dann allerdings niemand. Der Regierung Nehammer kann man zugutehalten, dass dies nun unter seiner Kanzlerschaft geschafft wurde. Auch weitere Entlastungen, seien es Einmalzahlungen, wie Klimabonus und Energie-Ausgleich, Steuererleichterungen oder die Strompreisbremse sorgten für spürbare Entlastung. Bei der Abwicklung der Hilfen kam es zwar immer wieder zu (kleineren) Problemen, das war angesichts der schnell beschlossenen Pakete aber vielen Kritikern auch verständlich und lief in den Nachbarländern auch nicht besser.

Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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32 Kommentare

  1. Warum war Nehammer eigentlich mit Mike Leitner auf Schi Urlaub wenn sie mit der ÖVP nichts zu tun hat was darf da das Gesindl nicht wissen?

  2. Nehammer Top oder Flop : Dieser Beitrag passt voll in die Faschingszeit , man könnte aber die Komik erweitern , in dem man Feststellen muss , das die Türkise-ÖVP neben Nehammer noch mehrere Spitzenleute hätte für das Amt eines BK , zB. Hanger , Sobotka , Wöginger , Stocker usw. allesamt ehrliche und International angesehene Politiker ………. (;>)) !

  3. Ich kann selbst nicht glauben, daß ich das Folgende gerade tippe:
    Bei all meinem verdienten Haß auf diese
    VASCHISSANE
    VABRECHA
    PARTIE
    tut mir der Herr Leutnant d.R. fast leid, nicht nur wegen seines Ankylostomas (Kieferklemme).

  4. Der Missbrauchskandal in Wien läuft erneut wieder ab, so als ob das alles nichts mit dem totalen Behördenversagen in Österreich wie seit vielen Jahren schon so, etwas zu tun hätte und auch die Politik weiter nichts damit am Hut hätte, oder hier irgendwie darauf reagieren müsste.
    Auch die Qualitätsmedien schlafen dazu weiter, wie seit 15 Jahren in diesem Fall schon so, oder machen eine Vertuschuchungs- und Beschönigungsbefragung wie gestern Herr Thür in der ZIB 2
    Die Frage ob nun Nehammer TOP oder FLOP war, wird dieser Umstand auch in keinster Weise tangieren und kann man bereits den geschickten Einfluss auf die Qualitätsmedien durch Herrn Fleischmann bestens beobachten. – Der Mann ist wirklich gut und deshalb wohl TOPP! (Egal was wirklich passiert, oder welchen Chef er gerade zu vermarkten und in Position zu bringen hat…)

  5. Wenn neuerdings Herrenmenschen:innen nur mehr Mittelschicht sind, kenn ma doch an wie eam ned wie an haaßn Erdopfe foin lossn – in diesem Sinne, go Karli go …

  6. Unabhängig von der seltsamen Titelauswahl für den Artikel…und auch unabhängig von all dem Wahnsinn den Nehammer mit seiner Partei verbrochen hat…..Ich muss sage, dass Österreich wirklich noch nie so einen ungepflegten Kanzler gehabt hat, wie Nehammer. Unglaublich eigentlich! Könnt auch ein angesoffener abgehafterter Versicherungsvertreter sein, wenn man sich das Bild anschschaut.

  7. Mit der Hereinnahme von Fleischmann hat sich der Schmähammer einwandfrei als dümmlicher Kurzanhänger deklariert. Mehr is da nicht…….

    • wenn wir uns ehrlich sind, wussten wir das doch alle auch ohne diese schwachsinns-aktion, es gab doch nie klare worte der distanzierung und schliesslich hat ja Schmähammer auch die Erklärung so wie alle anderen unterschrieben “keine Regierung ohne Kurz”…………
      übrigens – hallo, wieder im Lande?

      • Ja…..aber irgendwie machts nicht mehr richtig Spass sich hier mit manchen ” Postern” zu matchen.

  8. Da braucht man schon einen Sau-Magen beim Lesen dieser Frage….. Und irgendwie bleibt man fassungslos, während man verzweifelt nach Erklärungen dafür sucht, dass sie gestellt wurde….

  9. Was fällt mit zu Nehammer an Positivem ein? Besser als Kickl säße auf seinem Posten und für den einen oder anderen Lacher über so manchen Tagespresse-Artikel war er auch gut.

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