Generalstreik setzt Mullahregime zu
Im Iran gerät das Regime weiter in Bedrängnis. Ein dreitägiger Generalstreik hält das Land fest im Griff. Die Gewalt gegen Protestierende nimmt derweil nicht ab.
Teheran/Wien, 7. Dezember | Im Iran scheint die Lage für das Regime zusehends aussichtslos zu werden. Kürzlich wurde zu einem dreitägigen Generalstreik aufgerufen. Die Straßen sind wie leergefegt
چهارشنبه ۱۶ آذر؛ بابل.#اعتصابات_سراسری #مهسا_امینی pic.twitter.com/0zqOBbMPIX
— +۱۵۰۰تصویر (@1500tasvir) December 7, 2022
Seit Montag gehen viele Menschen nicht einkaufen, überweisen kein Geld, öffnen Ihre Geschäfte nicht oder legen ihre Arbeiten nieder, um den Druck auf das Regime weiter zu erhöhen.
Nervöses Regime
Dass die Führungsriege in der Islamischen Republik Iran zunehmend unter Druck gerät, zeigte unlängst auch ein geleaktes Gespräch aus der staatlichen Nachrichtenagentur Fars News, in dem eingestanden wurde, dass man den medialen Krieg verliere.
Klar scheint, dass das Regime die Wogen dringend glätten möchte. In einem PR-Stunt verkündete deshalb der iranische Generalstaatsanwalt die Aussetzung der sogenannten Sittenpolizei, welche unter anderem die Einhaltung der Kleidervorschrift von iranischen Bürgerinnen überprüft. Aktivisten sowie Menschenrechtsorganisationen verweisen darauf, dass Frauen und Männer trotzdem ungeheuren Zwängen unterliegen und dass „die Schließung der Sittenpolizei von keiner offiziellen Behörde in der Islamischen Republik Iran bestätigt wurde”, schreibt Amnesty International in einer Aussendung.
Spirale der Gewalt
Bisher wurden schätzungsweise 15.000 Demonstrierende verhaftet. Den Sicherheitskräften werden schwerste Verbrechen vorgeworfen, wie systematische Folter und Vergewaltigungen in Gefängnissen, sowie Massaker an Demonstrierenden. Laut Menschenrechtsorganisationen wurden schätzungsweise über 450 Menschen getötet, darunter mindestens 60 Kinder.
Allein am 30. September 2022 wurden in Zahedan, in der verarmten Provinz Balutschistan, bei einer Demonstration nach dem Freitagsgebet in einem Massaker circa 100 Menschen getötet. Der Protest richtete sich unter anderem gegen die Vergewaltigung eines 15-jährigen Balutsch-Mädchens durch Ebrahim Kouchakzai, den Polizeikommandanten von Chabahar.
Hintergrund
Im Iran halten die Demonstrationen seit September an. Auslöser der jüngsten Massenproteste war der Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September. Die 22-jährige Kurdin ist bei einem Besuch in Teheran wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die strikte Kleiderverordnung verhaftet worden. Amini wurde in Polizeigewahrsam so schwer misshandelt, dass sie anschließend in einem Krankenhaus verstarb. Die zwei Journalistinnen Niloufar Hamedi und Elaheh Mohammadi, die Aminis Schicksal erstmals veröffentlichten, wurden verhaftet.
Seither kommt es zu beispiellosen Massenprotesten, die anfangs von jungen Frauen und Studierenden angeführt wurden. Mittlerweile hat die Bewegung eine breite Basis erreicht, über ethnische und soziale Unterschiede hinweg. Die Demonstrierenden fordern Azadi (Freiheit), das Ende der Kopftuchpflicht und der staatlichen Gewalt, sowie eine Strafverfolgung von Sicherheitskräften. Der Ruf nach einem Sturz der Islamischen Republik ist allgegenwärtig. Beobachterinnen sprechend deshalb inzwischen von einer Revolution.
(gh/dp)
Titelbild: BASMA BADRAN / AFP / picturedesk.com