Donnerstag, April 18, 2024

Proteste im Iran – Generalstreik setzt Mullah-Regime zu

Generalstreik setzt Mullahregime zu

Im Iran gerät das Regime weiter in Bedrängnis. Ein dreitägiger Generalstreik hält das Land fest im Griff. Die Gewalt gegen Protestierende nimmt derweil nicht ab.

Teheran/Wien, 7. Dezember | Im Iran scheint die Lage für das Regime zusehends aussichtslos zu werden. Kürzlich wurde zu einem dreitägigen Generalstreik aufgerufen. Die Straßen sind wie leergefegt

Seit Montag gehen viele Menschen nicht einkaufen, überweisen kein Geld, öffnen Ihre Geschäfte nicht oder legen ihre Arbeiten nieder, um den Druck auf das Regime weiter zu erhöhen.

Nervöses Regime

Dass die Führungsriege in der Islamischen Republik Iran zunehmend unter Druck gerät, zeigte unlängst auch ein geleaktes Gespräch aus der staatlichen Nachrichtenagentur Fars News, in dem eingestanden wurde, dass man den medialen Krieg verliere.

Klar scheint, dass das Regime die Wogen dringend glätten möchte. In einem PR-Stunt verkündete deshalb der iranische Generalstaatsanwalt die Aussetzung der sogenannten Sittenpolizei, welche unter anderem die Einhaltung der Kleidervorschrift von iranischen Bürgerinnen überprüft. Aktivisten sowie Menschenrechtsorganisationen verweisen darauf, dass Frauen und Männer trotzdem ungeheuren Zwängen unterliegen und dass „die Schließung der Sittenpolizei von keiner offiziellen Behörde in der Islamischen Republik Iran bestätigt wurde”, schreibt Amnesty International in einer Aussendung.

Spirale der Gewalt

Bisher wurden schätzungsweise 15.000 Demonstrierende verhaftet. Den Sicherheitskräften werden schwerste Verbrechen vorgeworfen, wie systematische Folter und Vergewaltigungen in Gefängnissen, sowie Massaker an Demonstrierenden. Laut Menschenrechtsorganisationen wurden schätzungsweise über 450 Menschen getötet, darunter mindestens 60 Kinder.

Allein am 30. September 2022 wurden in Zahedan, in der verarmten Provinz Balutschistan, bei einer Demonstration nach dem Freitagsgebet in einem Massaker circa 100 Menschen getötet. Der Protest richtete sich unter anderem gegen die Vergewaltigung eines 15-jährigen Balutsch-Mädchens durch Ebrahim Kouchakzai, den Polizeikommandanten von Chabahar.

Hintergrund

Im Iran halten die Demonstrationen seit September an. Auslöser der jüngsten Massenproteste war der Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September. Die 22-jährige Kurdin ist bei einem Besuch in Teheran wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die strikte Kleiderverordnung verhaftet worden. Amini wurde in Polizeigewahrsam so schwer misshandelt, dass sie anschließend in einem Krankenhaus verstarb. Die zwei Journalistinnen Niloufar Hamedi und Elaheh Mohammadi, die Aminis Schicksal erstmals veröffentlichten, wurden verhaftet.

Seither kommt es zu beispiellosen Massenprotesten, die anfangs von jungen Frauen und Studierenden angeführt wurden. Mittlerweile hat die Bewegung eine breite Basis erreicht, über ethnische und soziale Unterschiede hinweg. Die Demonstrierenden fordern Azadi (Freiheit), das Ende der Kopftuchpflicht und der staatlichen Gewalt, sowie eine Strafverfolgung von Sicherheitskräften. Der Ruf nach einem Sturz der Islamischen Republik ist allgegenwärtig. Beobachterinnen sprechend deshalb inzwischen von einer Revolution.

(gh/dp)

Titelbild: BASMA BADRAN / AFP / picturedesk.com

DanielPilz
DanielPilz
Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.
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5 Kommentare

  1. Die Mullahs im Iran fahren jetzt eine ähnliche Strategie wie das Regime in Peking. Kleine Korrekturen an der praktischen Umsetzung der eigenen Herrschaftsideologie, welche eine Teil der Unzufriedenen besänftigt, zugleich brutale Härte gegen jene, welche die Herrschaft an sich in Frage stellten. Denn auch in Iran gilt ungeachtet allen propagandistischen Getöses die eigene Machtsicherung. Soweit diese gesichert ist, kann man bei gewissen Sachen Entgegenkommen zeigen. Wo sie aber in Frage gestellt wird, wird mit Härte reagiert.

  2. Ich hoffe sehr, daß sich der Iran von diesem verbrecherischem Regime lösen können. Ich wünsche es ihnen sehr!

  3. Der rus Sicherheitsapparat ist nun woanders beschäftigt. Das ermöglicht nun tatsächlich Veränderungen. Der Mut der Menschen, der aus Verzweiflung kommt, ist dennoch nicht hoch genug einzuschätzen.

    Man stelle sich vor, wie es wäre, selbst auf die Straße zu gehen, das Geschäft geschlossen zu halten, wenn man damit rechnen muss, dafür in der nächsten Zeit in ein Gefängnis zu kommen, Folter ausgesetzt zu sein. Man stelle sich vor, es wäre morgen für uns so weit.

    Es ist ein Abwägen von Verzweiflung, Mut, Hoffnung, Angst, Schuld (warum erst jetzt) und Verantwortung (was werden sie mit meiner Familie machen?). Und das lastet schwer auf einem, täglich mehrmals solche Entscheidungen zu treffen.

    • Wenn du dich selber rettest, nehmen sie sich deine Familie vor. Ich kenne einen Iraner, dessen Bruder politisch tätig war und dann geflohen ist. Da haben sie ihn, einen jungen Studenten, der selber nie politisch tätig war und nicht einmal richtig wusste, was der ältere Bruder machte, für über einen Monat in ein Spezialgefängnis eingesperrt, wo er täglich gefoltert wurde. Man wollte ihn zwingen, Sachen über seinen Bruder auszusagen, von denen er keine Ahnung hatte. Nach über einem Monat haben sie ihn erst freigelassen, traumatisiert, sie hatten ihm auch ständig gedroht, dass sie ihn aufhängen werden. Später ist ihm dann auch die Flucht gelungen. Seine Stimme ändert sich noch heute nach Jahren, wenn er davon spricht.

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