Mittwoch, April 24, 2024

»Zynisches Ping-Pong-Spiel«: Babler zu Asyl-Debatte

Auf einer Pressekonferenz der Initiative Courage wütete der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler gegen die aktuelle Asylpolitik.

Wien, 12. Dezember 2022 | Die Initiative „Courage – Mut zur Menschlichkeit“ hat heute Medienvertreterinnen zu der Pressekonferenz „Asylquartiere – Grundrechte sind kein Gnadenakt“ im Presseclub Concordia geladen.

Dabei kritisierte SPÖ-Bürgermeister Andreas Babler Bundeskanzler Karl Nehammer, mit „Asyltourismus“ einen rechten Kampfbegriff zu nutzen. Traiskirchen helfe seit 1956 Menschen auf der Flucht. Die Politik sei zu menschenwürdigen Unterkünften verpflichtet. Die geringen Ankunftszahlen stehen im Kontrast zu den von ÖVP und FPÖ gewollten Massenunterkünften.

Lange Schlangen, keine Schuhe

Derzeit befänden sich 1.828 Menschen (Stand: 6. Dezember) im Traiskirchener Erstaufnahmezentrum. Das sind mehr Asylwerber als in der gesamten Landesgrundversorgung in Niederösterreich (1.353 Personen). Die Folge: lange Schlangen bei der Essensausgabe im kalten Freien sowie kaum sozialpädagogische Betreuung.

Babler warf dem Innenministerium zudem vor, Menschen obdachlos zu machen, indem Dokumente vorenthalten würden. Es gebe bereits verhandelte Quartiere, wie in Hollabrunn, die von ÖVP und FPÖ verhindert werden. Es kämen geflüchtete Familien, die seit mehr als 20 Tagen keine warme Mahlzeit gehabt hätten. Politische Entscheidungsträger nähmen bewusst den gesundheitlichen Schaden von Menschen in Kauf. Kinder hätten keine warmen Schuhe, teils nicht einmal Socken. Doch Traiskirchen bleibe bei seinem Grundsatz: „Niemand wird zurückgelassen.“

30 Euro pro Tag für ein Bett

Privatquartiergeber Hannes Gollowitzer berichtete vom Spießrutenlauf bei den Behörden, wenn es um Sozialversicherung oder Schulanmeldung für Ukrainerinnen gehe. Er forderte eine Kompetenzverteilung und administrative Stabstellen. Gollowitzer beklagte, dass Wirte für die Unterbringung von Geflüchteten 30 Euro pro Tag bekommen, private Unterbringende dagegen nur einen Bruchteil davon. Es brauche einen höheren Mietzuschuss sowie ÖPNV-Karten für Geflüchtete.

“Lose-lose-Situation”

Migrationsforscherin Judith Kohlenberger meinte,  solange es keine legalen Fluchtwege gibt, würden irreguläre Wege bleiben. Österreich sei „sehenden Auges und mit Anlauf“ in die Unterbringungskrise gesteuert. Neben der Visapolitik Serbiens und Ungarn, wo man keinen Asylantrag stellen kann, sei die nicht funktionierende Umverteilung aus Griechenland ein wichtiger Faktor. Die Spirale nach unten, das „Nach-unten-Unterbieten“ der EU-Partner, sei eine „lose-lose Situation“.

Außengrenzschutz allein sei zu kurzsichtig, nachhaltige Lösungen wären legale Fluchtwege. Österreichs Schengen-Veto sei reine Ablenkung, hätte eine EU-Isolation Österreichs zur Folge und sei eine Annäherung an die Visegrad-Staaten oder sogar an Russland.

Die Grundversorgungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern werde nicht angewandt und nicht sanktioniert, dabei würde genau das bei einer fairen Verteilung und würdigen Unterbringung helfen, hieß es weiter auf der Pressekonferenz.

Obdachlosigkeit

Asylrechtsexperte Gahleitner-Gertz widersprach Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der behauptet hatte, die Zusammenarbeit funktioniere “gut“. Tatsächlich gebe es steigende Obdachlosigkeit, während die Forderungen der Hilfsorganisationen verhallen.

Im Vergleich zu 2017 seien es dreimal soviel private Quartiergeber. Parlamentarische Anfragen zeigen, dass die Bundesländer-Quoten nicht eingehalten werden und so Mehrkosten geschaffen werde, da Bundesquartiere teurer seien. Statt sich um Lösungen zu kümmern, setze die türkis-grüne Bundesregierung lieber auf ein „zynisches Ping-Pong-Spiel zwischen dem ÖVP-geführten Innenministerium und ÖVP-geführten Bundesländern“, von denen sich der Traiskirchner Bürgermeister „komplett gefrotzelt“ fühle: „Die sollen endlich aufhören, Forderungen an sich selbst zu stellen und anfangen, ihre Arbeit zu machen.“ Machbare und vernünftige Lösungen dafür gäbe es, „entweder man setzt die um oder man soll den Platz bitte für Leute freimachen, die das können“, so Babler.

“Gewolltes Symbol”

Auf ZackZack-Nachfrage nach Vorschlägen zu einer besseren Versorgung, meinte Babler: „Es braucht nur den politischen Willen, mehr nicht. Das Massenlager in Traiskirchen ist ein politisch gewolltes Symbol, die Ankunftszahlen gehen stetig zurück. Es stehen viele Unterkünfte leer.“

(gh)

Titelbild: Christian Lendl

Gabriel Hartmann
Gabriel Hartmann
Reporter für türkisch-österreichische Gschichten. Beobachtet die Entwicklungen und den Wahlkampf in der Türkei. Dil kılıçtan keskindir.
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16 Kommentare

  1. Ich befürchte ja, das Spiel wird weitergehen:
    250 Menschen ab nach Kindberg. Immer mehr Menschen kommen nach Traiskirchen, wieder überfüllt. Ab nach Kindberg bis dieses restlos voll ist. Sollen ja ca 500-600 Menschen rein passen.
    Es kommen weitere Menschen nach Traiskirchen, wieder übervoll…. usw..

  2. Fleischmann ist wieder Medienchef der ÖVP….

    ES GIBT KEINE ASYLKRISE!

    ES GIBT EINE ENERGIE- UND TEUERUNGSKRISE!

    30% DER ÖSTERREICHER KÖNNEN DIE ENERGIEKOSTEN NICHT BEGLEICHEN!

  3. Bei uns in der Kleinstadt haben wir schon viele angebliche “Flüchtlinge” aus Nahost und Afrika gehabt. Aber zum Glück sind die alle nicht mehr da.
    Sobald Aufenthaltsrecht und/oder Asylantrag durch sind, ziehen diese in die grösseren Städte, wo ihre Community schon lebt und sie näher beim Sozialamt sind.
    Für uns ist das gut und richtig so. Die Probleme haben dann die woken Städte.

  4. Leider hat der Andi Babler keine Lobby im Inneren Kreis der SPÖ.
    Ich denke er könnte einiges bewirken.

    • Andi Babler lebt die Sozialdemokratie so wie ich sie mir vorstelle. Sein Kampf in NÖ Sumpf gegen diese schwarze Bagage ist enorm. Und in der Bundes-SPÖ sollns endlich vom hohen Ross steigen, sie biegen mir inzwischen zu sehr in die falsche Richtung ab.

      • Ich glaub eher, der Andi B. kämpft auch in der eigenen Partei gegen mehrere Windmühlen.
        Hut ab vor dem Menschen Andi B. aber mit kontraproduktiven Haltung der eigenen Partei sollte er eine eigene Liste gründen.

  5. Es zeigt sich dass in der SPÖ auch noch Menschen mit einem Gefühl für das richtige vorhanden sind. Anstand und Mitgefühl sind keine Schande – merkt euch das, ihr türkisen Zerstörer

  6. Wir sind von sicheren dritt Staaten umgeben die Politik schläft auf unsere Kosten sagt man jetzt 2022 darf sich nicht wiederholen und schläft ruhig weiter?

  7. Nirgends ist die Asylmiesere so deutlich wie in Traiskirchen. Da steht ein lösungsorientierter Bürgermeister Babler einer Horde von Leuten gegenüber die sich schlicht und ergreifend weigern Lösungen herbeizuführen. Dieses Spiel läuft auf EU Ebene genauso. Die Rechtspopulisten verhindern jegliche vernünftige Lösungen und bieten statt dessen irrationale Ideen wie die völlig Abschottung Europas nebst Grenzzaun. Das ist die Lösung von Leuten wie FPÖ Vilimsky die immerhin im EU Parlament hocken und dort eine Menge Geld kassieren. Oder den Schwachmaten Nehammer samt Anhang der meint durch erpresserische Ideen Lösungen herbeizwingen zu können während er nebenbei Orban die Füsse küsst anstatt ihn an seine Pflichten als EU Mitglied zu erinnern. So jemanden braucht kein Mensch. Wir brauchen mehr Leute vom Schlag eines Andi Babler auch auf EU Ebene.

    • Vilimsky? Der Taser Harry?
      Keiner konnte ihn in Österreich brauchen, darum sitzt er in Brüssel.
      Das genau ist das Problem der EU. Die meisten Politiker wurden dahin abgeschoben. Kassieren sehr viel Geld für nichts. Gottseidank gibt es auch einige echte Politiker da.
      Der Taser Typ gehört ganz sicher nicht dazu.

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