Samstag, April 27, 2024

Mehr Journalisten in Haft als je zuvor

Pressefreiheit-Organisationen schlagen Alarm: Autoritäre Regime sperren immer mehr Journalisten ein oder verfolgen sie auf anderen Art und Weise.

Wien, 14. Dezember 2022 | Das Komitee zum Schutz von Journalisten (Comittee to Protect Journalists, kurz CPJ) und Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières, kurz RSF) dokumentiert jährlich, wie viele Journalisten getötet, inhaftiert, entführt worden oder verschwunden sind. Am Mittwoch haben sie ihre Berichte für das Jahr 2022 veröffentlicht. Bemerkenswert: Noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen saßen so viele Journalisten im Gefängnis.

Rekord bei inhaftierten Medienschaffenden

2022 schlägt bei den Inhaftierungen das Rekordjahr 2021. Heuer sitzen im Vergleich 13,4 Prozent mehr Medienschaffende wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, darunter neben professionelle Journalisten auch Bürgerjournalisten und Medienmitarbeitende. Das geht aus der Jahresbilanz der Pressefreiheit von RSF hervor. Das CPJ hat sogar einen Anstieg von 20 Prozent dokumentiert, „ein weiterer finsterer Meilenstein in der sich verschlechternden Medienlandschaft“, wie es im Jahresbericht heißt.

Mehr als ein Viertel der von RSF dokumentierten Gefangenen ist im Laufe des Jahres inhaftiert worden. Häufig sitzen Medienschaffende hinter Gittern, ohne ein Verfahren durchlaufen zu haben. Nur rund 36 Prozent sind verurteilt worden. Manche, berichtet RSF, warten seit mehr als 20 Jahren auf ihren Prozess.

Verschiedene Zahlen, gleicher Trend

Zwar unterscheiden sich die absoluten Zahlen der beiden Organisationen aufgrund verschiedener Methoden, aber beide haben den Aufwärtstrend bei Inhaftierungen dokumentiert. Auf Anfrage heißt es von RSF, man nehme nur Fälle von getöteten, entführten und inhaftierten Journalisten in die Zählung auf, wenn abschließend oder mit hoher Sicherheit bestätigt werden konnte, dass ihr Schicksal in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit steht. RSF hat außerdem angegeben, „Journalist“ enger zu definieren als andere Organisationen, die eventuell auch Schicksale von Menschen dokumentieren, die RSF eher als Aktivisten ansieht.

China und Iran unter den Top fünf

Nach Aufzeichnungen des RSF führt China die Liste der Länder mit den meisten inhaftierten Medienschaffenden an, schon seit Jahren. Dahinter folgen Myanmar, Iran, Vietnam und Belarus. Der Iran ist innerhalb weniger Wochen, seit Beginn der Proteste gegen das Regime, an die Spitze geklettert.

In der Aufzählung des CPJ findet sich Iran an der Spitze, gefolgt von China, Myanmar, Türkei, Belarus.

Pressefreiheit in Gefahr

Der Aufwärtstrend zeige, dass autoritäre Regime verstärkt dazu übergingen, „störende Journalistinnen und Journalisten einfach wegzusperren“, schreibt RSF. Aber, hält das CPJ fest, neben Inhaftierungen haben Regierungen weltweit auch andere Wege gefunden, um die Pressefreiheit zu beschneiden. Sie verbreiten etwa Fake News, spionieren Reporter und deren Angehörige aus, verfolgen Journalisten auf Basis von vager Gesetzgebung, die ihnen viel Handlungsspielraum lässt und diffamieren Einzelpersonen, um nachhaltig ihren Ruf zu schädigen.

RSF berichtet, dass Journalisten 2022 weniger während ihrer Arbeit, sondern vermehrt zu Hause oder in Verstecken ausgeforscht und festgenommen worden sind. Quellen des CPJ berichteten von frühmorgendlichen Razzien im Iran, bei denen die Heime von Reportern von der Polizei gestürmt, die Einwohner teils geschlagen und Arbeitsmaterialien und -mittel mitgenommen worden sind.

Minderheiten besonders betroffen

Laut Aufzeichnungen des CPJ sind besonders Minderheiten überproportional von Inhaftierungen und Repressalien betroffen. Im Iran wie in der Türkei sind etwa Kurden seit Jahren unterdrückt. Im Iran stehen sie an der Spitze der aktuellen Proteste, die nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam entbrannt sind. In der Türkei sind zahlreiche kurdische Journalisten verhaftet worden, im Irak sind alle der dieses Jahr dokumentierten inhaftierten Journalisten Kurden. China hingegen setzt die Verfolgung und Unterdrückung der Uiguren fort.

(pma)

Titelbild: MOHAMED EL-SHAHED / AFP / picturedesk.com

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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5 Kommentare

  1. Ich kenne einige, nicht persönlich, die durch ihre Recherchetätigkeiten in Gefahr kamen, einer ist der FAZ Redakteur Hedtstück, recherchierte zu wirecard, es könnte sein, dass dahinter – da Marsalek mit RU sehr eng ist – sogar Y Prigozhin steht. Es decken sich viele Themen, Länder, Drohgebärden, die Observation (taucht immer m Y Prigozhin auf).. Auch Schweizer Journalisten haben es mit der österr. Unhöflichkeit zu tun bekommen, wenn es um Berichterstattung ging.
    in Ö durch RU Omnipräsenz sind zB die Investigativ-Journalisten Szangholkan (dossier) und Nikbaksh in den Fokus geraten. Auch andere durch zB ihre Soziale Arbeit, die dann Dinge erfahren und als willensstark, leider starb dieser.
    Jeanée – kann mir gut vorstellen, dass er mehr weiß, als er wissen wollte und deshalb den “Geist des Vergessens” gesucht hat (sprach man ihm nicht Probleme mit Flüssigkeiten zu?). Hätte er immer alles berichtet….

  2. Das kann unseren Journalisten nicht passieren…..zumindest den meisten.
    Die sind Systemkonform.

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