Montag, April 29, 2024

Gewalt gegen Frauen: Kampagne ruft zu Zivilcourage auf

Eine neue Video-Kampagne der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser soll der Bevölkerung Wege aufzeigen, gegen Gewalt an Frauen Zivilcourage zu zeigen.

Wien, 16. Dezember 2022 | Mit dem internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember sind die „16 Tage gegen Gewalt“ zu Ende gegangen, die auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam machen sollen. Am Donnerstag haben nun die Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF) eine neue Bewusstseinskampagne gegen Gewalt an Frauen im Votivkino präsentiert. Unter dem Titel „Keine Privatsache“ werden Wege aufgezeigt, Zivilcourage zu zeigen, wenn man Zeuge oder Zeugin von Gewalt an Frauen wird.

„Es ist unsere Aufgabe als Frauenorganisation und Opferschutzeinrichtung, dass wir immer wieder in die Öffentlichkeit gehen, dass wir den Frauen zeigen, es ist kein Einzelschicksal, das sie erleiden, sondern ein gesellschaftliches Phänomen“, so AÖF-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer gegenüber ZackZack. Man wolle den Frauen zeigen, dass sie nicht alleine sind und dass sie ein Recht und die Möglichkeit auf ein gewaltfreies Leben haben.

„Kontrolliere nicht deine Partnerin, sondern deine Gefühle“

In dem zweiminütigen Video sind mehrere Frauen und Männer zu sehen, die Fakten zu Gewalt gegen Frauen zitieren und Tipps geben, was zu tun ist, wenn man Gewalt gegen Frauen miterlebt oder davon erzählt bekommt. „Sag‘ was dagegen“, „Hör‘ ihr zu“, „Du kannst Gewalt unterbrechen, indem du an die Wohnungstür klopfst“, „Kontrolliere nicht deine Partnerin, sondern deine Gefühle“, lauten etwa die Tipps und Appelle. Das Video ist auf Deutsch produziert worden und daneben in Versionen mit Untertiteln in mehreren Sprachen, Englisch, Arabisch, Polnisch, Türkisch und Ukrainisch.

„Wir alle können lernen, uns bei Gewalt an Frauen einzumischen und verantwortungsvoll zu handeln. Jeden Tag“, sagt in dem Video ein junger Mann in die Kamera. Man habe ganz bewusst Männer in die Kampagne eingebunden, appelliere an sie, einen Beitrag zu leisten, erzählt AÖF-Geschäftsführerin Rösslhumer: „Die Männer müssen Haltung einnehmen, sie müssen uns unterstützen.“ Es sei wichtig, dass etwa Freunde Stellung bezögen und sagten: „Es ist nicht in Ordnung, was du mit deiner Freundin machst.“

Jede dritte Frau

Die Zahlen, welche die AÖF dokumentieren, sind ernüchternd: Über jede dritte Frau in Österreich ist von sexueller oder körperlicher Gewalt durch Männer betroffen. Mehr als jede vierte Frau hat bereits eine Form von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Mehr als jede fünfte Frau ist von Stalking betroffen. Das alles „trotz guter Gesetze und Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen“, schreiben die AÖF in einer Aussendung von Donnerstag.

„Diese traurigen Zahlen zeigen, dass Machtungleichheit der Geschlechter und patriarchales Denken in unserer Gesellschaft nach wie vor weit verbreitet sind.“ Es benötige daher laufend Kampagnen, die zu einem grundlegenden Umdenken führten, damit sich tiefgreifend etwas verändere. Das Video ist in Langversion auf YouTube zu sehen.

Bisher 28 Femizide in Österreich

Laut AÖF werden in kaum einem anderen Land so viele Frauenmorde verübt wie in Österreich. Ein Faktencheck der APA im Jahr 2021 hat ergeben, dass Österreich bei Frauenmorden pro 100.000 Einwohnern im Europa-Vergleich in mehren Jahren im obersten Drittel lag, 2009 und 2018 sogar an der Spitze respektive auf dem zweiten Platz, in ebenso vielen Jahren aber auch in der untersten Hälfte der Vergleichsländer und im Jahr 2015 sogar auf der letzten Position.

Strafrechts- und Konfliktexpertinnen, die die APA befragte, mahnten aber zur vorsichtigen Interpretation der Zahlen. Teils deckten sich die Daten von Eurostat und nationalen Kriminalstatistiken nicht. Auch variiere die Definition, was als Femizid einzuordnen sei, von Land zu Land, was einen verlässlichen Vergleich erschwere. Außerdem lagen zum Zeitpunkt des Faktenchecks bei Eurostat nur Erhebungen bis 2018 vor, wodurch neuere Trends nicht abgebildet werden konnten.

Fakt ist: Dieses Jahr sind laut Aufzeichnungen des AÖF bisher 28 mutmaßliche Femizide verübt worden, gegenüber 31 im Vorjahr, 24 im Jahr 2020 und 22 im Jahr 2019. Femizide sind Tötungen von Frauen durch Männer aufgrund ihres Geschlechts, oder weil sie gegen die traditionellen Rollenvorstellungen verstoßen, die Frauen zugeschrieben werden. Sie zählen zu den Hassverbrechen. Täter sind meist aus dem unmittelbaren Umfeld: (Ex-)Partner, Bekannte oder Familienmitglieder der Frauen.

Hilfenummern

In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, Hilfe und Informationen unter:

Anlaufstellen für Männer in Krisen- und Gewaltsituationen, Beratung in Krisen sowie zur Prävention und Beendigung von Gewalt in der Familie:

(pma)

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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4 Kommentare

  1. Gut dass es diese Initiativen gibt, denn Frauenministerin haben wir in Österreich keine.
    Es muss immer wieder hingeschaut und in die Öffentlichkeit gebracht werden, es darf nicht stillschweigend hingenommen werden.
    Mit dem Gedankengut und der Einstellung der reaktionären ÖVP bleiben wir im 19.Jhdt stecken.

  2. Es gab kürzlich eine Verfilmung von Alice Schwarzers Leben. Ich frag mich was sich seit der ersten Auflage ihrer Zeitschrift Emma geändert hat. Irgendwie fällt mir nicht ein.

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