Samstag, Juli 27, 2024

Notruf AKH – Teil 1: »Alles für die Patienten!«

Ab Mittwoch Früh ist an der urologischen Universitätsklinik des Wiener AKH Schluss. Wer nach dem Eingriff kein Bett mit urologischer Fachbetreuung hat, kann nicht mehr operiert werden. Das AKH droht jetzt selbst zum Notfall zu werden.

Peter Pilz

Wien, 20. Dezember 2022 | In der urologischen Abteilung des Wiener AKH droht ein OP-Streik. Die Ärzte weigern sich demnach, mehr Patienten zu operieren, als Betten für sie an der urologischen Station zur Verfügung stehen. Nur Patienten, die nach ihrer Operation in Betten der urologischen Abteilung fachgerecht versorgt werden können, sollen noch in den OP-Saal kommen. Pro Tag kann das zwischen zwei und fünf Patienten treffen.

Das Problem soll der Leitung des AKH und dem Wiener Gesundheitsverbund WIGEV seit langem bekannt sein, wie es gegenüber ZackZack heißt: Weil immer mehr Pflegekräfte fehlen, ist die urologische Station 17D längst gesperrt. Auf der verbliebenen Station 17C gibt es 18 statt 48 Betten. Stundenlang müssen Betten auf Fremdstationen für frisch operierte Patienten und Notfälle gesucht werden. Dort besteht die Gefahr von Zwischenfällen und Schädigungen, weil die Patienten von fachfremdem, überlastetem Personal betreut werden müssen.

Bei den Operationen sieht es nicht besser aus. Der dritte OP-Tisch ist seit langem gesperrt, der zweite Tisch fällt immer öfter kurzfristig aus. Krebspatienten, die tagelang vorbereitet wurden, erfahren kurz vor ihrem Eingriff, dass sie ohne Operation nach Hause geschickt werden.

Ein Drittel weniger Operationen, statt 48 nur noch 18 Betten – das hat die Abteilung mehrmals der Spitze des AKH gemeldet. „Wir könnten wöchentlich eine Gefährdungsanzeige schreiben – aber wozu? Es nützt ja nicht mehr“, berichtet ein Arzt am Rande seines Dienstes, in dem er wieder stundenlang Betten gesucht hat. Jetzt hofft er, dass es besser wird: “Wir tun das alles für die Patienten, nicht für uns.”

„Komplett überfordert“

Eine interne Chronologie dokumentiert die Leidensgeschichte der Urologie bis zur Gefährdungsanzeige im Oktober 2022:

26.3.2019: Die medizinische Betreuung der Patienten ist mit derzeitigen Ressourcen nicht zu gewährleisten. Notsituation.

6.5.2021: Ansuchen um Hilfeleistung, um die Patientensicherheit zu gewährleisten.

4.10.2021: Kurzfristige Bettensperre auf 17D, keine Lösungsmaßnahme. Gravierende gesundheitliche Risiken für Patienten.

8.3.2022: Gefährdungsanzeige bezüglich OP-Pflegepersonalmangel.

28.4.2022: Stationärer Betrieb komplett überfordert. Chirurgische Planbarkeit nicht sicherstellbar. Bitte um Unterstützung.

28.9.2022: Dreiviertelsperre der urologischen Betten.

4.10.2022: Gefährdungsanzeige.

28 Ärztinnen und Ärzte unterschreiben im Oktober 2022 die Gefährdungsanzeige an den WIGEV, die Medizinische Universität und die Ärztekammer. Zwei Monate später stellen sie fest, dass das wieder nichts gebracht hat.

„Alle am Ende“

Die Ärzte der AKH-Urologie können nicht auf andere Wiener Spitäler ausweichen. Rudolfsstiftung und Lainz haben ihre Urologie bereits gesperrt. Die verbliebenen Spitäler mit Urologie sind genauso überlastet wie das AKH. „Wir sind alle am Ende.“ Der Arzt, der das sagt, möchte nicht genannt werden.

WIGEV und AKH-Leitung sind jetzt am Zug. ZackZack berichtet demnächst weiter: über die Zustände auf anderen Stationen und in anderen Spitälern, über abgesagte Operationen, über stundenlanges Bettensuchen und über Rettungssperren.

Titelbild: ZackZack/Miriam Mone

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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