Freitag, März 29, 2024

Aufwachen: Na, Oida!

Eine unschöne Silvestergeschichte und die Hybris der staatlich geförderten Privatwirtschaft.

 

Daniel Wisser

30. Dezember 2022 | Kurz vor dem Jahreswechsel, der aber politisch und wirtschaftlich keine Veränderungen verspricht, hat sich die Regierung wieder auf die Ausschüttung von Milliarden an die sogenannte Wirtschaft verständigt. Man könne es schaffen, so Kanzler Nehammer kürzlich, aus der Krise stärker herauszukommen als man hineingegangen sei. Nun, die großen Wirtschaftsbetriebe, vor allem jene, die sich seit 2017 als großzügige Spender der ÖVP betätigen, haben das schon geschafft. Sie haben mit Geld vom Staat Übergewinne erwirtschaftet.

Bezahlt wird das alles von jemand anderem, nämlich aus den Steuern jener Menschen, die es immer schwerer haben, ihr Auslangen zu finden. Dabei sind die Leistungen der Wirtschaft nach Corona schwach und schwächer geworden: Keine Bemühungen um die Kunden, zu wenig Personal, Lieferschwierigkeiten, ungerechtfertigte Teuerungen und einfach Faulheit. Es gibt ja eh die Förderungen! Die Hybris dieses fettgefressenen Molochs treibt die seltsamsten Blüten. Mit allen Mitteln – das hat man von Politik und einem Innenministerium, das sich um Gesetze überhaupt nicht kümmert, bereits gelernt –, mit allen Mitteln will man den Menschen Geld abknöpfen. Dazu erzähle ich folgende Geschichte, die ich tatsächlich erlebt habe und mit Dokumenten belegen kann.

Zahlungsbefehl mit beiliegendem Erlagschein

Nach meiner Rückkehr von einer Reise Anfang August, fand ich in meinem Briefkasten eine Mitteilung vor: Ein RSb-Brief vom Bezirksgericht Floridsdorf lag zur Abholung auf meinem Postamt. Er enthielt wenig Erfreuliches: einen bedingten Zahlungsbefehl mit beiliegendem Erlagschein. Ich hätte bei einem Bauwarenhändler in Österreich (vertreten durch einen Rechtsanwalt in Wien Neubau) ein Jahr zuvor Waren im Gesamtwert von 339,00 Euro bestellt und geliefert bekommen, aber weder die Rechnung bezahlt noch die Mahnungen einer Bank (im Übrigen ein zweifelhaftes schwedisches Bankhaus, das wegen vieler Unregelmäßigkeiten bekannt ist), sowie eines Inkassobüros ignoriert. Macht mit allen Gebühren und Zinsen: 654,45 Euro.

Ich ging im Kreis und überlegte, ob ich dort nicht doch bestellt hatte. Leider war nicht beigelegt, was ich angeblich gekauft hatte. Und wäre es um 90,00 Euro gegangen, hätte ich vielleicht sogar bezahlt. Andererseits war ich sicher, dass ich bei diesem Unternehmen nie einen User angelegt hatte, weil ich die betreffende Bauwarenhandelskette wegen ihrer Arbeitnehmerfeindlichkeit boykottiere.

Einspruch

Ich beschloss, Einspruch zu erheben und rief bei Gericht an. Sagenhaft unfreundlich wurde mir mitgeteilt, das Schreiben sei im Juni abgeschickt worden, müsse mich als längst erreicht haben. Die Frist sei verstrichen und ich habe dem Zahlungsbefehl Folge zu leisten. Nun wurde ich kämpferisch und nahm in Rücksprache mit meiner Rechtsversicherung einen Anwalt.

Als der Anwalt bei Gericht anrief, war man deutlich freundlicher. Das Schreiben sei zwar im Juni erstellt worden, aber durch den Personalmangel wegen Coronainfektionen erst Ende Juli abgeschickt worden. Außerdem gelte die Einspruchsfrist vier Wochen nach der Behebung bei der Post. Ich könne also Einspruch erheben.

Kein einziger Beweis

Mein Anwalt setzte nun mit mir den Einspruch gegen den Zahlungsbefehl auf, wobei erstmals auf die die klagende Partei treffende Beweislast hingewiesen wurde. Immer noch hatte ich Angst, man könne mir Daten einer Bestellung vorlegen, die ich tatsächlich gemacht hatte. Sofort nach dem Einspruch kam es aber zu einer Klagsrücknahme der Gegenseite ohne, dass ein einziger Beweis vorgelegt wurde: Anstatt von mir 654,45 zu bekommen, musste die Gegenseite nun 211,03 Euro bezahlen.

Die Sache ließ mir keine Ruhe und ich fragte meinen Anwalt, wie es denn überhaupt möglich sei, ohne die Vorlage irgendeines Beweises über ein Gericht Geld einzumahnen, das dieses per Zahlungsbefehl mit beigelegtem Erlagschein sofort einklage. Seine Antwort: Es gäbe bei Geldforderungen bis zu 75.000,00 Euro in Österreich ein vereinfachtes Mahnverfahren, bei dem das Gericht die inhaltliche Berechtigung des Anspruchs nicht prüfe, sondern einen bedingten Zahlungsbefehl erlasse. Unternähme ein Beklagter dagegen nichts, werde dieser Zahlungsbefehl rechtskräftig und könne vollstreckt werden. Vielleicht mahne ich demnächst ein Literaturhaus wegen einer nicht-bezahlten und nicht-gehaltenen Lesung auf 74.999,99 Euro und das Gericht schickt ihnen gleich den Erlagschein mit. Die würden sich denken, was ich mir nach dieser Sache dachte: »Na, Oida!« Und nie wieder würde ich dort auftreten können.

Gegen den Konsumenten

Nicht nur, dass ich das für eine Lücke in der Gesetzgebung halte. Ich würde sagen, hier liegt eine konsumentenfeindliche Praxis zugrunde, die eines zur Folge hat: Es gibt Unternehmen, die auf diesem Weg bewusst versuchen, Menschen, die sich gegen diesen Betrug nicht zur Wehr setzen oder lieber gleich einem Zahlungsbefehl nachkommen, auszunehmen. Und tatsächlich fand ich später heraus, dass das, was mir widerfahren war, kein Einzelfall gewesen war, sondern dass es solche Fälle zu Tausenden gab und immer noch gibt.

Solche Dinge stellt die ewig heiliggesprochene und zu Tode geförderte Wirtschaft in Österreich an. Sie wendet sich als erstes gegen den Konsumenten. Das betreffende Unternehmen hat übrigens von der COFAG Förderungen im siebenstelligen Bereich bekommen. Solche Dinge stellen renommierte Rechtsanwaltskanzleien im siebten Bezirk und bestimmt auch anderswo an. Es ist ein Geschäftsmodell. Staatlich geförderter Betrug.

Besser herauskommen, als man hineingegangen ist

Ich brauche also nicht zu sagen, dass ich von einer abermaligen Milliardensubvention an die österreichische Wirtschaft nichts halte. Dabei werden die vielen Klein- und Mittelbetriebe, die seit Jahren in Schwierigkeiten sind, ganz bewusst übergangen. Gefördert werden große Betriebe, die Millionenüberweisungen schon so gewohnt sind, dass sie nicht einmal mehr Danke sagen und nur überlegen, wie sie den Konsumenten weiter ausnehmen können. Gerade die Österreichische Volkspartei, die seit Jahrzehnten behauptet, sie alleine könne richtig wirtschaften, gibt nun so viel Geld aus, dass künftige Regierungen ihren Wähler*innen viele Jahre lang erklären werden müssen, warum der Staat sparen muss.

Es ist das leider keine schöne Silvestergeschichte geworden. Trotzdem: Ich wünsche allen Menschen, die ihr Geld auf ehrliche Weise verdienen, ein schönes und erfolgreiches Jahr 2023. Seid vorsichtig beim Online-Kauf in Österreich und anderswo! Und kommt besser aus dem Baumarkt heraus, als ihr hineingegangen seid. Aufwachen! Und wehrt Euch!

Titelbild: ZackZack/Miriam Mone

Daniel Wisser
Daniel Wisser
Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.
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29 Kommentare

  1. Es wird für die große Mehrheit der Menschen nichts besser, solange der Kapitalismus nicht überwunden ist. Selbiger bedingt den Reichtum ebenso wie die Armut. Aber er entstammt der Natur des Menschen und ist somit so lange unüberwindbar, solange diese Natur so ist wie sie ist. Anders gesagt: Wir leiden an uns selbst. Nur wenn wir anders werden, wird es anders werden. Aber werden wir es? Einfach so? Auf evolutionärem Wege? Nein. Und vor einem anderen graut mir mehr als vor allem anderen. Sogar vor dem Kapitalismus.

  2. Ich freue mich wirklich dass endlich einmal jemand zwischen Groß- und Kleinunternehmen differenziert. Würde auch dem Momentum Institut gut tun.

  3. Einen guten Anfang und ein gutes, aufgeklärtes und ehrliches Jahr 2023. Das wünsche ich allen hier.

    Für die Redaktion ein extra Gruß: Möge das Jahr 2023 mit zackzack als Fixgröße im österreichischen Journalismus aufdeckerisch sein. Gute Arbeit in schweren Zeiten.

  4. Vielen Dank Herr Wisser für den Beitrag zum Jahresausklang. Ich wünsche Ihnen und auch allen PosterInnen hier einen guten Rutsch und ein gesundes Jahr 2023.

  5. Jaja, 30 Jahre später können wir den neoliberalen erklären warum kritische Unternehmen ihnen wieder weggenommen und verstaatlicht werden müssen. Es geht um deren Effizienz… ja genau jene wegen der diese Leute deren Privatisierung gefordert hatten. Jetzt haben sie in 30 Jahren bewiesen, sie bauen gleich noch mehr Scheiße und verstaatlicht ist definitiv effizienter, billiger und schafft viele würdige Arbeitsplätze. Ja sogar der Inflationsbekämpfung dürfte es dienlich sein.

    Oh, nicht missverstehen, ich rede nicht davon sie zurück zu kaufen. Ich rede von Enteignung. Die Betriebe damals wurden viel zu billig aufgrund von Lügen und Betrug verkauft. Das war klarer Diebstahl und diese Konzerne sind Hehlerware. Sie müssen, entschädigungslos, beschlagnahmt und der Allgemeinheit zurückgegeben werden.

    • Einen Freund von mir wurde sein Gründungsstück von Land in Tansania enteignet weil genau da wo er mit seiner Familie NUR leben wollte Bodenschätze sind. Sowas passiert weltweit einfach.
      Ich für meinen Teil denke mir immer wieder, welche Ratten regieren ein Land.

  6. Ach das meinte seinerzeit Christoph Leitl mit der Ansage an die Politik, sie möge doch die Basis schaffen für mehr Wachstumssteigerung und weniger Bürokratie…

  7. Guter Beitrag – eine sehr gute und sehr glaubwürdige Geschichte.

    Ja, ich bin sehr gespannt, wann dieses Dauerbehördeversagen in Österreich endlich in den dafür notwendigen Öffentlichkeitsfokus kommt.

    Es kennen sich vor allem Richter, Rechtsanwälte, Staatsanwälte, aber auch die organisierte Kriminalität usw. in diesem Land u das schon lange viel zu gut

    Dazu muss man aber auch nochmals den Immunitätserlasse betrachten.
    Offiziell und politisch so gewollte kriminelle Organisationen, ohne dass dagegen ermitteln wird, oder eben vernünftiger weise überhaupt werden würde
    Da kriegt mein Satz davor noch wesentlich mehr Power!
    Und noch mehr Power wenn man weiß, dass die Justizminsterin schon öfters dessen Ende verkündet hatte, welche Verkündigung aber stets Fake News waren und auch die Qualitätsmedien das bis heute nicht einmal berichtigt haben oder hätten müssen.
    Und noch viel mehr Power, wenn man auch noch weiß, dass das die Oppositionen noch weniger krazt als d Justizministerin.

  8. Danke für die schönen Neujahrswünsche, wünsche selbiges. Zur Geschichte muss ich sagen, dass mich gelegentlich eine regelrechte Zivilisationsmüdigkeit überkommt und zwar dann, wenn ich das Gefühl habe, es geht im Leben nur noch darum, zu verhindern übervorteilt oder ausgenommen zu werden. Angesichts eines in der Menschheitsgeschichte einzigartig hohen Niveaus an Fortschritt und Wohlstand, das es uns ermöglichen würde uns mit anderen Dingen zu beschäftigen, ist das mehr als beschämend. Der menschliche Geist scheint mit dem Fortschritt nicht mitgehalten zu haben. Irgendwie sind wir immer noch bei den Keulen, auch wenn die in Form von Mahnschreiben und Betrügern daherkommen.

  9. Ähnliches passiert mir seit nun 3 Jahren am Laufenden Band….. Wirklich!

    Tut gut zu hören, dass das kein Einzelphänomen zu sein scheint!

  10. Wirtschaft und bauern, die von der regierung gemästet werden.
    Wann gibt es endlich einen generalstreik?
    u nebenbei werden fette dividenden ausbezahlt.
    die stehlen unsere hart verdienten steuergelder.

    • Bauern werden sicher nicht gemästet, da kämpft jeder einzelne ums überleben.
      Gemästet werden Landwirtschaftsfabriken die ordentlich Obolus abdrücken….!

    • Wie Sie richtig bemerken, sind es u.a. die Bauern, die in nicht nachvollziehbarer Weise vor allem bei Köstinger Traktoren voller Steuergelder abholen konnten. Dann die Jungbauern mit knapp 1 Mio, die den Staat – auch offiziell bestätigt – betrogen haben. Es wird Zeit für einen Almabtrieb der Regierung! Ihnen einen guten Rutsch ins neue Jahr! 🥂🍾

  11. Tolles Storytelling…! Alle 3 Teile! Herzlichen Dank, beiben Sie uns bitte gewogen und ein gesundes, waches, kreatives, erfolgreiches neues Jahr 2023!

    Auch an die Community! 🙂

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