Samstag, Oktober 5, 2024

Aufwachen: Na, Oida!

Eine unschöne Silvestergeschichte und die Hybris der staatlich geförderten Privatwirtschaft. 

Daniel Wisser

30. Dezember 2022 | Kurz vor dem Jahreswechsel, der aber politisch und wirtschaftlich keine Veränderungen verspricht, hat sich die Regierung wieder auf die Ausschüttung von Milliarden an die sogenannte Wirtschaft verständigt. Man könne es schaffen, so Kanzler Nehammer kürzlich, aus der Krise stärker herauszukommen als man hineingegangen sei. Nun, die großen Wirtschaftsbetriebe, vor allem jene, die sich seit 2017 als großzügige Spender der ÖVP betätigen, haben das schon geschafft. Sie haben mit Geld vom Staat Übergewinne erwirtschaftet.

Bezahlt wird das alles von jemand anderem, nämlich aus den Steuern jener Menschen, die es immer schwerer haben, ihr Auslangen zu finden. Dabei sind die Leistungen der Wirtschaft nach Corona schwach und schwächer geworden: Keine Bemühungen um die Kunden, zu wenig Personal, Lieferschwierigkeiten, ungerechtfertigte Teuerungen und einfach Faulheit. Es gibt ja eh die Förderungen! Die Hybris dieses fettgefressenen Molochs treibt die seltsamsten Blüten. Mit allen Mitteln – das hat man von Politik und einem Innenministerium, das sich um Gesetze überhaupt nicht kümmert, bereits gelernt –, mit allen Mitteln will man den Menschen Geld abknöpfen. Dazu erzähle ich folgende Geschichte, die ich tatsächlich erlebt habe und mit Dokumenten belegen kann.

Zahlungsbefehl mit beiliegendem Erlagschein

Nach meiner Rückkehr von einer Reise Anfang August, fand ich in meinem Briefkasten eine Mitteilung vor: Ein RSb-Brief vom Bezirksgericht Floridsdorf lag zur Abholung auf meinem Postamt. Er enthielt wenig Erfreuliches: einen bedingten Zahlungsbefehl mit beiliegendem Erlagschein. Ich hätte bei einem Bauwarenhändler in Österreich (vertreten durch einen Rechtsanwalt in Wien Neubau) ein Jahr zuvor Waren im Gesamtwert von 339,00 Euro bestellt und geliefert bekommen, aber weder die Rechnung bezahlt noch die Mahnungen einer Bank (im Übrigen ein zweifelhaftes schwedisches Bankhaus, das wegen vieler Unregelmäßigkeiten bekannt ist), sowie eines Inkassobüros ignoriert. Macht mit allen Gebühren und Zinsen: 654,45 Euro.

Ich ging im Kreis und überlegte, ob ich dort nicht doch bestellt hatte. Leider war nicht beigelegt, was ich angeblich gekauft hatte. Und wäre es um 90,00 Euro gegangen, hätte ich vielleicht sogar bezahlt. Andererseits war ich sicher, dass ich bei diesem Unternehmen nie einen User angelegt hatte, weil ich die betreffende Bauwarenhandelskette wegen ihrer Arbeitnehmerfeindlichkeit boykottiere.

Einspruch

Ich beschloss, Einspruch zu erheben und rief bei Gericht an. Sagenhaft unfreundlich wurde mir mitgeteilt, das Schreiben sei im Juni abgeschickt worden, müsse mich als längst erreicht haben. Die Frist sei verstrichen und ich habe dem Zahlungsbefehl Folge zu leisten. Nun wurde ich kämpferisch und nahm in Rücksprache mit meiner Rechtsversicherung einen Anwalt.

Als der Anwalt bei Gericht anrief, war man deutlich freundlicher. Das Schreiben sei zwar im Juni erstellt worden, aber durch den Personalmangel wegen Coronainfektionen erst Ende Juli abgeschickt worden. Außerdem gelte die Einspruchsfrist vier Wochen nach der Behebung bei der Post. Ich könne also Einspruch erheben.

Kein einziger Beweis

Mein Anwalt setzte nun mit mir den Einspruch gegen den Zahlungsbefehl auf, wobei erstmals auf die die klagende Partei treffende Beweislast hingewiesen wurde. Immer noch hatte ich Angst, man könne mir Daten einer Bestellung vorlegen, die ich tatsächlich gemacht hatte. Sofort nach dem Einspruch kam es aber zu einer Klagsrücknahme der Gegenseite ohne, dass ein einziger Beweis vorgelegt wurde: Anstatt von mir 654,45 zu bekommen, musste die Gegenseite nun 211,03 Euro bezahlen.

Die Sache ließ mir keine Ruhe und ich fragte meinen Anwalt, wie es denn überhaupt möglich sei, ohne die Vorlage irgendeines Beweises über ein Gericht Geld einzumahnen, das dieses per Zahlungsbefehl mit beigelegtem Erlagschein sofort einklage. Seine Antwort: Es gäbe bei Geldforderungen bis zu 75.000,00 Euro in Österreich ein vereinfachtes Mahnverfahren, bei dem das Gericht die inhaltliche Berechtigung des Anspruchs nicht prüfe, sondern einen bedingten Zahlungsbefehl erlasse. Unternähme ein Beklagter dagegen nichts, werde dieser Zahlungsbefehl rechtskräftig und könne vollstreckt werden. Vielleicht mahne ich demnächst ein Literaturhaus wegen einer nicht-bezahlten und nicht-gehaltenen Lesung auf 74.999,99 Euro und das Gericht schickt ihnen gleich den Erlagschein mit. Die würden sich denken, was ich mir nach dieser Sache dachte: »Na, Oida!« Und nie wieder würde ich dort auftreten können.

Gegen den Konsumenten

Nicht nur, dass ich das für eine Lücke in der Gesetzgebung halte. Ich würde sagen, hier liegt eine konsumentenfeindliche Praxis zugrunde, die eines zur Folge hat: Es gibt Unternehmen, die auf diesem Weg bewusst versuchen, Menschen, die sich gegen diesen Betrug nicht zur Wehr setzen oder lieber gleich einem Zahlungsbefehl nachkommen, auszunehmen. Und tatsächlich fand ich später heraus, dass das, was mir widerfahren war, kein Einzelfall gewesen war, sondern dass es solche Fälle zu Tausenden gab und immer noch gibt.

Solche Dinge stellt die ewig heiliggesprochene und zu Tode geförderte Wirtschaft in Österreich an. Sie wendet sich als erstes gegen den Konsumenten. Das betreffende Unternehmen hat übrigens von der COFAG Förderungen im siebenstelligen Bereich bekommen. Solche Dinge stellen renommierte Rechtsanwaltskanzleien im siebten Bezirk und bestimmt auch anderswo an. Es ist ein Geschäftsmodell. Staatlich geförderter Betrug.

Besser herauskommen, als man hineingegangen ist

Ich brauche also nicht zu sagen, dass ich von einer abermaligen Milliardensubvention an die österreichische Wirtschaft nichts halte. Dabei werden die vielen Klein- und Mittelbetriebe, die seit Jahren in Schwierigkeiten sind, ganz bewusst übergangen. Gefördert werden große Betriebe, die Millionenüberweisungen schon so gewohnt sind, dass sie nicht einmal mehr Danke sagen und nur überlegen, wie sie den Konsumenten weiter ausnehmen können. Gerade die Österreichische Volkspartei, die seit Jahrzehnten behauptet, sie alleine könne richtig wirtschaften, gibt nun so viel Geld aus, dass künftige Regierungen ihren Wähler*innen viele Jahre lang erklären werden müssen, warum der Staat sparen muss.

Es ist das leider keine schöne Silvestergeschichte geworden. Trotzdem: Ich wünsche allen Menschen, die ihr Geld auf ehrliche Weise verdienen, ein schönes und erfolgreiches Jahr 2023. Seid vorsichtig beim Online-Kauf in Österreich und anderswo! Und kommt besser aus dem Baumarkt heraus, als ihr hineingegangen seid. Aufwachen! Und wehrt Euch!

Titelbild: ZackZack/Miriam Mone

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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