Samstag, Juli 27, 2024

Studie: Mehr Desinteresse an Wissenschaft als Skepsis

Erste Ergebnisse einer IHS-Studie weisen darauf hin, dass Österreicher Wissenschaft eher desinteressiert als skeptisch gegenüberstehen. Die Demokratie-Unzufriedenheit steigt indes.

Wien, 03. Jänner 2023 | Das Desinteresse an Wissenschaft dürfte in Österreich ausgeprägter sein als die Wissenschaftsskepsis. Jedoch hat die Zufriedenheit mit der Demokratie in den vergangenen Jahren abgenommen. Das zeigen erste Ergebnisse einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) über Ursachen von Wissenschafts- und Demokratieskepsis.

Die Studie ist 2021 vom Bildungsministerium in Auftrag gegeben worden. Dienstagvormittag präsentierten Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP) und Studienleiter Johannes Starkbaum erste Zwischenergebnisse. Die Endergebnisse sollen im August beim Europäischen Forum Alpbach vorgestellt werden.

Desinteresse nicht gleich Skepsis

Starkbaum betonte, dass Desinteresse nicht mit Skepsis gleichgesetzt werden dürfe. Das Vertrauen in Wissenschaft sei hierzulande im Zeitverlauf hoch und konstant. “Wir sehen in unseren Daten, dass vor allem das Desinteresse an Wissenschaft in Österreich ausgeprägter ist als systematische Skepsis über mehrere Bereiche der Wissenschaft und mangelndes Vertrauen in Wissenschaft”, so Starkbaum.

Als Beleg dafür nannte er Österreich-Daten aus dem Wellcome Global Monitor. Demnach sagen deutlich über 80 Prozent der Befragten, die an Wissenschaft desinteressiert sind, dass sie Wissenschaft sehr oder zumindest etwas vertrauen.

Zufriedenheit mit Demokratie abgenommen

In einer Eurobarometer-Umfrage von 2021 haben relativ viele Menschen in Österreich wissenschaftsskeptischen beziehungsweise verschwörungstheoretischen Aussagen zugestimmt. Darunter waren Aussagen wie, dass der Klimawandel natürlichen Ursprungs sei (31 Prozent Zustimmung), Viren im Labor erzeugt werden, um die Bevölkerung zu kontrollieren (23 Prozent) oder Ergebnisse der Krebsforschung zu kommerziellen Zwecken zurückgehalten werden (21 Prozent). “Aber nur eine vergleichsweise kleine Gruppe – sechs Prozent – stimmen allen drei Aussagen zu”, so Starkbaum.

Das Vertrauen in Wissenschaft sei in allen bisher analysierten Untersuchungen im Zeitverlauf konstant. Außerdem sei es stärker ausgeprägt als jenes in andere Bereiche und auch in staatliche Institutionen, die abgefragt wurden. Auch während der Pandemie sei es hier zu keinem Einbruch gekommen, auch die Wissenschaftsskepsis habe die Pandemie nicht massiv befeuert. Dagegen zeige sich deutlich, dass die Zufriedenheit mit der Demokratie in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen habe.

Vor allem Rechtswähler wissenschaftsskeptisch

Generell gebe es zwar Unterschiede in der Wissenschaftsskepsis zwischen soziodemographischen und -ökonomischen Gruppen, diese seien aber nicht sehr groß. Eher zur Skepsis würden Personen mit geringer Zufriedenheit mit der Demokratie, dem eigenen Leben und der eigenen ökonomischen Lage sowie Personen mit geringerer Bildung. Eine Rolle für die zunehmende Wissenschaftsskepsis könnte auch im medialen Wandel liegen, betonte der Experte. Es gebe hier noch keine Daten für Österreich, internationale Studien würden darauf hindeuten, dass Konsumenten von Formaten, die ungesicherte Informationen weiterleiten, wie etwa Youtube, eher zur Wissenschaftsskepsis neigen.

Unterschiede im Vertrauen in die Wissenschaft würden sich im Wahlverhalten zeigen: Tendenziell hätten Personen, die im rechten politischen Spektrum wählen, eher geringeres Vertrauen, besonders stark ausgeprägt sei dies bei FPÖ-Wählern, so Starkbaum.

Polaschek entlässt Politik aus Verantwortung

Erst im Sommer hatte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mit der Aussage aufhorchen lassen: “Die Empirie, die Wissenschaft ist das eine, die Fakten sind das andere.“ Gefragt, ob sich angesichts solcher Aussagen nicht auch die Politik an der Nase nehmen müsse, meinte Polaschek, dass solche “punktuellen Aussagen keine Rolle spielen”, diese würden “kurz aufflackern und dann wieder untergehen”. Starkbaums persönliche Meinung dazu: “Solche Zwischenrufe sind am Ende des Tages nicht förderlich.”

Bisher vorhandene Daten analysiert

Bisher haben die IHS-Forscher gemeinsam mit ihren Kollegen von der Universität Aarhus (Dänemark) unter anderem die vorhandene Literatur und quantitative Datensätze verschiedener Studien zum Thema analysiert. Dazu zählen die Eurobarometer-Studie ebenso wie Erhebungen des Austrian Corona Panel Project oder der Wellcome Global Monitor. Polaschek betonte, dass diese ersten Ergebnisse noch mit Vorsicht interpretiert werden sollten. Es würden sich aber erste Tendenzen abzeichnen.

UPDATE: In diesem Artikel wurde am 4. Jänner um 16.16 Uhr ein Tippfehler ausgebessert: Statt “Zufriedenheit mit der Demokratie in den vergangenen Jahren zugenommen” muss es heißen “Zufriedenheit mit der Demokratie in den vergangenen Jahren abgenommen”.

(pma/apa)

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

20 Kommentare

20 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Die Ergebnisse der Pilnacek-Kommission

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!