Samstag, Juli 27, 2024

Mit der Thür ins Haus gefallen – Nehammer in »ZiB2«

Bundeskanzler Karl Nehammer war am Mittwochabend in der “ZiB2” sichtlich auf Krawall gebürstet. Moderator Martin Thür griff er dabei mehrmals verbal an, schoss sich damit allerdings ein Eigentor.

 

Wien, 12. Jänner 2023 | Moderator Martin Thür war sichtlich verdutzt über den “ZiB2”-Auftritt von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwochabend. Denn Nehammer attackierte den “ZiB2”-Anchorman mehrmals unbegründet im Interview.

Nehammer sauer auf den ORF

Bereits bei der ersten Frage des Moderators, dass zahlreiche große Projekte der Regierung noch immer nicht umgesetzt wurden, setzte es von Nehammer einen persönlichen Angriff auf Thür. Nach der Klausur habe die Regierung bei einer Pressekonferenz beim Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz, dass bereits seit Juli vorliegt, mit nur minimalen Änderungen als Erfolg präsentiert.

„Na, auf jeden Fall sieht einmal so die Interpretation eines ORF-Moderators aus.“ Gleich hinterher schoss Nehammer, dass Thür behauptet hätte, die finanziellen Maßnahmen der Regierung für erneuerbaren Energien seien „nichts“.

Thür erwiderte, dass er das nicht gesagt hatte. Nehammer beharrte allerdings darauf: „Aber Sie können ruhig dazu stehen, wenn Sie so meinen, das sei also eine, eine geringe Leistung der Regierung.“

Nehammer kleinlaut: “Ach so, ich verstehe”

Thür musste neuerlich dem Bundeskanzler erklären, dass er dies überhaupt nicht gesagt habe. Wenig später legte er dem Kanzler das Umweltverträglichkeitsgesetz aus dem Juli vor, das zeigen sollte, dass nur kleine Änderungen nach der Klausur präsentiert wurden. Nehammer wollte zum Gegenangriff ausholen, schlug allerdings in die Luft.

Erneut unterstellte er Thür, dass es eine Interpretation sei, dass es nur kleine Änderungen gegeben hätte. Der “ZiB2”-Moderator erwiderte allerdings, dass die Klimaschutzministerin, Leonore Gewessler von „kleinen Änderungen“ gesprochen habe. Nehammer ließ nicht locker und warf Thür vor, dass das die Worte Thürs gewesen seien. Der immer verwunderter aussehende Thür musste erneut auf Gewessler verweisen. Erst jetzt kam Nehammer ein kleinlautes „Ach so, ich verstehe“ über die Lippen. Der peinlich berührte Blick nach unten sprach dabei ebenfalls Bände.

Screenshot: ORF

„Ich verstehe nicht, warum Sie mich die ganze Zeit derart attackieren”

Nur wenige Minuten später war Nehammer ein weiteres Mal bereit, den ORF und die Medien anzugreifen. Bei den noch nicht beschlossenen und oft geforderten Gesetzen, etwa dem Informationsfreiheitsgesetz oder dem Klimaschutzgesetz, orientiere sich die Regierung nicht an den Forderung der Medien. Als Thür etwas einwerfen wollte, reagierte Nehammer ruppig. Der Kanzler kritisierte Thür scharf, dass er ihn nicht ausreden ließ.

Beim Thema Schengen-Veto gegen Rumänien und Bulgarien sollte nun Thür die ungewöhnlich aggressive Haltung Nehammers an diesem Tage ansprechen, nachdem der Kanzler erneut den ORF kritisierte. Thür: „Ich verstehe nicht, warum Sie mich die ganze Zeit derart attackieren. Ich versuche einfach nur Ihnen Fragen zu stellen.“

Nehammer warf Thür erneut eine Falschbehauptung vor, die er gar nicht gesagt hatte. Mehrmals musste der Moderator erwidern: „Das habe ich nicht gesagt.“

“Nicht zu danken”

Die Operation Luxor, die eigentlich als Nehammers großer Erfolg im Jahr 2020 inszeniert werden sollte und nun zwei Jahre später als kolossaler Rohrkrepierer gilt, kam ein Themenkomplex auf, der den Kanzler auf 180 brachte. Auf die Nachfrage, ob die Hausdurchsuchungen mittlerweile alles andere als ein Erfolg seien, antwortete Nehammer: „Also auch hier ein Faktencheck.“ Der “Faktencheck” sollte allerdings relativ wenig einem Check zu tun haben.

Auch die Verabschiedung erfolgte eher unterkühlt: „Vielen herzlichen Dank, Herr Bundeskanzler, für den Besuch im Studio.“ – „Nichts zu danken.“

(bf)

Titelbild: Screenshot: ORF

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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