Freitag, April 26, 2024

Gläserne Decken, kunstvoll – Skylla und Charybdis

Das ist eine Unterüberschrift

Ob in das neue Haus auch neuer Stil (jetzt aber wirklich) einzieht, ist eine Frage, die sich im besten Fall nicht leicht beantworten lässt. Neues Haus, neue Politik– von wegen. Als einer der Ehrengäste saß da einer, der während seiner aktiven Politphase Taschengeld mit Sporttaschengeld verwechselte.

Julya Rabinowich

Wien, 14. Jänner 2023 | Das neue Parlament wurde also feierlich eröffnet. Der Saal: majestätisch-dynamisch. Jedenfalls elegant. Die Konstruktion des Daches – luftig, leicht und schön. Ob in das neue Haus auch neuer Stil (jetzt aber wirklich) einzieht, ist eine Frage, die sich im besten Fall nicht leicht beantworten lässt.

Neues Haus, neue Politik– von wegen. Als einer der Ehrengäste saß da einer, der während seiner aktiven Politphase Taschengeld mit Sporttaschengeld verwechselte, bis der Champagnerkorken zu laut knallte. Egal, alles ist vergessen, Heinz Christian Strache postet wieder fröhliche Selfies aus dem Zentrum der Macht. Vielleicht mit Kaviar, wohl eher nicht mit Gummibärli und abgepacktem geschnittenen Gauda.

Wer keinen Gauda hat, hat aber vielleicht Gaudi! Wenigstens musikalisch. Der erste Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hat zwar aufklärungswürdige Dinge wie den Vergleich  der Forderung, er solle den Vorsitz im U-Ausschuss abgeben, mit der Ausschaltung des Parlaments 1933 geliefert, während er bei Eröffnung nun von Toleranz und  Respekt spricht – aber auch ein medial vielgewürdigtes goldenes Klavier hinterlassen, das ein schönes Symbolbild der tempora und mores abbildet.

Kunst hin und Kunst her! Dass der Kanzler der Nation auch noch knapp vor der feierlichen Eröffnung on air den ORF-Anchor Martin Thür in kanzlerunwürdiger Manier abkanzelte, fügt ein weiteres unhübsches Mosaiksteinchen zum aktuellen Politikverständnis der Regierungsbeteiligten: Nicht alles, das neu ist, ist auch gut. Aber auch einiges, das alt ist, lässt Gutes vermissen. Die Festrede: Auftritt ein so klassischer weißer Mann, der prompt sein Problem mit Gendersternchen kundtat, dass man es eigentlich fast für eine gelungene Kunstintervention hätte halten können. Aber leider war Urgestein Wolfgang Schäuble zu wahr, um schöne Kunst zu sein, reality bites.

Ja, Schäuble hat natürlich recht, wenn er die Gefahr des Populismus und der Politikverdrossenheit beschwört! Aber durch Gestalten wie Hans Christian Kaviar Strache und Wolfgang „Wer-hat-vor-meine-Tür gemacht- ich-will-ein-goldenes-Klavier“ Sobotka wird diese Verdrossenheit eher nicht gemildert werden. Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures hatte sich wiederum für eine Intervention ganz anderer Art entschieden: zu ihren Ehrengästen zählten die Lehrlinge, die an dem Umbau des Parlaments beteiligt waren. Eine wichtige Geste, die den Graben zwischen „denen da oben“ und den Jugendlichen wenigstens vorübergehend schmälerte – und eine seltene Wertschätzung. Ohne dieser gelebten Wertschätzung wird das, was Wolfgang Schäuble beklagt, nicht geheilt werden.

Titelbild: ZackZack

Julya Rabinowich
Julya Rabinowich
Julya Rabinowich ist eine der bedeutendsten österreichischen Autorinnen. Bei uns blickt sie in die Abgründe der Republik.
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4 Kommentare

  1. Danke für die Einblicke. Hmmm. Die gläserne Decke. Die gläserne Decke und das Sternderl. Und die Lehrlinge, die Gast sein durften.

  2. Wer bitt lädt den HC als Ehrengast? Der sollte eigentlich lebenslanges Betretungsverbot bekommen.

  3. Alles, was die ÖVP seit vielen Jahren in der Regierung IM Parlament bietet, ist verachtenswert. Das darf aber keinesfalls die Sicht auf die grossartige, elegante Konstruktion des Gebäudes und vor allem auf den tiefen Sinn per se verstellen. Wer es sich einrichten kann, möge daher heute oder morgen beim Tag der offenen Tür (so wie ich) eine Gratisführung nützen. Es ruft einem wieder in Erinnerung, was das hohe Gut Demokratie für uns alle bedeutet, welche Politiker sich am Rande bewegen und sie überhaupt aushebeln möchten. Sei wachsam!

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